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Ausgabe:

1969

Spalte:

304-306

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Prenter, Regin

Titel/Untertitel:

Die Ordination der Frauen zu dem überlieferten Pfarramt der lutherischen Kirche 1969

Rezensent:

Brunner, Peter

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 4

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einer höheren Warte beigelegt, sondern nur umgangen werden
kann.

Es überrascht mich nicht, daß Smart am Ende des Buches erklären
muß, der Zwiespalt in der modernen Theologie werde
nur vertieft, wenn man die Wahrheitsfrage, die diese beiden
Theologien stellen, wirklich höre. Aber das entspricht nun ganz
und gar nicht Smarts anfänglicher Absicht, uns einen neuen Weg
zu zeigen, auf dem wir von diesem Zwiespalt befreit würden.

So läuft denn durch dieses Buch selbst ein Zwiespalt. Es möchte
befreien zu einem neuen theologischen Verständnis. Aber indem
uns Barth und Bultmann - notwendigerweise in diesem
Buch - dauernd über die Schulter blicken, bleibt die grundsätzliche
Frage, die von dem Zwiespalt der beiden Theologien aufgeworfen
wird, auch für Smart bestehen: Soll die Theologie
aufs Wort gegründet werden, auf das der Glaube antwortet,
oder auf den Glauben, der auf das Wort antwortet?

Solange wir bei den Prämissen von Barth und Bultmann verharren
, werden wir kaum über Barth und Bultmann hinauskommen
. Smarts Nachdenken der Anfänge Barths und Bultmanns
zwingt uns gleichsam, uns von diesen Prämissen her zu
entscheiden. Sosehr ich die Absicht Smarts schätze, uns durch
geschichtlichen Anschauungsunterricht vor Fehlern zu bewahren,
so kann ich mir schlecht denken, daß sich die iüngere Generation
an Prämissen orientieren würde, die wenigstens z. Zt. weitgehend
keine Überzeugungskraft mehr besitzen.

Barths frühes theolciqisches Denken, zu dem zurückzukehren
Smart uns einlädt, orientierte sich z. B. an dem Problem der
Prediqt. Es läftf sich nicht darüber streiten, daß auch für uns
noch die Prediqtaufqabe ein bedeutender Gegenstand theolo-
oischen Nachdenkens ist. Ahe*- die Fraqe der Prediqt wird dorh
überschattet von der Frage, ob der Christ heute denn überhaupt
etwas Wichtiges oder sinnvolles mitzuteilen habe. Alle diese Bedenken
finden ihre Mitte in der Frage nach der Wirklichkeit
Gottes. F>ie Bedenken lassen sich heute aber nicht so einfach mit
dem Hinweis auf das Wort Gottes beantworten. Ein unmittelbares
Akzeptieren des Wortes Gottes als Offenbarungsquelle *ch"int
heute ausgeschlossen. Es entsteht sofort die Frage, wie das so
qenannte Wort Gottes in Anbetracht der heutigen Wirklichkcits-
erfahrunq einen V^irklichkcitsanspruch Gottes erweisen könne.
Nun wird das Wort Gottes selbst Gegenstand des Fraqens. Welchen
Wirklichkeitswert hat es? Eine direkt" Ankm'iofunq an Barth
scheint hier nicht möqlich. Das hat schon Bonhoeffer mit seinem
Hinweis auf die Gefahr eines Offenbarunnspositivismus oecehen.

Von der Frage nach dem Wirklichkeitswert des Wortes Gottes
wird auch letztlich das Problem des anthropologischen Ansatzes
der Theologie im Btiltmannschen Sinne relativiert. Es qeht heute
qar nicht im primären Sinne um das Selbstverständniq des Menschen
. Es acht um die Wirklichkeit Gottes. Die iünqere Theoloqio
möchte wissen, wie sie der Herausfordernnq eines modernen
Deakens über Revolution. Imperialismus. Gewaltanwendunq. Ge-
waltlosiqkeit. Armut. Ausbeutunq Rassismus usw. mit Bezuq auf
eine alles überragende Wirklichkeit beqeqnen könnte. Dabei müssen
wir immer mehr überleqen. ob es wirklich unsere Frauen
sind, die wir beantworten möchten im heutigen Streit der Gemüter
. Oder ist uns eine Frage voroeqeben von der Wirklichkeit,
die wir immer noch Wort Gottes nennen? Das Problem scheint
sich h e u t e so zu stellen, ob wir die Fraqe des Wortes selbst nach
seinem Wirklichkeitswert vernehmen. Die theoloqische Dialektik
liegt primär nicht mehr dort, wo Smart sie sieht, zwischen Wort
und Glaube, sondern zwischen Wort und Wirklichkeit.

In dieser Dialektik geht es vor allem um ein kritisches Verhältnis
zur gesellschaftlichen Wirklichkeit. Kürzlich schrieb Tohann
Baptist Metz: „Das sogenannte hermeneutische Grundproblem der
Theologie ist nicht eigentlich dasjenige des Verhältnisses von systematischer
und historischer Theologie, von Dogma und Geschichte,
sondern von Theorie und Praxis, von Glaubensverständnis und
gesellschaftlicher Praxis" (Zur Theologie der Welt. S. 104). Dies
Zitat beleuchtet in aller Kürze die veränderte Situation in der
heutigen Theologie. Dabei können wir nicht vergessen, daß ohne
die Frage, die das Wort Gottes selbst nach seinem Wirklichkeitswert
an die gesellschaftliche Praxis richtet, wir als Theologen
überhaupt keine rechte Frage zu stellen haben. Woher sollen wir
sonst unser kritisches Verhältnis zur gesellschaftlichen Wirklichkeit
beziehen?

Darin, daß sie darum gerungen haben, das Wesen des Wortes
Gottes zu verstehn, beide auf ihre Weise, sind Barth und Bult
mann immer noch Mahner in unserer Zeit, an denen wir nicht mit
tauben Ohren vorbeigehen dürfen. Thre Methoden können wir
nicht übernehmen. Alter ihre Sache bleibt auch unsere Sache. Die
theologische Größe dieser Männer klar herausgestellt zu haben in
einer Zeit, in der viele ihre Augen davor verschließen, ist das
besondere Verdienst von Smarts Buch. Ihre Größe anzuerkennen,
sollte aber nicht heißen, auch ihre Methoden als die unseren
übernehmen zu müssen.

Was wir auch heute noch von Barth und Bultmann lernen sollten,
ist der völlige Einsatz, mit dem sie als iunge Männer
das Wesen der theologischen Sache in ihrer Zeit zu entdecken
versuchten. Sie haben sich nicht von ihren theologischen Vorfahren
ihre Aufgaben vorschreiben lassen. Barth und Bultmann heute
ernst nehmen heißt darum, an unsere Arbeit gehn.

Durham/North Carolina Frednrick Herzog

P r e n t e r , Regin : Die Ordination der Frauen zu dem überlieferten
Pfarramt der lutherischen Kirche. Berlin H imburg: Lutherisches
Verlagshaus 1967. 18 S. 8° — Luthertum, hrsq. v. W.
Zimmermann, F. Lau, H. Schlvter u. T. Pfeiffer, 28. DM 3.20.
Obwohl dieses Heft offensichtlich nur eine Rede des durch seine
ökumenischen Beziehungen weit über Dänemark und Europa
hinaus wirksam gewordenen Dogmatikers von Aarhus wiedergibt,
enthält es einen der bedeutendsten Beiträoe zu der Frage, ob es
kirchenrcchtlich legitim ist, Frauen durch Ordination in das
öffentliche Pfarramt der evangelisch-lutherischen Kirche einzusetzen
. Vf. verneint diese Frage. Seine Gründe sollen hier thesen
artig zusammengefaßt werden. Es liegt auf der Hand, dnfi eine
solche Zusammenfassung das für den Vf. Entscheidende, nämfich
den die Thesen begründenden Gedankenzusammenhang, nur unvollkommen
wiederqeben kann. Wer sich mit den Thesen des vf.
auseinandersetzen will, muß daher zu seiner Schrift seihst greifen

1. Evangelisches Kirchenrecht muß auf der heüiqen Schrift und
dem Bekenntnis der Kirche fußen. Anderenfalls wird es „ein maskiertes
Kirchenunrecht". Im Blick auf den maßgeblichen Tevt
1 Kor. 14.34 kommt der exegetischen Fraoe eine Priorität zu Inwiefern
dem durch die Exegese ausgelegten Text kirchenrechtliche
Autorität zukommt, ist eine vielfältige doqmatische Fraae.

2. .Teder gesetzliche Biblizismus ist unbiblisch und unlutherisch.
Vom „Gesetz" sind indessen zu unterscheiden die mit dem Evan-
qelium verbundenen Stiftungsgebote, die schlechthin Gehorsam
^'erlanqcn. Das im Evangelium bcouqte Heilsgeschehen in Tesus
Christus wird nur dadurch Evanq^lium für uns. dafi es uns durch
Wort und Sakrament zugewendet wird. Diese Applikation dufch
die Gnadenmittel schließt Gehorsam oegen die Einsetzunqsqehole
Gottes in Jesus Christus ein. Die konkrete Gestalt, in der das Heil
uns zugeeignet wird, steht nicht in unserer Willkür, sondern ist
durch die Einsetzungsgebote festgeleqt.

3. Alle Gebote des Apostels zwischen 1. Kor 11 (Abendmahls-
naradosis) und 1. Kor 15 (Predigtnaradosis) sind auf die rechte
Bewahrung der in Abendmahl und Predigt erfolgenden Evanqe-
liumsüberlieferung bezogen. Dabei gibt der Apostel nicht nur Raischläge
und Anweisungen, die auf vernünfliner Einsicht beruhen,
sondern er beruft sich gerade im Zusammenhanq des „Schweiqe-
gebotes" auch auf ein Gebot des Herrn. Im Blick auf 1. Kor 12.28
wird deutlich, daß es sich hier Um ein mit der Einsetzung des
Dienstes der Evangeliumsverkündigung gegebenes Gebot handelt.
Apostel. Propheten und Lehrer sind als Träger eines Amtes der
Evangeliumsverkündigung männliche Diener. Dieses Gebot hat teil
an der geschichtlichen Kontingenz. die der äußeren Gestalt der
Gnadenmittel anhaftet.

4. Die Confessio Augustana lehrt keineswegs nur die göttliche
Stiftung der Gnadenmittel als eine von der Gemeinde nach ihrer
Entscheidung auszuübende Funktion sondern sie lehrt, daß mit
dem Mandat Christi, das die apostolische Sendung zum Tnhalt hat,
auch das Gnadenmittelamt, wie es CA 28 umreißt, iure divino gestiftet
ist. Dem entspricht die neutestamentlichc Aussage, daß Apostel
, Propheten und Lehrer von Gott eingesetzt sind, auch wenn
die Gemeinde Lehrer oder Hirten beruft. Durch solche Berufung
überträgt die Gemeinde nicht ihr Amt, sondern stellt im Namen
Gottes Menschen unter das ihr anvertraute, mit dem mandatum