Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

315-316

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Hoffmann, Heinz

Titel/Untertitel:

Tradition und Aktualität im Kirchenlied 1969

Rezensent:

Albrecht, Christoph

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

315

auch mit den drei Stellen, an welchen im Text Neumen auftauchen.
Es werden weiter .Spuren und Reste alter Handschriften" vom
Holzdeckel und in Gestalt von vier Falzstreifen behandelt. Auch
die vier im Triplex enthaltenen Urkunden hat der Hrsg. in ihrem
Text wiedergegeben und eingehend bearbeitet. Es handelt sich hier
um die Notiz von der Weihe einer Mauritiuskapelle am 26. 10. 1131
durch Bischof Ulrich II. von Konstanz, um zwei Papstbriefe an acht
Würdenträger in Konstanz bzw. das dortige Domkapitel, als deren
Verfasser Innozenz II. und als Daten etwa der 16.11.1134 bzw.
sicher der 14.4. 1137 ermittelt werden, schließlich um einen Brief
des St. Galler Abtes Walther von Trauchburg, der am Morgen nach
seiner Abdankung, dem 25. Tl. 1244, seine Mönche vom Gehorsam
gegen ihn entbindet und die Neuwahl freigibt. Den Schluß des einleitenden
Teiles bilden die Editionsregeln, die im wesentlichen
denen der Sakramentareditiontn K. Mohlbergs entsprechen.

Der Text ist auf S. 2-359 sehr übersichtlich wiedergegeben und
ermöglicht ein anschauliches Bild vom Bestand dieser Handschrift.

Ausführliche Register zum edierten Text, zu den Einleitungskapiteln
und zum Breviariumfragment (fol 314v-316v) bieten für
die Auswertung dieses wichtigen und interessanten liturgischen
Buches jede nur wünschenswerte Hilfe. 8. Tafelbilder geben einen
Eindruck von der Gestaltung und Schönheit dieser Handschrift.

Die Liturgiewissenschaft wird dem Hrsg. und seinem Helferinnenstab
für diese langgewünschte großzügige Edition Dank wissen
und mit hohem Interesse den beiden Ergänzungsbänden entgegensehen
.

Greifswald William Nagel

Hoff mann, Heinz: Tradition und Aktualität im Kirchenlied.

Gestaltungskräfte der Gesangbuchreform in der ersten Hälfte
des 19. Jahrhunderts. Berlin: Evang. Verlagsanstalt, u. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht (1967). 118 S. gr. 8° = Veröffentlichungen
d. Evang. Gesellschaft für Liturgieforschung.

Diese Arbeit, die in den „Veröffentlichungen der Evangelischen
Gesellschaft für Liturgieforschung" erscheint, ist die Überarbeitung
einer 1965 vorgelegten Berliner Dissertation. Wieder einmal zeigt
sich, daß das kirchengeschichtlich vermeintlich so uninteressante
19. Jahrhundert eine ungeahnte Aktualität der Fragestellungen
kennt; auf hymnologischem Gebiet sind beispielsweise viele Diskussionen
unserer Tage schon vorweg geführt worden.

Nach einer Einleitung („Triebkräfte der Besinnung auf das alte
Kirchenlied") entfaltet Hoffmann den Stoff der Arbeit in vier Kapiteln
: I. Kirchenlied und Kultus - II. Kirchenlied und Geschichte
- III. Kirchenlied und Lehre - IV. Kirchenlied und Einheit. Durchweg
wird das Material sorgfältig gesichtet. Die thematische Gliederung
der Arbeit hat ihre großen Vorteile - aber auch den Nachteil
häufiger Wiederholungen. Vielleicht wäre die Gliederung nach
den vier Epochen, wie sie in der Zusammenfassung auf S. 108/09
genannt werden, ein noch günstigeres Ordnungsprinzip gewesen: 1.
Die Abwehrreaktionen gegen die Aufklärungsgesangbücher: bis
etwa 1820 - 2. Die Zeit des Wiederentdeckens und Sammeins: ab
1820 - 3. Die kirchliche Erneuerung mit ihren hymnologischen
Auswirkungen und Scheidungen der Reformanliegen: um 1840 -
4. Die nationalen und kirchlichen Einigungsbestrebungen und der
Drang zum Einheitsgesangbuch: um die Jahrhundertmitte.

Das Aufklärungsgesangbuch reichte mit seinen Tugendliedern
(die Karl von Raumer als Früchte am abgehauenen Baum bezeichnet
) noch kräftig in das 19. Jahrhundert hinein. Mit einem geradezu
beneidenswerten Fortschrittsglauben hielt man sich zu
einem nahezu radikalen Bruch mit dem Kirchenlied der Vergangenheit
berechtigt, um die Einheit von Lehre und Lied zu erreichen
. Und wenn man schon einmal Luthers „Ein feste Burg"
im Urtext übernahm, dann nur „zum Andenken des rühmlichen
Fleißes der ersten evangelischen Lehrer" und damit man „lerne
aus der rauhen Sprache, wie schwer es damals gewesen sei, gute
Lieder zu machen" (J. F. Kinderling 1813).

Goethes Kritik an den Umarbeitungen, den „hinter dem Schreibepulte
mühsam polierten" Liedern ist bekannt. Aber wie problematisch
ist auch sein eigener Standpunkt: „Was ist dran gelegen,
was man singt, wenn sich nur meine Seele hebt und in den Flug
kömmt, in dem Geist des Dichters war."

Die völkische Erniedrigung und die Erhebung in den Befreiungskriegen
wird theologisch reflektiert und im Zusammenhang mit

316

dem Zerfall von Lehre und Lied und ihrer Erneuerung gesehen
. Das ist der Hintergrund von Ernst Moritz Arndts Schrift
.Von dem Wort und dem Kirchenliede" (1819). Im gleichen Jahre
beginnt die Ausgabe der Monumenta Germaniae Historica. Die
Bruder Grimm sammeln alte Sagen und Märchen. 1816 hatte
Friedrich Wilhelm III. die erste historisierende Agende herausgegeben
. Die Entdeckung des alten Kirchenliedes lag gleichsam
in der Luft.

Von der kirchlichen Erneuerung gehen ebenfalls kräftige Impulse
auf die Hymnologie aus. Man entdeckt wieder die Zusammengehörigkeit
von Kirchenlied und Gottesdienst. Dies zeigt sich
rein äußerlich in der Liederanordnung (nicht mehr dogmatisch,
sondern auf Gottesdienst und Kirchenjahr bezogen), wird aber
vor allem inhaltlich in der Liedauswahl bestimmend. Hatte die
Aufklärung sich dem Anspruch der Vergangenheit entzogen, so
verfiel die Restauration in das Gegenteil, indem sie der Gegen
wart nicht gerecht wurde.

Besondere Beachtung verdienen Hoffmanns Ausführungen über
den Eisenacher Entwurf eines Einheitsgesangbuches (Deutsches
evangelisches Kirchengesangbuch in 150 Kernliedern, 1854).
Meines Wissens gibt es bisher über diesen wichtigen Meilenstein
in der evangelischen Gesangbuchgeschichte keine so umfassenden
Ausführungen, sowohl über die Eisenacher Verhandlungen als
auch über die Vorgeschichte und zur Charakterisierung des Entwurfs
.

Das Ergebnis der Arbeit reicht in die heutigen Gesangbuchprobleme
hinein: „Die Singebewegung ist dem Kirchenlied auf
ihre Weise begegnet, wieder anders haben lebendige Gemeinden
in der Zeit der Bekennenden Kirche die .Aktualität' alter Lieder
erfahren - dies sind Tatbestände, denen mit dem billigen Vorwurf
des ,Historisierens' nicht beizukommen ist. Aber sie weisen darauf
hin, daß in der Gegebenheit des Erbes die Aufgabe beschlossen
liegt: Jede Gesangbucharbeit, aber auch jeder verantwortliche
Gesangbuchgebrauch hat darauf zu achten, ob das alte Lied wirklich
seine .Entsprechung' zum heutigen Menschen erweist... Es
muß der Weg gefunden werden zwischen der legitimen Erkenntnis
, daß alte Lieder u. U. durch den Wandel der Theologie und
Frömmigkeit und ihrer Sprache nicht mehr ihren Dienst im jeweils
aktuellen Vollzug von Verkündigung und Lobpreis ausrichten
können, und dem illegitimen Ausweichen vor der Tiefe solcher
Glaubenszeugnisse. ... Die »Aktualität' des Liedes entscheidet
sich am Umgang mit ihm, daraus allein kann verantwortliches
und begründetes Urteil erwachsen. Nur wenn das Gesangbuch in
dieser Weise als Aufgabe aufgefaßt und ernst genommen wird,
wird auch der Ertrag der Diskussion für künftige Gesangbucharbeit
nicht ausbleiben" (S. HOf).

Dresden Christoph A 1 b r e c h t

T y c i a k , Julius: Gegenwart des Heils in den östlichen Liturgien.

Freiburg/Br.: Lambertus-Verlag 1968. 105 S. 8° = Sophia. Quellen
östlicher Theologie, hrsg. v. J. Tyciak u. W. Nyssen, 9. Kart.
DM 9,80.

Der bekannte ukrainisch-unierte Theologe führt in losen Skizzen
den „Mysterien-Gedanken" und, allgemeiner gefaßt, die „Spiritualität
" der östlichen, byzantinischen, west- und ostsyrischen, koptischen
, äthiopischen und armenischen Kirchen vor. Unter diesem
Gesichtspunkt hebt er als wesentliche Paradigmata heraus die
Herrenfeste der Darbringung im Tempel und der Kreuzerhöhung
- in denen beiden die verklärende und umwandelnde Herrlichkeit
Gottes in seinem Sohne angebetet wird, sowie „das Christus-
Mysterium der Marienfeste".

Eine Beurteilung seiner angeschlossenen, immer hymnisch belegten
Darstellungen der national-kirchlichen Liturgien des Vorderen
Orients muß den Spezialisten überlassen bleiben. Zweifellos
ist das Büchlein als Hinführung zu dem östlichen Gottesdienst
als Zentralgeschehen der orientalischen Christenheit anregend und
im Interesse weiterer Leserkreise zu begrüßen, wenn es auch -
ebenso wie die betr. Monographie von B. Schultze - ein deutliches
Verständnis der antinomischen orthodoxen Offenbarungslehre aller
Jahrhunderte nicht zu erschließen vermag.

Frankfurt/M. Hildegard Schaeder

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 4