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Ausgabe:

1969

Spalte:

340-343

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Ménard, Jacques É.

Titel/Untertitel:

L' Évangile de vérité 1969

Rezensent:

Schenke, Hans-Martin

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F i 1 s o n , Floyd V.: Geschichte des Christentums in neutestament-
licher Zeit, übers, u. f. d. deutsche Ausgabe bearb. v. F. J.
Schierse. Düsseldorf: Patmos-Verlag (1967]. X~III, 461 S.,
4 färb. Ktn. gr. 8° = Kommentare und Beiträge zum Alten u.
Neuen Testament. Lw. DM44,-.

Eine umfassende, kritische Geschichte des Christentums in neu-
testamentlicher Zeit ist ein dringendes Desiderat der Gegenwart.
Das Werk von Filson will diese Lücke nur zum Teil schließen.
„Studenten, Seelsorger, Religionslehrer und gebildete Laien suchen
eine zusammenhängende Darstellung vom Ursprung und Werden
der Kirche. Unser Buch möchte dieses Desiderat erfüllen' (IV Man
darf also von vornherein nicht zu viel von dem Buch erwarten.

Der 1. Teil (7-71) behandelt den zeitgeschichtlichen' Hintergrund
Die Geschichte Palästinas wird kurz und übersichtlich von Antio-
chus TV. Epiphanes bis zu den Nachfolgern Herodes des Groften
dargestellt. Leider behandelt F. die römische Geschichte dieser
Zeit so gut wie gar nicht. Der religionsgeschichtüchc Abschnitt beschränkt
sich ganz auf die Religion des SnnHudenrnms. aber auch
dabei ist fast ausschließlich Palästina im Blick des Verf. Das ist
eine gefährliche Engführung. - Tm 2. Teil (75-1681 wird die Geschichte
Jesu besprochen. F. anerkennt weitgehend die Richtiakcit
der formgeschichtlichen Methode, teilt aber nicht die radikale
Skepsis mancher ihrer Vertreter hinsichtlich der historischen Tesus-
überlieferung. „Es sind bei näherem Zuschauen mehr ohiloso-
phische und theologische Prämissen, die den historischen Jesus zu
einem Ignotum X machen wollen, als wirkliche exegetische Schwierigkeiten
" (89). Bedenklicher scheint mir das relativ große Zutrauen
zu sein, das F. dem Abriß der Wirksamkeit Tesu entgegenbringt
, wie er scheinbar den Evangelien zu entnehmen ist. z. B.
92. - Der 3. und 4. Teil (171-214 und 217-314) beschäftigen sich
mit der Terusalemer Urgemeinde und dem vöikeraoostel Paulus.
Die Darstellung folgt weitestgehend den Oberlieferungen in Act
und den Pl-Briefen bzw. kombiniert beides. Dabei entsteht das
bekannte Bild der Frühzeit von der relativ einheitlichen Entwicklung
der frühen Gemeinde mit der einseitiaen Hervorhebuna des
Paulus und seines Missionswerkes. - Der letzte Teil (317-4171 will
die Probleme des spät- und nachanostolischen Zeitalters darstellen
Grundlage dessen ist die Sammlung und Darbietung aller Informationen
, die wir über die einzelnen Gebiete des Römischen Reiches
, die späteren Kirchenprovinzen, besitzen, geordnet nach eben
diesen Gebieten. Die zeitliche Grenze nach oben ist etwa das
Tahrl50 Dadurch entsteht ein buntes, unterschiedlich anscrearbei-
tetes, mehrteiliges Bild, das gleichwohl kaum einen aeschlossenen
Eindruck von wirklicher Geschichte vermittelt. Diesem Manael
hilft auch die Erörterung theologischer und organisatorischer Einzelfragen
dieser Zeit nicht recht auf. zumal sie in der oleichen
Weise erfolgt, in der das ganze Buch im wesentlichen verfährt,
nämlich in der Darbietung des Sachverhaltes, wie er sich in der
ältesten Oberlieferung widersnieoelt.

Das vorzüglich gedruckte und ausoestattete Ruch wind abgeschlossen
durch einen Stammbaum der Herodes-Familie. eine Zeittafel
, eine Bibliogranhie der wichtiersten Hilfsmittel zum Studium
des NT und seiner Umwelt, ausführlichen Reaistern und 4 guten
Karten.

Wie aus den Andcutunqen zum Inhalt bereits hervoroehen dürfte,
schreibt F. seine Geschichte weitaehend so daß er die neutestament-
lichen Oberüeferunoen in Reziebuncr zueinander setzt und ropro-
duziert. Auch wenn er dabei im einzelnen dmvhflUS kritisch zu
Werke geht, so reicht dies"«- Verfahren doch keineswegs 8'ts. eine
in sich verständliche f.eschiehte des Urchristentums darzustellen
Dafür müßte einerseits viel deutlicher hervortreten wie einseitig
in Blick sowohl auf die Erpinnissc als auch auf die suehlichen
Probleme die kirchliche Oberlieferuna in ihrer vnrlieoenHen Form
diese Geschichte darstellt, und andererseits müßte viel entschiedener
versucht werden, zumindest die Theolonie der r.emeinde
vor und neben Paulus in die Rekonstruktion der Gesrhichte ein-
zubeziehen. Es aibt 7eugnisse davon ia durchaus im NT utch
außerhalb von Act. Ohne den Mut zur konstruktiven Hvnothoso
aber kann man diesen Gegenstand ohnehin nieht bewälticten.
Auch das starke Zurückdrängen der religionsqeschi<-V.t1iehpn Frarre-
stelluna ist einer profilierten Erfassunq der qeschicht'ichen Entwicklung
hinderlich.

Die deutsche Übersetzung dieses Buches eines Presbvteri^ner«-
stammt von einem Katholiken. F. T. Schierse. der es auch üherar-
beitet hat. Wieweit die Überarbeitung reicht, ist nicht deutlich
zu erkennen. Eine erhebliche Zahl von Anmerkungen korrigiert

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offenbar mehr oder minder wesentlich den Text (z.B. 150.10;
159,24; 203,21; 222,10; 300,41; 320,8; 365,40). Es ist bemerkenswert
, daß diese Korrekturen häufig eine kritischere Haltung zu der
Oberlieferung einzunehmen scheinen als der Verf. des Gesamtwerkes
.

Trotz (oder gelegentlich wohl auch gerade wegen) solcher
neuerlichen Bearbeitung finden sich eine Reihe von Unausgeglichenheiten
. Nach 94 ist Mk etwa zwischen 65 und 70 verfaßt,
nach 180 zwischen 65 und 75 - Nach 52,21 ist in Act 6,9 wahr
scheinlich nur von einer Svnagoge die Rede, nach 198 aber mindestens
von zwei, wenn nicht von vier. - Nach 158 ist es kaum
noch möglich zu entscheiden, ob Jesu letztes Mahl ein Passamahl
war oder nicht, 371 aber heißt es, daß wir mit der syn. Oberlieferung
annehmen dürfen, daß Tesus mit seinen Jüngern das
Passamahl gegessen hat. - Nach 261 soll das Ende des ephesini-
schen Aufenthalts des Paulus soäter behandelt werden; das ist
jedoch nicht der Fall. - Die 211,36 angeführte Sueton-Stellung ist
vit. Neron. 16,2 (entsprechend ist das Register zu verbessern). -
Über Umfang und Auswahl der angegebenen Literatur kann man
natürlich billig rechten. Immerhin dürfte kaum M. Hengcl, Die
Zeloten, 1961, gänzlich fehlen 'sowohl zu 59f. „die Zeloten" als
auch in der Bibliographie am Schluß). 61.31 wird, ebenso wie 430.
nur der 1. Band der Qumran-Bibliographie von Chr. (nicht O.)
Burchhard genannt, nicht aber der 1965 erschienene 2. Band.
110,16 wird eine veraltete Auflage von Kümmel, Verheißung und
Erfüllung, angegeben, 262,35 eine solche von Oepkes Galater-
Kommentar, 266,38 eine solche von Bachmanns Kommentar zu
I Kor. 339,70 wird von Harnacks Marcion nur der Untertitel angegeben
(richtig dann freilich 415.15, aber ohne Nennung des
Neudrucks Berlin 1960). - Die abschließende Bibliographie ist
von Schierse angefügt; sie ist zum großen Teil dem „Wegweiser
in das Neue Testament" von K. Romaniuk (Die Welt der Bibel. 17)
entnommen. XIII. Hier fehlt etwa 428 die Nennung von R. Schnakkenburg
, Das Johannesevangelium. T. Teil (Kao. 1-4). 1965 (400.35
genannt, freilich ohne Angabe, daß es sich erst um den ersten
Teil handelt), 430 H. Braun, Qumran und das Neue Testament
I.II. Tübingen 1966. 430 F. R. Goodenough. Tewish Symbols in the
Greco-Roman Period I-XII, 195.3-65. Die Geschichte der apostolischen
und nachariostolischen Zeit von L. Goopelt. 1962 im Rahmen
des Handbuchs „Die Kirche in ihrer Geschichte" erschienen,
wird in dem ganzen Buch nicht erwähnt! - Auch im einzelnen
sind die Angaben in der allqemeinen Bibliogranhie nicht immer
verläßlich. Schlatters Geschichte Israels ist 1925 in der 3. (nicht 7)
Aufl. erschienen; J. Jeremias, Jerusalem, ist 1962 in der 3. Aufl.
neubearbeitet worden; der letzte Band von Strack-Billerbeck ist
der 6., 1963. mit dem Verzeichnis der Schriftgelehrten und dem
geographischen Register: Stracks Einleitung in Talmud und Mi-
drasch (so. nicht Midraschim) ist 1921 in 5. Aufl. herausgekommen.
Neudruck 1961: die Tosephta-Ausaabe von Kittel und Rengstorf
war 1937 noch keineswegs abgeschlossen, usw.

Greifswald Trauqott H o 111

M e n a r d , Jacques E., Dr. ■ L'evangile de verite. Retroversion
greegue et commentaire. Paris: Letouzey&Ane 1962. 239 S. 8°.
NF 25,-.

Die vorliegende Arbeit, die aus der Schule H.-Ch. Puechs kommt,
stellt, was ihre Zielsetzung, aber auch die von Fleiß und Gelehrsamkeit
zeugende Durchführung betrifft, wie zunächst einmal
konstatiert sei, eine eindrucksvolle Leistung dar, die die Erforschung
des sog. Evangelium Veritatis (EVI doch ein kleines Stück
vorangebracht hat. Von mir selbst darf ich iedenfalls bekennen,
daß ich - von manchen hilfreichen, auch kritischen Einzelbemerkungen
abgesehen - durch die Lektüre von Menards Werk, meist
allerdings mehr indirekt als direkt von ihm angeregt, ein bißchen
tiefer, wie mir scheint, in das Verständnis dieser zweiten Schrift
des Codex Tung (C.T) eingedrungen bin. Aufaegangen ist mir so
durch und an M. vor allem, daß die Unschärfe. das Schwebende
und Nebelhafte der Ausführungen des EV sein Wesen ausmachen.
Es bleibt ia meist in der Schwebe, ob eiaentlich von Himmelswesen
oder von Menschen die Rede ist (M erklärt das immer mit la loi
de l'exemplarisme inverse), offenbar bzw., wie mir ietzt offenbar
ist, weil es dem Verf. des EV. wie es ihm in ieder Beziehung um
das Wesen, um die Grundstruktur (der Welt, des Falls, der gno-
stischen Mvthologie überhaupt, usw.) acht, einzig und allein auf
das aus dem Vater Sein, wo immer sich die betreffenden Wesen

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5