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Ausgabe:

1969

Spalte:

332-336

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Herrmann, Siegfried

Titel/Untertitel:

Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament 1969

Rezensent:

Kaiser, Otto

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exegesiert oder paraphrasiert, und zwar nie isoliert, sondern stets
kontextbezogen (ein Namen- und Stellenregister wäre freilich
sehr erwünscht).

Bei der unter den Kategorien Name und Wort erfaßten Präexistenz
Christi stellt Vf. eine Umgestaltung der Logochristologie
des Johannesprologs zur Namensspekulation im EV fest, die
auf ägyptischen Ursprung (einschließlich des Johannesprologs!)
verweise.

Die Epiphanie Christi vollzieht sich als Inkarnation, die eine
doketische Christologie ausschließt. Leider sind die philologischen
Ausführungen zu der schwierigen Passage EV 31,4-6 eher
verwirrend als klärend und mehr als erlaubt von Druckfehlern
entstellt (S. 85 Z. 1!); die Übersetzung „er ist herausgekommen
durch eine fleischliche Form (OYCAPX NCMAT)" führt jedenfalls
nicht über H.-M. Schenke hinaus. Sachlidi sei diese Formulierung
der sog. Pneumachristologie zur Seite zu stellen. Allerdings bleibt
es offen, welchen Typ der Pneumachristologie die des EV repräsentiert
(87 und 122). Obwohl Arais eigene Darstellung geradezu
auf Syrien zusteuert, versteift er sich wiederum auf Ägypten.
Valentinianischer Ursprung ist jedoch ausgeschlossen (88).

Am wenigsten vermag die Erörterung über die Passion Christi
zu befriedigen (93-105), die auf EV 18,24ff und 20,25-27 basiert
(Jesus wird durch den Kreuzestod zu einer „Frucht der Erkenntnis
des Vaters", welche „gegessen" wird). Dazu bemerkt Vf. nur (95),
daß die Frucht „sicher mit der Lehre vom heiligen Abendmahl
im engsten Zusammenhang steht. Außerdem schwingt hier, wie
van Unnik vermerkt, wohl auch (Sperrungen vom Rez.) die
Vorstellung vom ,Baume des Lebens' mit". Das Holz sei „ein Heilssymbol
". Dem Zusammenhang von Kreuzesgeschehen und Erkenntnis
ist Vf. nicht weiter nachgegangen, so daß die Heilsbedeutung
des Kreuzestodes in unverbindlicher Schwebe bleibt,
wiewohl Vf. selbst als „auffallend" herausstellt, „daß im EvVer
der Kreuzestod Christi entscheidend für die Offenbarung der
Erkenntnis und der Erlösung der Menschen wird" (100). Gerade
hier spricht sich sowohl die kosmische als auch die individuelle
Heilsbedeutung des Todes Jesu aus, die sich organisch der Gesamtkonzeption
des EV einordnet. Die außerpleromatische Welt ist
infolge Nichterkenntnis des Vaters entstanden. Nichterkenntnis
ist der Seinsgrund des außerpleromatischen Daseins mit allen
seinen Folgen. Jesus am Kreuze deklariert den Willen des Vaters,
nämlich die Erkenntnis seiner selbst, und gibt sich im sakramentalen
Mahle als Frucht der Erkenntnis. Das Essen der Frucht bewirkt
die Gnosis, welche die Überwindung des außerpleromatischen
Zustandes, die Rückkehr in die Heilsordnung des Pieromas,
garantiert! Für den Zusammenhang von Kreuz-Lebensbaum, Erkenntnis
und Eucharistie, sowohl in der alten syrischen Kirche
als auch im Manichäismus ein zentrales Christologumenon, darf
auf die bahnbrechenden Ausführungen von Geo Widengren4 verwiesen
werden, welche dem Vf. eine andere Perspektive hätten
geben können.

Hat man sich diesen Zusammenhang klargemacht, so ist der
Verweis von H.-M. Schenke auf OdSal 27,1-3 (in: Herkunft des
EV p. 28) durchaus nicht abwegig (für Arai 95 Anm. 4 keine Parallelität
zum EV). Das Ausbreiten der Hände vergegenwärtigt den
Heiland am Kreuz, der im Lichte von EvPhil § 53 (= 111,21-24 Till)
das Sakrament verkörpert: „Die Eucharistie bedeutet: Jesus! <Sie>
heißt nämlich auf Syrisch: ,Pharisatha (d. h. Brotbrechen)', was
(zugleich auch ,das (bzw. der) Ausgebreitete' bedeutet. Jesus kam
ja, um der Welt (ausgebreitet, d. h.) gekreuzigt zu werden". Der
Gedanke lebt von dem Wortspiel prs .teilen, Brot brechen': prs
.ausbreiten', im Syrischen beides prs geschrieben5. Es ist zu betonen
, daß hier ein syrisches Traditionsstück vorliegt.

Abschließend vermutet Vf. gar (120f.), daß die Erlöserfunktion
Christi im EV sekundär sei. Danach frage ich mich, wieso Kosmologie
und Anthropologie die Voraussetzungen der Christologie des
EV seien (61!), wenn gerade das wesentliche Eigenmerkmal (Inkarnation
und Passion) nachträglich aus der Konzeption eliminiert
wird. Diese Unausgewogenheit ist dem Gedankengang wenig
förderlich.

*) G. Widengren, Mesopotamian Elements in Manichaeism (King and Saviour II)
1946, 123-157.

6) Nach der Übersetzung und Interpretation von H.-M. Schenke in i Koptolo-
gische Studien in der DDR, Halle/Wittenberg 1965, 130.

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Im Ergebnis ist festzuhalten, daß der Nachweis nichtdoketischer
Christologie gelungen ist; daß diese nicht valentinianisch ist, aber
auch sonst nicht stringent einem bestimmten Kreise zuzuordnen
ist, sondern selbständigen Charakter trägt. Dem entspricht es
auch, daß die Entstehungszeit vom 2. bis zum 4. Jahrhundert reichen
kann. Die Verwandtschaft mit der Denkstruktur des Johannes
-Evangeliums scheint mir erwiesen. Für den vom Vf. immer
wieder behaupteten ägyptischen Ursprung ist die Argumentation
jedoch nicht tragfähig. Die Pneumachristologie ist in sich selbst
zu uneinheitlich, als daß man von hier aus auf den Entstehungsort
schließen könnte. Der Anteil des Spätjudentums und syrischer
Theologie dürfte weitaus stärker zu veranschlagen sein, als Arais
gelegentliche Einwände gegen seine Ägyptenhypothese (72 Anm. 2.
89. 121f.) glaubhaft machen wollen.

Halle/Saale Peter Nagel

D a m m a n n , Ernst: Nachchristliche religiöse Bewegungen in

Afrika (ZW 40, 1969 S. 99-109).
R a y a n, Samuel: Die eschatologische Hoffnung des Hinduismus

(Concilium 5, 1969 S. 50-54).

ALTES TESTAMENT

Herrmann, Siegfried: Die prophetischen Heilserwartungen
im Alten Testament. Ursprung und Gestaltwandel. Stuttgart:
Kohlhammer [1965J. VIII, 325 S. gr. 8° = Beiträge z. Wissenschaft
v. Alten und Neuen Testament. Fünfte Folge, hrsg. v.
K. H. Rengstorf u L. Rost, 5. Kart. DM 36,-.
Die Anzeige eines so weitausgreifenden, gewichtigen und gedankenreichen
Werkes kann sich bei dem zur Verfügung stehenden
Raum nur das Ziel setzen, seinen Gedankengang zu skizzieren,
iür die weitere Prophetenforschung bedeutsame methodische und
inhaltliche Einzelaspekte hervorzuheben und da und dort ein bescheidenes
Fragezeichen zu setzen. Aus zwei zunächst selbständig
vorgelegten Abhandlungen über den „Ursprung der prophetischen
Heilserwartung" (S. 1-154) und den „Gestaltwandel der prophetischen
Heilserwartung" (S. 155-308), der Leipziger Dissertation und
Habilitationsschrift des Verfassers aus den Jahren 1957 bzw. 1959,
entstanden, bildet das Buch doch eine innere Einheit, weil sich
eben der Gestaltwandel der prophetischen Heilserwartungen seit
dem 6. Jahrhundert nur auf dem Hintergrund ihrer Ursprünge und
Anfänge zutreffend erfassen und damit in die Geistesgeschichte
Israels einordnen läßt. Da die seither erschienene Literatur die
Konzeption des Verfassers in der Tat nicht wesentlich beeinflussen
konnte, war es gerechtfertigt, daß Herrmann auf sie weithin nur
in einem „Nachwort" (S. 310-316) hingewiesen hat. Sind wir mithin
schon bei formalen Fragen angekommen, bleibt zu ergänzen, daß
sich der Rezensent für die erhoffte zweite Auflage des Buches
außer dem schon jetzt beigegebenen Abkürzungsverzeichnis und
Stellenregister ein Literaturverzeichnis und zumal ein Sachregister
wünscht, da der Verfasser auf dem Wege zu so viel Einzelproblemen
Beobachtungen und Hinweise gibt, die man bei weiterem
Gebrauch des Buches gern erschlossen hätte.

Der erste Teil behandelt nach „Methodischen Vorfragen" (S. 1
bis 15) die „Formen der Heilserwartung außerhalb Israels" (S. 16
bis 64), den „Ursprung der Heilserwartung im Alten Testament"
(S. 64-103) und die „Aufnahme der Heilstraditionen in der klassischen
Prophetie" von Hosea bis zu Micha (S. 103-154). - Einleuchtend
wird in den Vorerwägungen zwischen kanonisierten und
damit über ihren ursprünglichen Geltungsbereich hinausgehobenen
und ursprünglichen, in sich keineswegs einheitlichen Heilserwartungen
der Propheten unterschieden, die es aus ihrer Vorgeschichte
, ihrer Funktion innerhalb der Verkündigung der einzelnen
Propheten in ihrer Spannung zwischen Tradition, Situation
und schöpferischer Individualität zu verstehen gilt. - Angesichts
der Verflechtung Israels mit der ägyptischen und vorderasiatischen
Welt mußte eine Umschau nicht nur im Blick auf die Frage nach
phänomenologischen Verbindungslinien zum Prophetismus als solchem
, sondern auch im Blick auf die dort zu beobachtenden geistes-
und literaturgeschichtlichen Entwicklungen erfolgen. Dabei wird
gezeigt, daß ein methodischer Einfluß Ägyptens „am ehesten in der
formalen Ausprägung und der Art der Fixierung des Spruchmaterials
und darüber hinaus in einigen Wendungen" gesucht werden

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5