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Ausgabe:

1969

Spalte:

267-269

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schreiber, Johannes

Titel/Untertitel:

Theologie des Vertrauens 1969

Rezensent:

Rohde, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 4

268

Schreiber, Johannes: Theologie des Vertrauens. Eine redak
tionsgeschichtliche Untersuchung des Markus-Evangeliums. Hamburg
: Furche-Verlag fl967). 272 S. 8°. Lw. DM32,-.

Es ist zu begrüßen, daft sich die redaktionsgeschichtliche Forschung
nach den grundlegenden methodischen Entwürfen von Con-
zelmann und Marxsen nicht in Spezialarbeiten zu bestimmten
theologischen Fragen in einem einzelnen Evangelium oder zu bestimmten
Thcologumena in allen drei synoptischen Evangelien
verliert, sondern daft auch weiter versucht wird, die Gesamtkonzeption
einas der synoptischen Evangelien in den Griff zu bekommen
. Ein solcher verdienstvoller Versuch ist es, daft sich J. Schreiber
noch einmal der Aufgabe angenommen hat, ein Gesamtbild der
Theologie des Mk zu entwerfen, zumal in Marxsens Untersuchung
„Der Evangelist Mk" etliche Lösungsvorschläge problematisch sind
(Galiläahypothese, Betonung der akuten Naherwartung) und nicht
das gesamte Mk.-Ev. Berücksichtigung gefunden hat.

Es war bereits auffällig, daß eine Reihe von neuen Aufsätzen
zur Christologie bzw. zur Messiasgeheimnistheorie ihren Ausgangspunkt
bei Wredes Arbeit zum Messiasgeheimnis bei Mk nahmen
(z. B. von Luz, S. Schulz, B. Schweizer. Strecker, Vielhauer).
Das ist auch in Sch.s Untersuchung der Fall. Tn ihr haben nicht nur
seine Diss. über den „Kreuzigungsbericht des Mk. Eine traditions-
cteschichlliehe Untersuchung von Mk. 15.20b-41" (1959) und sein
Promotionsvortrag „Die Christoloaie des Mk. Beobachtungen zur
Theologie und Komposition des zweiten Ev." (ZThK 1961) Ben'ick-
sichtiouna gefunden, sondern sie will auch die Begründuno Für
sein Vorgehen in der praktisch-theologischen Arbeit „Theoloctischo
Erkenntnis und unterrichtlicher Vollzug" (1966) liefern, die sich
am Mk. orientiert

Tn der Einleitunn (S 9-21) wird zunächst der historische und
theoloaische Ort der rcdaktionsrtescbichtlichon Fragestelluna markiert
. Der erste Abschnitt „Die Kreuzigung" f5. 22-82) analvsiort
und interpretiert zunächst die markinische Kreuzigungstradition
CS. 22-49) Hann die der Seitenreferenten Matthäus und Lukas
CS. 50-61) und sucht schließlich die Herkunft der beiden fesfgestell
ten Kreuzigungstraditionen KU bestimmen CS. 62-82). Der zweite
Abschnitt „Historionraphio und Eschatologio" CS 83-217) untersucht
die .Eigenart und Bedeutuno der markinischen Historjoaranhie'
CS. 83-86). um sich dann den Zeitangaben (S. 87-157) und den Ortsangaben
im Mk (S. 158-217) zuzuwenden, wobei die svnootisehen
Seitenreferenten entsprechend berücksichtigt werden Min könnte
die Untersuchung der Zeit- und Ortsangaben bei Mk durch Seh als
die redaktionsgeschichtliche Interpretation anstehe Her form
Geschichtlichen Auflösung des Rahmen"; der Geschichte Tesu
Hurch K. L. Schmidt von 1919 und zugleich als Weiterfnhruno der
Untersuchung von Ortsangaben bei Mk durch Lohmever und Marxsen
bezeichnen. Auch hl Conzelmanns Untersuchung des Luka#-
werkes spielen die Orts- und topographischen Annaben ia eine
gewichtige Rolle. Tm dritten Abschnitt „Glaube und Vorsfollunn"
'auten die TInterthemen „Da* Mk als redaktionsneschiehtliches
Problem" CS 218-228). „Grundgedanken der markinischen Redaktion
" CS. 229-234) und „Das 7entrum der markinischen Thoelorrio"
CS. 235-243). Ein Literaturverzeichnis von 386 Titeln, in dem auch
-ahlreiche neueste fremdsprachicie Beiträoe zur Redaktionsae-
schichte (RG) verzeichnet sind fS. 744-256). ein Sachregister und ein
Stellenverzeichnis CS 256-277) beschließen den nut ausgestatteten
Band.

In der Einleitung lecit Sch zunächst Rechenschaft über sein methodisches
Vorgehen ab. wobei er die Grundsätze der RG insofern
präzisiert, als eine redakt'onsqeschichtlicbe Untersuchuno des Mk
ia deshalb schwieriger ist als die der anderen synoptischen Evangelien
, weil wir die von Mk verarbeitete Tradition nicht kennen,
sondern hypothetisch erschließen müssen, während wir bei einer
redaktionsgeschichtlichen Untersuchung des Matthäus- oder Lukas-
Evangeliums auf der Grundlage der Zweiouellentheorie wenigstens
fine Quelle in Form des Mk vor uns haben Den Streit über die
Priorität von Formgeschichte CFG) und RG lehnt Sch. als müßiq
ab. auch wenn die Untersuchung Wredes, die in der RG eine entscheidende
Rolle spielt, zunächst die formgcschichtliche Fraqostol
lunq ermöglichte. Sch. möchte die RG als Teilaspekt der FC ver
stehen, wobei er vor einem zu einseitigen Interesse an der münd
liehen Überlieferung warnt (S. 10 unter Berufung auf E. v. Dob
schütz in ZNW 1928, S. 193).

Grundlage der Untersuchung sind bei Sch. die drei Desiderate
Wredes: 1. daft das Mk kein historischer Tatsachenbericht ist, sondern
Zeugnis des Glaubens, 2. daft nach der Absicht des Verfassers
zu fragen ist, und 3. daft der Mißbrauch der Psvcholoqie für
die Leben-Jesu-Forschung unzulässig ist CS. 11). Bei der Scheidtinn
von Tradition und Redaktion sei darauf zu achten, welche Traditionen
der Evangelist aufnimmt und wie er sie anordnet, wodurch
bestimmte Beziehungen und Aussagen entstünden. Die Tradition
gehöre also zunächst einmal zur Redaktion. Diese Einsicht
sei Voraussetzung einer sachgemäßen Scheidung zwischen beiden.
Es genüge nicht, dem Redaktor einige Randverse zuzuweisen. Vielmehr
sei zu fragen, was er mit der in seinem Rahmen stehenden
Tradition seiner Zeit sagen wollte (S. 11). Wer Tradition und Redaktion
zu scheiden versuche, ohne das Ganze des Mk zu beachten
, habe den Boden des evangelischen Berichts nicht einmal
gesehen, geschweige denn zu einer genaueren Untersuchung der
dem Mk vorliegenden Tradition betreten, weil der unreflekt'ert
angewandte Begriff moderner Historie ihm die Sicht verderbe
CS. 13). Wenn man feststellen könne, daft Matthäus und Lukas
einen Gedanken oder ein bestimmtes Wort aus der Markusvorlage
immer wieder änderten oder strichen, dann lohnten sie hier
einen theologischen Gedanken des Mk ab CS 15) Auf den synaptischen
müsse der innermarkinische Vergleich folgen also die
Untersuchung einer Textstel'e im Zusammenhauet des Mk selbst
CS. 15V

Eine Auslegungsreciel Sch.s ist es im Anschluß an Wrede. daft
eine Nachricht bei Mk, ie weniger sie als historischer Bericht verstanden
werden könne, um so zentraler und theoloqisch bedeutsamer
für den Evangelisten sei (vgl Mk. 1 10f • 02-3 7- 1^37 3<i
Dafür beruft er sich auf Wredes Herausarbeituna der Schweigegebote
, Verhüllung. Rätselrede und des Tnnoorunvorstandes als
redaktionelle Zutat des Mk CS. 18. vgl. auch S. 159f 205) Sch h-
zeichnet die redaktionellen Verse im Zusammenhang mit der Auswahl
und Anordnung der Tradition sozusaoen als die insissima
vox' des Evangelisten, durch die er die Tradition in seinem Sinne
zum Klingen bringe CS. 19) Mk bringe seine Theolonie vor allem in
Her Form der Erzählung zum Ausdruck „Im Geschehen im Hand
lungsablauf. in Orts und Zeitangaben steckt die markinis'he Theolonie
. nicht nur im gesprochenen Wort " "'as die Personen bei Mk
saqten werden durch den damit verbundenen Handlungsablauf
kommentiert. Wort und Geschehen ständen in Korrespondenz, so
daß die meist sehr knappen redaktionellen Bemerkungen des Evangelisten
oft formelhaft über das ganze E"angc1ium verteilt, den
sinn dieser Korrespondenz für den Leser slonaMsieren CS TT)).

Die eiaentliche Untersuchnnn des Mk hoginnt Sch beim Kreu^i-
gungsbericht. Dabei setzt er M. Kählers These voraus Haß Has Mk
eine Passionsgeschichte mit ausführlicher Einleitung sei (vn
S 733) Fr führt den Kreuzigunqshericbt- auf zwei verschiedene
Traditionen zurück, deren erste aus Mk 15 50h 77a fA 77 berfanH
die zweite aus Mk 15.25.26.29a.37c 33 34a 37 38 Reirle habe MV
ineinandergeschoben und durch 7usätze eraänzt Hie Hie in Her
zweiten Tradition bereits enthaltene Erhöhung Tesu kräftig
herausstrichen: Mk. 15.23.29-32.30 41 34 36. Ferner sei Mk. 12.1-13
zur Interpretation heranzuziehen Csiehe s 32-40). Beide Traditionen
führt Sch. auf ein hellenistisches Tudenchrisfontum ZU Wiek,
wobei der erste Bericht auf Simon von Kvrene eirunde CS 62)
Der zweite Bericht sei z. T. uniüdisch und antiiüdiseh. da nur von
der Zerstörung, aber nicht vom Wiederaufbau des Temnels die
Rede sei. Eventuell spreche hier die hellenistische Gruppe der tlr
gemeinde, vielleicht aus dem Exil und im Genensatz zum Tudon-
tum und zur palästinensischen Gruppe Her llrctemeinde Cwie in der
Ang. Stephanus). Beide Kreuzigungsfraditioncn arbeiteten mit dem
Schriftbeweis, der bei der zweiten Tradition iodooh stärker inhalt
lieh bestimmt sei, also ein späteres Stadium der Traditionsentwick-
hing zeige, nämlich durch Steigerung der Gerichtsbotschaft an das
Tudentum (S. 66, vgl. auch S. 82. wo der zweite Bericht auf ein
hellenistisch-gnostisches Jud^nchristentum zurückgeführt wird, der
im Kreis der .Terusalemer Hellenisten gründe). Die zweite Tradition
bezeichnet Sch. als die einzige Eniphanieneschichte bei Mk
die unabhängig von der Redaktion des Evangelisten eine
rteheimc Epiphanie schildere. Von diesem Kreuzigungsbericht
her habe Mk auch die übrigen Epiphanietraditionen so gestaltet
daft sein Evangelium wirklich ein Buch der geheimen F.pinhanicn sei.
Das Messiasgeheimnis sei bei Mk also z. T. aus der zweiten Kreuzi-