Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

297-299

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Die Sendung Christi 1969

Rezensent:

Beintker, Horst

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

297

Im dritten Kapitel (ökumenische Perspektive), erklärt der Autor,
wie .Lumen Gentium' eine korrektive Ergänzung der
kirchenrechtlichen, institutionellen Sicht von ,Mystici Corporis'
bietet. Aber in der Endfassung des Textes weist Berkouwer entschieden
auf die Minimalisierungstendenz hin, die
durch eine Intervention in letzter Minute sichtbar wird. Speziell
geht es hier um die auffallende Stellungnahme den protestantischen
Kirchen gegenüber, von denen im ersten Entwurf galt:
-Spiritu Sancto movente in ipsis Scripturis Deum inveniunt sibi
loquentem in Christo', der aber geändert wurde in: ,Spiritum
Sanctum invocantes in ipsis Sacris Scripturis Deum inquirunt quasi
loquentem in Christo'.

Auch im vierten Kapitel (Das Wort Gottes) zeigt Berkouwer, wie
mit subtilen lateinischen Formulierungen, und oft mit Kompromis
sen, die Probleme des Konzils zu einer vorläufigen Klärung gebracht
wurden. Dabei weist er auf die Möglichkeit einer Deutung
der interpretativen Tradition hin, wobei der Heiligen
Schrift exklusive Priorität zugesprochen wird. Damit wurden
die zwei Offcnbarungsquellen in ihrer Autorität nicht angetastet.
Aber das Konzil gebrauchte diese Möglichkeit nicht, lief} aber den
Weg zu weiteren Diskussionen offen.

Dem Problem der kirchlichen Autorität im Besonderen ist das
letzte Kapitel (die Macht der Kirche) gewidmet. In die Spannung
zwischen Konziliarismus und Papalismus wurde von päpstlicher
Seite her eingegriffen und die Kollegialität auf die Akzentuierung
der päpstlichen Macht hin gedeutet. Hier bemerkt Berkouwer als
unbefangener Beobachter, wie oft und wie exklusiv Paul VI. selber
interveniert hat, z. B. beim Erlafi des Titels ,Mater Ecclesiae'
für Maria gegen die offensichtliche Mehrheit des Konzils; oder
seine Stellungnahme in der Frage des Zölibats; oder in der Konstitution
des Ablasses.

Dabei ist der Autor objektiv genug, um zu zeigen, wie die kirchliche
Autorität im tiefsten Sinne verstanden sein will: als ein
heranlockendes Mysterium, das in der Kirche, die in der Welt
ist, eine werbende Kraft besitzt.

Berkouwers Buch scheint uns ein Beispiel einer Hilfestellung im
theologisch-ökumenischen Gespräch mit der katholischen Kirche
zu sein, dargeboten ,vom anderen Ufer'.

Seitdem dieses Buch erschienen ist, hat .Humanae Vitae' die
These, dafj die Autoritätsproblematik zentrale Bedeutung hat, noch
einmal eindrücklich bewiesen. Mit Berkouwer und Barth stehen
viele nichtkatholischen Theologen mit sympathischer Offenheit
den katholischen Problemen gegenüber. Hoffentlich wird das päpstliche
Wort, das an die deutschen Katholiken gerichtet wurde,
nämlich, dafj derjenige, der sich nicht unter die Hierarchie stellt,
sich auch nicht total in den Dienst der Wahrheit stellt, diese
.homines bonae voluntatis' nicht allzusehr kränken.

Basel Aal Dikker

Amiet, Peter: Zur altkatholischen Ekklesiologie (IKZ 58, 1968
S. 242-250).

Gerhartz, Johannes Günter: Ist das Problem der Mischehe zu

lösen (Theologische Akademie 5, 1968 S. 28-59).
Ittel, Gerhard Wolfgang: Die Behandlung des Katholizismus in

der Evangelischen Unterweisung (Die evangelische Diaspora 39,

1968 S. 131-150).

(K o n z i 1, Zweites Vatikanisches ökumenisches): Erklärung über
die Religionsfreiheit. Authentischer lateinischer Text der Acta
Apostolicae Sedis. Deutsche Übersetzung im Auftrage der deutschen
Bischöfe. Mit einer Einleitung v. E.-W. Böckenförde. Münster
/W. : Aschendorff [1968). 50 S. gr. 8° Kart. DM3,60.

SYSTEMATISCH*: THKOLOGIK

a n g , Albert: Fundamentaltheologie. 11 Die Sendung Christi. 4.,
neubearb. Aufl. München Hucber (1967). 288 S. 8°. Lw. DM 19,80.
In der katholischen Theologie nimmt die der systematischen
Theologie zugehörige Disziplin „Fundamentaltheologie" eine zunehmend
bedeutende Stelle ein. Das entspricht der Entwicklung in

298

der protestantischen Theologie, die in der Disziplin „Religions-
philosophie" ähnlich gezwungen ist, auf die moderne Geisteslage
immer ausführlicher Bezug zu nehmen, um die systematische
Rechtfertigung und Begründung des Glaubens darzulegen. Beide
Bezeichnungen treffen den Aufgabenkreis einer modernen christlichen
Apologetik nicht genau. Lang, der den I. Band seiner Fundamentaltheologie
(FTh) .einer tiefgreifenden Neubearbeitung
unterzogen" hat, belegt das m. E. trotz aller Abgrenzung von
Problemstellungen der Religionsphilosophie, der Religionsbe-
grundung, der Apologie und vor allem der Dogmatik schon mit
den inhaltsreichen Untertiteln seines zweibändigen Werkes. Denn:
„Die FTh soll die rationale Begründung des christlichen Glaubens
in systematisch-wissenschaftlicher Form bieten; das ist ihre erste
und eigentliche Aufgabe. Sie soll auch die Motive aufzeigen, welche
die Bereitschaft zum Glauben wecken können; das ist ihre sekundäre
, zweite Aufgabe" (30). So wird der Aufgabenbereich der FTh
umgrenzt und ihrem Ausbau „zu einer theologischen Prinzipien-
und Kategorienlehre" (G. Söhngen) gewehrt, aber nach der ausführlichen
und interessanten Einleitung über „Ziele, Aufgaben und
Wege der FTh" (15-45) werden „Die Sendung Christi" und im zweiten
Band (1954), der neu noch nicht vorliegt, „Der Auftrag der
Kirche" zum Gegenstand genommen. Vergleichsweise hat A. Kol-
ping seiner FTh I den sachlich zutreffenden Untertitel „Theorie
der Glaubwürdigkeitserkenntnis der Offenbarung" gegeben. Aber
wie dem auch sei, dafj Lang u. U. dem apologetischen Anliegen
der FTh in dogmatischer Sprache moderner gerecht werden wollte
(„der rationalen, nicht der dogmatischen Beweisführung" (39) sich
bedienend!) - alte oder neue Apologetik kann m. E. heute nicht
mehr zur Sache einer Disziplin gemacht werden, weil sie Lebensauftrag
der Kirche ist und damit in allen theologischen Disziplinen
lebendig sein müßte. Wir können uns weder auf einen sicheren
dogmatischen noch exegetischen noch historischen Port berufen,
zu dem die FTh hinzuführen hätte. Wenn sich schon „die systematische
Rechtfertigung und Begründung des Glaubens" bei der
Katholischen Theologie zu einem Spezialfach entwickelt hat als
„Besinnung über den Werdeprozef) des Glaubens, wie er sich im
Lichte der Theologie und der Erfahrung darbietet", und Lang dabei
„letzte, grundsätzliche Probleme der Theologie, Erkenntnistheorie
und Psychologie" (!) zur Sprache bringt (15), dann sollte -
und wenn möglich zusammen mit evangelischen Theologen - diesem
Zweig der Theologie eine zutreffendere Bezeichnung gegeben
werden. Die Prinzipienlehre, aus den alten Prolegomena erwachsen
, arbeitet nur dogmatisch; „Allgemeine Theologie" (A.Michel:
1 ondamentale ou generale Theologie) oder „Philosophische Theologie
" (Schleiermacher) erscheint mir angemessen. Unter dieser
Bezeichnung können die Auseinandersetzungen mit den äußeren
Infragestellungen des christlichen Glaubens (apologetisch) und
mit den inneren theologischen Entwicklungen (polemisch) geführt
werden. Denn die Einbeziehung stets beider in den eigentlichen
Gedankengang nimmt Lang auch vor. „Der Offenbarungsanspruch
des Christentums und seine Bekämpfung in der Neuzeit" (I. Hauptstück
) (46-78), die Glaubwürdigkeitskriterien" und die „Glaub-
willigkeitsmotive" im II. Hauptstück über „Das Problem einer
übernatürlichen Offenbarung" (79-142) sowie die Darlegung des
übernatürlichen „Ursprungs des Christentums" (III. Hauptstück)
(79-277) werden in stetigem Gespräch mit der dogmatischen Ausformung
von Glaubensinhalten, mit historisch-kritischen Forschungsergebnissen
der Bibelwissenschaft und mit dem „Rationalistendogma
, daß Wunder nicht möglich seien" (242) geführt. Der
Untertitel von FTh I „Die Sendung Christi" trifft insofern zu, als
Längs Gedankengang den Offenbarungsanspruch des Christentums,
den evident zu machen es gilt, auf die mit Christus verbundenen
Geheimnisse (mysteria absoluta) gründet. Die „theologische Reflexion
" des Apostels Paulus „über ein historisches gottgewirktes
Ereignis", dessen „Träger und Mittelpunkt" der historische Jesus
von Nazareth ist, „wollte vor allem den Geheimnisgehalt der Heilsgeschehnisse
verkünden, besonders das Grundgeheimnis des Christentums
: die Erlösung durch das Kreuz und die Auferstehung
Christi" (165). Der „Zeugniswert des urchristlichen Glaubens", das
Christusbild des Urchristentums, dessen Zuverlässigkeit ziemlich
konservativ in Abweisung der Bultmannschule auf die geschichtliche
Zuverlässigkeit der Evangelien gestützt wird (173ff.), das
„in Wort und Tat Jesu sich bekundende Selbstbewußtsein" (228)
und die „Legitimation Jesu durch seine Wundertaten" (241ff.)

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 4