Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

349-351

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schnitzler, Fidelis

Titel/Untertitel:

Zur Theologie der Verkündigung in den Predigten des hl. Augustinus 1969

Rezensent:

Lof, Laurens Johan

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

349

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5

350

die Darstellung einen der Höhepunkte der alten Kirchengeschichte,
gewiß zu Unrecht3. Der Fall des Priesters Leporius wird merkwürdig
überschätzt fS. 390), desgleichen erfahren Äußerungen
des Proklus von Konstantinopel eine so hohe Würdigung, daß gesagt
werden kann: ..Had Nestorius paid close attention, he would
alreadv have found the Solution to his difficulties in Proclus"
(S. 454)! Empfand Nestorius „Schwierigkeiten"?

Der Grund für diese und andere Urteile liegt in der Konzeption
des Autors. Die christliche Oberlieferunq erscheint ihm als eine
gegebene Gröfie. die sich in einer in sich zielstrebigen und logischen
Entwicklung entfaltet, bis in Chalcedon eine gültige Antwort
auf die Fragen gefunden wird, welche vom antiken Denken
an die christliche Botschaft gerichtet werden, soweit es um das
Problem der Christologie geht. Damit wird die Geschichte des
Nachdenkens über Christus im Grunde einfach: das Datum ist
vorhanden. Verf. kann daher einzelne Theologen behutsam, aber
doch entschieden beurteilen: wiederholt hören wir von „Gefahren"
und von „Fehlern", in die man verfallen sei. z. B. Didvmus (S. 275).
Orthodoxie und Häresie werden als gleichsam zeitlose Größen
angesehen. Demnach kann die Fraae nach der Orthodoxie von
Männern wie Theodor von Mopsuestia und Nestorius ausführlich
als ein theologisches Problem erörtert werden. Auf der anderen
Seite hat die Konzeption des Verfassers die Folge, dafi die Geschichte
der Christologie eine gewisse Eintönigkeit annimmt, blaß
und leblos erscheint und mehr und mehr wie ein Rechenexempel
anmutet, bis Chalcedon die Lösung bringt. Dieser Eindruck wird
verstärkt durch die Neigung G.s. das Problem, ob Jesus eine
menschliche Seele besafi. auch dort eingehend zu erwägen, wo es
nicht oder kaum emnfunden wird. Andere Äußerungen zu christo-
logischen Fragen sucht man dagegen vergeblich, so das Bekenntnis
Gregors des Wundertäters und die Sentenzen der römischen
Bischöfe Viktor. Zenhvrin und Kallist. Die Feststellung des „noch
nicht", die öfter getroffen wird, kann quälend wirken (5. 93, 156,
279).

Kein Zweifel, die Abkehr von der „untheologischen" Kirchen-
qeschichtsschreibung ist zu gründlich vollzogen worden. Bei allem
Respekt vor der aufgeschlossenen und gewissenhaften Arbeit, die
m dem Buch qeleistet ist. mufi man das aussprechen. Eduard
Schwartz und Karl Müller werden nicht ohne Schaden überganqen.
um nur diese Namen zu nennen. Gerade wenn man sich der Bemühung
verbunden fühlt, die Christentumsqeschichte sachgemäß
zu beschreiben, die Zeiten nicht an Kategorien zu messen, die
ihnen fremd sind, und ein Verständnis des antiken christlichen
Denkens zu erstreben, das Harnacks genialen Entwurf vertieft -
gerade dann emofindet man. wie schwer diese Aufqabe ist Sie ist
nicht qelöst. wenn man die Geschichte einer gelehrten und vornehmen
Stilisierung unterwirft

Tübingen Hans-Dietrich Allendorf

*) Treffend v. Campenhausen. a.a.O. und ebd. R1. 1MS. Sp. 226: .Stärkere theo-
'ogische Impulse oder qar ein Aufschwuna der Cbristus-Frömmiqlteit sind von
diesem K0n7.il nicht ausgegangen, so .richtig* und dogmatisch lobenswert seine
Entscheidung auch geblieben sein mag*.

Schnitzler, Fidelis: Zur Theologie der Verkündigung in den
Prediqten des hl. Augustinus. Freiburg-Basel-Wien: Herder
T19681. XVI. 171 S. qr. 8° = Untersuchungen z. Theologie d.
Seelsorge, hrsg. v. F. X. Amold. 24. Kart. DM20.-.
Die Arbeit lag als Dissertation der Theologischen Fakultät de?
pontificium Athenaeum Anselmianum zu Rom vor und wurde
aufgenommen in die Buchreihe des Verlags Herder „Untersuchungen
zur Theologie der Seelsorge". Die Untersuchunq möchte als
Beitrag zu einer systematischen Darstellung der Theologie des
Wortes dienen, die sich an der Heiligen Schrift und den Vätern
orientiert. Denn immer lauter erhebt sich im katholischen Lager
rfer Ruf nach einer Theologie des Wortes, nach einer Theologie
der Predigt. „Ihre endgültige, systematische Darstellung wird ie-
doch erst möglich sein, wenn die dazu benötigten Vorarbeiten
geleistet sind. Unter ihnen verstehen wir ein gründliches Erforschen
der Quellen unseres Glaubens im Hinblick auf ihre Aussage
über das Wort Gottes und seine Verkündiqung" (S. 2).

„Die vorliegende Arbeit besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil
Wenden wir uns zunächst der Schrift, dann dem Verhältnis zwischen
Schrift und Predigt zu. Weiterhin untersuchen wir näher die
Predigt, besonders ihren Inhalt. Der zweite Teil fragt nach dem

Träger der Verkündigung in Schrift und kirchlicher Predigt, während
der dritte die Wirkung der Prediqt behandelt" (S. 6).

Der Leser muß u. E. erkennen, daß Schnitzler einen gewichtigen
Gegenstand behandelt. Welcher Prediger würde nicht begeistert
durch die Beschreibung von Augustinus' Predigtweise, die A. Kem-
mer uns darbietet: „Die Bibel war ihm die erste und fast einziqe
Quelle der Predigt.. . Auqustin predigte durch und durch biblisch.
Er lebte so sehr in der Schrift, dafi eine Wortassoziation qenüqte.
um ein weitentlegenes Wort nlötzlich zum Leben zu erwecken. Er
ist überzeugt, daß die Bibel für einen Menschen, der auf die Wahrheit
hören kann und müßige Neuqier beiseite läfit. wirklich das
Buch der Bücher ist, das alles enthält und auf alle Fragen, die den
Menschen wirklich angehen, auch die Antwort weiß" CS 76. 77)7

An zweiter Stelle wird der Leser u. E. erkennen müssen, dafi
dieses Buch gut geschrieben ist und sich anqenehm lesen 1ä"fit. Höchstens
möchten wir vorsichtshalber darauf hinweisen, dafi seine
Paraphrasierung der lateinischen Texte, wie sie unten an den
Seiten stehen, tatsächlich Paraphrasierung und in vielen Fällen
keine direkte Obersetzung ist. Als Beisniel wählen wir eine beliebige
Seite, nämlich S. 57. „Die Pharisäer qehörten mit zu den
Weisen" ist selbstverständlich keine Obersetzung von „iactabant se
ctiam ipsi inter videntes. hoc est inter sanientes". Oder ..viele"
nicht von „innumerabiles". „Augustinus zählt sie auf: Sabellius,
Arius. Phontinus" nicht von „Sabellius dicit- etc."

Diese Art der Paraphrasierungen steigert unzweifelhaft die
flotte Lesbarkeit des Buches, aber dem Literaten kann zuweilen
angst und bange werden wegen der kleinen Mißverständnisse, die
bei den Lesern, welche den lateinischen Text aus den Fußnoten
nicht gründlich durchlesen, erregt werden können. F.s wäre uns
lieb gewesen, wenn der Autor sich buchstäblicher an das Lateinische
gehalten hätte.

Das dritte, was dem Leser auffällt, ist sehr erfreulicher Art-. . .
Er sieht hinter diesem Buche immer mehr die Umrisse einer Theologie
der Verkündiounq in allen Werken des Kirchenvaters sich
abzeichnen. So wurden wir z. B. bei S. 87 über die Aufgabe der
Engel hinsichtlich der Offenbarung dazu veranlaßt, an unseren
Aufsatz „L'exegese exaete et obiertive des theoohanies de 1'Anciert
Testament dans 1e De Trinitate" (Augustiniana Heverlee-Louvain.
XIV fl964). S. 485-499) zu denken.

Und noch wieder weiter beginnt man etwas zu sehen von einer
Theologie der Verkündigunq in der qanzen alten Christlichen
Kirche Bei S 16 über Schrift und Kirche zum Beisniel mufiten wir
unwillkürlich denken an die Aufsätze unseres Landsmannes T. N.
Bakhuizen van den Brink über die Entwickhmq des Traditions-
beqriffes in der frühen Kirche (Ecdesia IL 's Gravenhaqe 1966).

An vierter Stelle bemerkt der Leser, daß er mit einem Buch
beschäftiqt ist. dessen Verfasser feine Unterscheidunqen anzubringen
weifi. Man erinnert sich an das bekannte: Oui bene distinguit
bene docet. Schnifzler rühmt z.B. das Werk von A n. R. Polman.
The Word of God According to St. Augustine. London 1961. das
eine englische Übersetzung des niederländischen ..De thoologir.
van Augustinus T. Het Woord r.ods bv Augustinus" (Kamnen 195B)
ist. als einen wertvollen Beitrag zur Theologie des Wortes (S. 5V
Fr nuanciert aber eine F.inzelheit bei Polman84- dieser angeführte
Text läfit sich dahingehend deuten, dafi Christus nicht so
sehr Obiekt der Predigt und der Verkündigung durch das Gesetz
und die Propheten ist. als dafi vielmehr die zweite rröttlicho
Person, die ietzt in Christus (Dominus^ snricht. schon in Gesotz
und Propheten rresnrochen hat fals Subiekt und Träger der Verkündigung
)" fS. 11).

Tn einzelnen Fällen wünschte man sich, dafi der Verfasser noch
feinere Unterscheidunaen angewendet hätte. So möchten wir z. B
bei S 39 und 40 über die Eucharistie vermerken, was wir in der
„Revue des etudes anaustiniennes" C1964 X-41 schrieben im Aufsatz
Eucharistie et nr^sence reelle selon saint Augustin": .11 v a unp
Premiere tension entre le sacrenrmt comme eorns et sang du
Christ et le sacrement comme imaae et signe de ee corns et de ce
sang" CS. 296). „Augustin narle des Clements, le nain et le vin.
sans aopuyer comme Ambroise sur leur conversinn miraculeux au
corps et au sana du Christ Ce svmbolisme n'est d'ailleurs nas une
vue propre ä Augustin • Cvnrien l'avait deiä exprime en des tormes
qui sont prpsane ceuv d'Auqustin" fS. 300).

Wir beenden schließlich unsere Besnrechung mit Schnitzlers eine
ner Folgerung am Ende des dritten Teiles: „Christus selbst ist der