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Ausgabe:

1969

Spalte:

302-304

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Smart, James D.

Titel/Untertitel:

The divided mind of modern theology 1969

Rezensent:

Herzog, Frederick

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Theologische Litcraturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 4

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neutisch-apologetischen) mitbestimmt sind, da es im Grunde immer
um die Bedeutung der Person Jesu für den Glauben geht. Die
Resultate der Forschung variieren je nach der Bestimmung der
Korrelation von Sein und Denken und je nach dem Verständnis
der „Antagonismen" (der Begriffe, mit denen der „historische
Jesus" konfrontiert wird), an denen das Problem der logischen
und zeitlichen Differenz aufbricht (angefangen mit den „zufälligen
Geschichtswahrheiten und notwendigen Vernunftswahrheiten"
über „Jndividium und Idee" bis zum „Verkündiger und Verkündigten
"). - Der zweite Teil fafjt die eigentliche dogmatische
Bedeutung der historischen Jesusfrage ins Auge, deren Problematik
an typischen Beispielen der neueren Theologiegeschichte entfaltet
wird (eindrücklich bes. die Analysen der Christologie Schleiermachers
, Ritschis, Hermanns und Kählers). - Der Schlußteil fafjt
die Grundprobleme der ganzen Forschungsgeschichte zusammen
und versucht, über das Dilemma der alten und der neuen Frage
nach dem historischen Jesus hinauszuführen. Die historische Jesusfrage
wird als „Teilproblem der Christusfrage" angegangen, womit
die Methodenfrage der Sachfrage als dem gemeinsamen
Gegenstand untergeordnet wird. Der gemeinsame Gegenstand
der historischen Forschung und der Dogmatik ist die Person
Jesu Christi und d. h. „der neutestamentliche Bericht von der
Person Jesu Christi in seiner Gesamtheit" Selbstverständlich
schliefst das ein, daß das Verhältnis von historischer Wirklichkeit
und interpretierender Tradition und Verkündigung (mit
der Möglichkeit von Fehlinterpretationen) steter Überprüfung
bedarf. „Faktisch kann jedoch diese kritische Aufgabe nur in
einer wie auch immer bestimmten Stellungnahme zu der im
Neuen Testament bezeugten, über den Tod hinausgehenden,
bleibenden Wirklichkeit der Person Jesu Christi wahrgenommen
werden. In dieser personalen Kontinuität liegt das Grundproblem
der historischen lesusfrage sowie der Ansatzpunkt ihrer christo-
logischen Problematik". Hier liegt der Einsatzpunkt für Slenczkas
eigenen Beitrag zur Lösung des dogmatischen Problems. Er vermeidet
jede einseitige Festlegung auf eine Christologie „von
unten" (Einsatz in der geschichtlichen Existenz Jesu; Geschichte
Jesu als Erkenntnisgrund der Gottheit Jesu usw.) oder eine
Christologie „von oben" (ausgehend von der Verkündigung der
Kirche, vom trinitarischen Dogma usw.) und auf die verfügbaren
Antworten auf die Frage nach dem „Urdatum", dem zentralen
Element der Christologie (Selbstbewuf)tsein Jesu, Auferstehung,
Osterglaube der Jünger, Kerygma). Er geht vielmehr aus vom
neutestamentlichen christologischen Pcrsonverständnis, in welchem
der Übergang vom Verkündiger zum Verkündigten durch die
Auferstehung Jesu von den Toten als eine personale Kontinuität
und Identität geschildert wird". Dem Neuen Testament ist wesentlich
, daß der Verkündigte selbst in der Verkündigung als personhaft
Handelnder begegnet. Diese Haftung der neutestamentlichen
Christusverkündigung an personalen Kategorien gehört unabdingbar
zum Verständnis des Glaubens. „Gerade dort, wo die
historische Jesusfrage unabhängig von der Auferstehung gestellt
wird, wo also das Zentrum und der Ursprung der Christusverkündigung
entweder in der Person des .historischen Jesus' oder
aber in dem .Ostcrglauben der Jünger' gesehen wird, erscheint
regelmäßig die Aporie, wie die bleibende und konstitutive Bedeutung
der Person Jesu Christi zum Ausdruck gebracht werden
kann. Entweder bleibt die Person der Vergangenheit als objektivierte
Historie verhaftet, die dann zu vergegenwärtigen und
zu aktualisieren ist. Oder es wird auf die Person verzichtet und
sie wird durch die innere Dynamik einer objektiven Idee oder
eines entgcschichtlichtcn Kcrygmas ersetzt". Die Auferstehung
gehört zum Inhalt der Verkündigung wie das irdische Leben und
der Tod als ein Teil der Geschichte Jesu Christi. Der Auferstandene
selbst gibt den Auftrag zur Verkündigung und gewährt
m ihr die Begegnung mit seiner Person. Die personale Einheit
und Kontinuität, die keine Alternative zwischen vor- und nach-
östcrlichcr Situation zuläfjt, bleibt in der ganzen Entwicklung
der nachöstcrlichcn Christologie in ihrer Vielfalt das entscheidende
Kriterium, so daß die Übertragung von Hohcitstitcln auf die Person
des irdischen Jesus nicht zur Ideologisicrung und Mythi-
sierung führt. Mit dem Einbezug der vergangenen Geschichte
wird aber kein Faktum objektiviert, das mit dem Wesen des
Glaubens unvereinbar wäre, denn das ,cxtra nos' liegt nicht in
einem vergangenen Ereignis, das vergegenwärtigt werden müßte,

sondern in einer Person, die für uns gehandelt hat und an uns
handelt.

Gewiß bleiben am Schluß noch viele Fragen offen. Vor allem
gilt es, das Problem der Auferstehung, der personalen Relation
des Auferstandenen mit seinen Gläubigen, der Bedeutung der
Geschichte des Auferstandenen in der Gegenwart und Zukunft
durchzudenken. Aber der Sinn des Buches ist gerade, diese
Fragenkomplexe neu aufzubrechen und aus ihrer bisherigen
Fixierung in einem großen Teil der heutigen theologischen Arbeit
zu befreien. Das Werk Slenczkas ist ein bedeutsamer Schritt
vorwärts.

Richmond/Va. Mathias R i s s i

Smart, James D.: The Divided Mind of Modern Theology.

Karl Barth and Rudolf Bultmann 1908-1933. Philadelphia,
Penn./USA: Westminster Press [1967]. 240 S. gr. 8°. Lw.
$ 7.50.

Für das angelsächsische Sprachgebiet hat uns schon lange
eine gründliche Übersicht über die Anfänge der dialektischen
Theologie gefehlt. Professor Smarts Buch erstreckt sich auf die
Jahre 1908-1933, die formativen Jahre der dialektischen Theologie
. Der Überblick wird besonders wertvoll dadurch, daß er
auch Bultmanns Rolle in diesen Anfängen mit darstellt. Ich kenne
kein anderes Werk, das besser informieren würde in Einzelheiten
und das zu gleicher Zeit die größeren Zusammenhänge
der verschiedenen Fronten, Streitgespräche und Absetzbewegungen
im Blick behielte.

Smart zeigt hervorragende Sachkenntnis. Er erklärt, wieso es
im Anfang der zwanziger Jahre so aussehen konnte, als ob
Bultmann und Barth am gleichen Strange zögen. Auch macht er
deutlich, warum Brunner in der angelsächsischen Welt für längere
Zeit als autorativer Interpret Barthscher Theologie gelten konnte.
Wir lernen die genauen Gründe kennen, die 1933 den Kreis
um „Zwischen den Zeiten" auseinanderbrechen ließen. Solche
Informationen sind eingebettet in eine Schritt für Schritt vor-
schrcitende Beschreibung der Entwicklung Barths und seiner
Mitarbeiter und Antipoden. In der Darstellung der geschichtlichen
Zusammenhänge habe ich keine Verzeichnungen von Tatbeständen
entdeckt. In vielfältigen Zitaten und nüchternen Umschreibungen
von Gedanken der verschiedenen Autoren bleibt
Smart den Tatbeständen treu, auch wenn er sie wie jeder Geschichtsschreiber
aus seiner eigenen Perspektive sieht.

Diese besondere Perspektive des Buches ist die Herausforderung
an die amerikanische Theologie, Barth und Bultmann endlich
einmal völlig ernst zu nehmen, wobei er zweifellos Barth den
Vorrang im Ernstnehmen zugestehen möchte. Smart meint, Barth
und Bultmann stünden in Amerika erst am Anfange ihres größten
Einflusses. Z. B. sei die „Kirchliche Dogmatik" erst kürzlich in
größerem Umfange ins Englische übersetzt worden, und man
könne annehmen, Barth würde nun wirklich gelesen. Wir müßten
nun endlich einsehen, daß die Probleme Barths und Bultmann6;
immer noch unsere eigenen seien und daß wir gegenüber ihren
Lösungsversuchen bisher noch keine besseren gefunden hätten.

Nun offenbaren die beiden Lösungsversuche aber auch den
Zwiespalt in der modernen Theologie, den nach Smarts Meinung
niemand bezweifeln kann. Beide Lösungsversuche seien zwar
irgendwie schon von einzelnen amerikanischen Theologen über
nommen worden. Aber die Tatsache, daß sich nun eine Art Rückkehr
zur Vorstellungswclt des Liberalismus bemerkbar mache,
lasse die Frage aufkommen, ob man sich wirklich verstehend
an Hand von Barth und Bultmann aus der liberalen Ära hcraus-
rjekämpft habe.

So lädt nun Smart ein (mit einem kräftigen ad fontes!), zu
den Anfängen von Barth und Bultmann zurückzukehren, um im
Nachdenken der Entwicklung ihrer Theologie evtl. den gegen
wärl igen Zwiespalt in der Theologie zu überwinden. Aber welche
Aussicht besteht, von diesem Zwiespalt des theologischen Denkens
befreit zu werden? Solange sich sachliche Argumente auf beiden
Seiten zur Unterbauung der sich bekämpfenden Positionen finden
lassen, wird man immer wieder in verschiedenen Stellungen
und Stcllungskämpfen steckenbleiben. Jedenfalls scheint mir, daß
der Zwiespalt Barth-Bultmann, wenigstens in Amerika, nicht von