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Ausgabe:

1969

Spalte:

358-360

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Kohls, Ernst-Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Theologie des Erasmus 1969

Rezensent:

Rogge, Joachim

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357

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5

358

(Philon d'Alexandrie:) Les Oeuvres de Philon d'Alex-
andrie. Publiees sous le patronage de l'Universite de Lyon par
R. Arnaldez, J. Pouilloux, C. Mondesert. 16: De
Congressu eruditionis gratia. Introduction, traduction et notes
par M.Alexandre. 22: De Vita Mosis, I-II. Introduction, traduction
et notes par R. Arnaldez, C. Mondesert, J.
Pouilloux, P. Savinel. Paris: Editions du Cerf 1967.
270 S. u. 323 S. 8°. ffr. 27,- u. 36,-.

Im Rahmen der französischen Philo-Ausgabe, zuletzt angezeigt
ThLZ 63, 1968, Sp. 438, liegen zwei weitere Bände von sehr unterschiedlicher
Eigenart vor.

Band 16, De congressu eruditionis gratia, besorgt von Monique
Alexandre, weist Vorzüge auf, die diese Bearbeitung den gelungensten
Teilen der Ausgabe an die Seite stellt. Von Gen. 16,1-6
ausgehend, wo die Beziehung des Abraham zu Sara und Hagar geschildert
wird, behandelt Philo in diesem Traktat auf der Basis der
Allegorisierung der Hauptgestalten das Verhältnis des Geistes
(Abraham) zur Tugend (Sara) und zu den Studien (Hagar), deren
Zuordnung und Rivalität. 1
Da es hier zu einem beträchtlichen Teil um Philos Stellung zumi
antiken Bildungsideal geht, sind wir sehr dankbar, die Arbeit einer}
Schülerin von H. J. Marrou vor uns zu haben, dessen Histoire deü
l'education dans l'antiquite (61965) ein mehrfach übersetztes^
(dt. 1957) Standardwerk darstellt. I
Innerhalb der ausführlichen Einleitung folgt auf die ThematikV
und Aufbau des Traktates darstellende Übersicht (S. 16-26) e'mcW
Abhandlung über die kynimKioc, naibt. • bei Philo (S. 27-82). Hier -
wird durch Vergleich der verschiedenen Listen der Bildungsinhalte
(etwa entsprechend den artes liberales) gezeigt, wie sehr Philo der
Normalkultur des hellenistischen Menschen verpflichtet ist, von
der er sich jedoch unterscheidet, indem er den propädeutischen
Charakter der Studien betont (Symbolisierung durch Hagar) und
durch eine religiöse Ausrichtung hellenistischer Bildung und judischen
Monotheismus zu vereinen sucht. In dem sehr gehaltvollen
Schlußabschnitt der Einleitung (S. 83-97) wird die Wirkungsgeschichte
der in diesem Werk entwickelten Gedanken in christlicher
Zeit von Clemens Alexandrinus bis Johannes Damascenus dargestellt
, wobei der Blick auf die Vorgeschichte der Formel philo-
sophia ancilla theologiae besonders reizvoll ist.

Der in zahlreichen Anmerkungen und 22 ergänzenden Exkursen
enthaltene Reichtum an Hinweisen und Parallelen kann nicht leicht
ausgeschöpft werden. Sie decken nicht nur die Querverbindungen
zu anderen Werken Philos auf, sondern verweisen auf die Beziehung
zu griechischer und hellenistischer Philosophie, vor allem zu
Plato und der Stoa. Nicht minder reichhaltig ist die in Einleitung
und Kommentierung herangezogene Literatur, auch aus dem deutschen
Sprachgebiet. Hier vermißt man nur weniges, etwa zu cap, 125
(bzw. 177) den Hinweis auf G. Bornkamm 'OuoA.oyCcc, Hermes 71
(1936) S. 377-393.

Nicht ganz befriedigt ist man dagegen, wenn man die als Band 22
der gleichen Ausgabe besorgte Bearbeitung von De vita Mosis
aus der Hand legt. Obwohl die drei Herausgeber des Gesamtwerkes
verantwortlich zeichnen, dazu noch Pierre Savinel, ist hier
offenbar Arbeit mit der linken Hand geleistet worden. Die Einleitung
ist sehr knapp (S. 11-21) und beschäftigt sich mit der Frage
der Echtheit, bestimmt das Werk als einen für interessierte heidnische
Leser gedachten Moseroman und verweist besonders auf
den apologetischen Charakter der Wunderberichte. Der Text folgt
weitgehend Cohn-Wendland, ein Register fehlt. Anmerkungen sind
nur spärlich beigegeben; über lange z. T. wichtige Partien findet
sich nicht eine einzige, so zu I, 193-201, 231-239, 320-334, II, T63-172.
197-205. Auch wo sie vorhanden sind, genügen sie nicht immer,
z- B. zu dvddeua S. 148,1. Schon bei früheren Bänden hatte man
s'ch eine Heranziehung der entsprechenden rabbinischen Ausle-
9ungsliteratur gewünscht, um das Verhältis Philos zur jüdischen
Exegese deutlich zu machen. Bei diesem Werk, das man als ein
Gegenstück zum jüdischen Moses-Midrasch ansehen kann (vgl. zu
diesem: R. Bloch, Die Gestalt des Mose in der rabbinischen Tradition
in: Mose in Schrift und Überlieferung, 1963), stört dieser
Mangel ganz besonders und wird auch durch die gelegentliche Benutzung
der Anthologie von L. Ginzberg. The legends of the Jews,
"icht aufgewogen. Dafür einige Beispiele: Für den Benutzer dieser
Ausgabe wäre der Hinweis wichtig gewesen, daß sich die in
H 103 vorliegende astralsymbolische Deutung des siebenarmigen
Leuchters auch im Midrasch findet Num. rabba (Übers. Winter -

Wünsche) 15 (178c); oder daß Lev. 24,16 wie hier in II, 203f. so
auch in Targ. Jer. II z. St. und j. Sanh. 25a auf das Verbot des Aussprechens
des Jahwenamens bezogen wird. II, 291 hätte man den
allgemein-jüdischen Charakter der Legende, daß Moses sein Ableben
selbst aufgezeichnet habe, aus baba batra 15a belegen
können.

Auch die christliche Nachgeschichte des Textes ist nicht so sorgfältig
verfolgt, wie man es von früheren Bänden gewohnt ist, so
vermißt man u. a., daß sich der Grundgedanke von de vita
Mos. II, 115 in der Schilderung Euseb. Praep. Ev. XI, 6,36 wiederfindet
(vgl. die Ausgabe von K. Mras GCS43,2, S. 19,5).

Wer das Werden der Edition bisher verfolgt hat, wird nicht
daran zweifeln, daß es den Herausgebern und ihrem hervorragenden
Mitarbeiterkreis gelingen wird, den Maßstäben, die durch die
seither erschienenen Bände aufgerichtet wurden, bei den noch
ausstehenden Teilen der Ausgabe vollauf zu genügen.

Halle/Saale Wolfgang Wiefel

lAbramowski, Luise: Peripatetisches bei späten Antiochenern
| (ZKG 79, 1968 S. 358-362).

■Geischer, Hans-Jürgen [Hrsg.]: Der byzantinische Bilderstreit.
] Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1968). 71 S.
( 8° = Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte, hrsg. v. G.
i Ruhbach unter Mitarb. v. G. A. Benrath, H. Scheible und K.-V.
f Selge, 9. Kart. DM 8,80.

'Ritter, Adolf Martin: Gregor von Nyssa „In suam ordinatio-
nem". Eine Quelle für die Geschichte des Konzils von Konstantinopel
381? (ZKG 79, 1968 S. 308-328).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Kohls, Ernst-Wilhelm: Die Theologie des Erasmus. 1: Textband.
2: Anmerkungen und Register. Basel: Friedrich Reinhardt Verlag
1966. XVI, 230 S., 1 Taf. u. 214 S. gr. 8° = Theologische
Zeitschrift, hrsg. von der Theologischen Fakultät der Universität
Basel. Sonderband I, 1 u. 2. Kart. DM/sfr. 39,-.
Man weiß nicht recht, wozu man dem Verf. zuerst gratulieren
soll, zu der konsequenten Qüellenbefragung, die Erasmus aus sich
selbst zu verstehen lehrt, zu der mutigen Neukonzeption einer
Erasmusinterpretation, zu der umsichtigen kritischen Aufarbeitung
und Würdigung der bisher erschienenen einschlägigen Literatur -
das geschieht wesentlich in den Anmerkungen, die in einem selbständigen
Buchbinderband zusammengefaßt sind -, oder zu der
methodisch übersichtlich gegebenen flüssigen Darbietung des Stof
fes. Es ist um nichts übertrieben, wenn Bo Reicke „Über dieses
Buch" sagt, daß es „eine neue Perspektive" für die Darstellung der
Theologie des Erasmus eröffne. Weiterhin trifft zu, was hinsichtlich
des Verständnisses der durch Erasmus angeregten geistesgeschichtlichen
Situation in einer Rezension bereits ausgeführt wurde: „Wer
sich mit den von Erasmus beeinflußten Theologen und Staatsmännern
auf Seiten der Alt- wie Neugläubigen beschäftigt, kann die
Darstellung der erasmischen Theologie von Kohls nicht unbeachtet
lassen." (Koch, in: Theol. Literaturbeilage zu Nr. 22 der „Reformierten
Kirchenzeitung" vom 15. Nov. 1967.)

Dabei ist Kohls' Schrift kaum mit anderen Arbeiten zu vergleichen
, weil trotz kaum noch zu übersehender Literatur der Versuch
einer Gesamtdarstellung der Theologie des traditionell
als Humanisten fürsten bezeichneten Erasmus noch nicht
unternommen worden ist. Der Verf. verbindet mit seinem Buchtitel
entgegen vielen Vorarbeitern in gleicher Sache seine Kardinalthese
und spezifiziert sie auf die S c h r i f t theologie: „Mit
seiner Schrifttheologie muß Erasmus als ein treuer Erneuerer und
Sachwalter des lebendigen altkirchlichen und mittelalterlichen
schrifttheologischen Erbes betrachtet werden. In diesem Sinne
haben schon die Besten der zeitgenössischen Theologen insbesondere
auf Grund des Enchiridions in Erasmus den Erneuerer und
Vorkämpfer einer wahren Theologie gesehen" (S. 190).

Der Entfaltung bzw. Erläuterung dieser These sind große Partien
in Kohls' Buch gewidmet, das im Entwurf 1964 als Preisarbeit
der Heidelberger Akademie und weiter ausgestaltet 1965 der
Theol. Fakultät der Universität Erlangen als Habil.-Schrift vorgelegen
hat. Daß sich der Verf. Wilhelm Maurer in vielem dankbar
verbunden weiß, bekundet er an mehreren Stellen.