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Ausgabe:

1969

Spalte:

224-225

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Gonnet, Giovanni

Titel/Untertitel:

Le confessioni di fede valdesi prima della riforma 1969

Rezensent:

Junghans, Helmar

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223

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 3

224

S e y b o 1 d , Michael: Glaube und Rechtfertigung bei Thomas
Stapleton. Paderborn: Verlag Bonifacius-Druckerei [19671.
304 S. gr. 8° = Konfessionskundl. u. kontroverstheologische
Studien, hrsg. v. Johann-Adam-Möhler-Institut. 21. Lw. DM 45,-.
Stapletons „Grundanliegen, das in allen von ihm durchdachten
Aspekten der Rechtfertigung deutlich erscheint, ist ... die
Wahrung der kreatürlichen Wirklichkeit und Wirksamkeit" (S. 360V
Gegenüber der Reformation tritt dieser „gewichtige Repräsentant
der katholischen Theologie des 16. Jahrhunderts" (S. 501 als Anwalt
der Schöpfung auf. So wehrt er sich gegen die „protestantische
Gleichsetzung von Erbsünde und Konkupiszenz" (S. 67). obschon
er in der Konkupiszenz das „Materialelement" der Erbsünde erblickt
(S. 353). Die „Gerechtigkeit des Gerechtfertigten qründet
(nach Stapleton) auch in seinen Werken", nicht allein im Glauben
(S. 234), den er „wesentlich" als „intellektuellen Akt" erfaßt (S. 355).
Der Glaube rechtfertigt nur. wenn er von anderen „Akten . . , besonders
von der Liebe durchformt" wird CS. 355). Der Mensch wirkt
in der Rechtfertigunq als „causa secunda" mit (S. 356.312.298). „Gott
ist nicht der Alleinwirkende", „wenn auch Erst- und Hauptursache"
der Rechtfertigung (S. 298). Stapleton verficht als Molinist die
...scientia media'" (S. 357). Er verwirft die rein forensische Rechtfertigungskonzeption
der Reformation (S. 364.354) und ihr „onto-
logisch" verstandenes simul iustus et peccator (S. 364). Er weist
die „protestantische Auffassung von der unfehlbaren Heilssicherheit
" zurück CS. 299) und vertritt eine ...certitudo spei" (S. 310) im
Sinne einer „moralischen Sicherheit" (S. 309).

Seybold, der gegen den Standpunkt Stapletons im wesentlichen
nichts einzuwenden hat. vermißt in dessen Rechtfertigunqslehre
den ..trinitarischen Aspekt" und „eschatologische Überlegungen"
(S. 359). Er merkt ferner kritisch an, dafi in Stanletons Lehre vom
mittleren Wissen „kreatürliche und göttliche Kausalität" „leicht
in ihrem Zusammenwirken additiv verstanden zu werden" „scheinen
* (S. 359).

Die qenaue Arbeit zeichnet ein sachgemäßes und überzeuaendes
Bild von der Soterioloqie Stanletons. Enttäuschend ist ihr ökumenischer
Ertrag. Man hätte sich eine schärfere Kritik Stanletons
und seiner Karikierung der reformatorischen Rechtfertiqunos-
lehre erwartet. Mit seinem qegen die Reformation qerichteten Plä-
doyer für die Schöpfuno übersieht Stapleton. dafi gerade die Reformation
den ersten Glaubensartikel aufgewertet hat. indem sie
den Schöpfunqsordnungen. die im Mittelalter in Mißkredit qe-
raten waren, ihr gutes Gewissen zurückaab. - Gewiß identifiziert
die Reformation die Erbsünde mit der Konknniszenz. Stapleton
verwirft mit dem Tridentinum (Trid. V Tan. 5) diese Identifikation.
Aber die lutherische Reformation wird vnn dieser Vcrwerfunq
nicht getroffen, weil sie den Konkunis^enzhectriff weiter faßt als
die tridentinische Theolooie. die ihn auf den suboersonalen Bereich
beschränkt und somit ihn nicht als Sünde im strenqen Sinn, sondern
als neutralen Zündstoff, den der Mensch anzünden kann oder
nicht, begreift. Nach reformatorischem Verständnis ist die Konkupiszenz
ein oesamtmenschliches. nersnnales und deshalb notwendig
sündhaft qualifiziertes Phänomen. Dieses totale Konkn-
niszenzverständnis wurde qeqenwärtio von römisch-katholi sehen
Theologen wie K. Rahner. T. B Met?;. Ratzinqer. P. Schoonenbern
und vor allem R. Kösters in Anschlao oeb^acht. Ein ähnliches Mißverständnis
liegt in Stapletons Sicht der reformatorischen Glaubenskonzeption
vor, derzufolqe zwar der Glaube allein rpchtfer-
ticrt. aber eben alleine der Glaube, der zuqleich liebt (An TV
250 252 276. 278). Die reformatorische Paradovie des sola fides nun-
ouam sola, die heute von römisch-katholischen Theoloqen wie
Schütte. O. H. Pesch. Seckler K. Rahner und Krinq soqar akzeptiert
werden kann, bekommt Stapleton und mit ihm Sevbold oar nicht
in den Blick. - Feindattranpen errichtet Stanleton auch, wenn er
die reformatorische Rechtfertiounq=lehre als r p i n "oreiisifh
das reformatorische Simul iustus et oeccarc* als o n t o 1 o q i s c fi e
Formel und die reforma^orische rerHtudo salutis als erkenntnistheoretische
securitas salutis mifikennt (vql. die entsprechenden
römisch-katholischen Arbeiten von O H. Pesch. A. Hasler. H.
Küng. R. Kösters, St Pfürtner etc.) - An einem Punkt weicht stapleton
entschieden vom Tridentinum VT ab, in seinem seminelaqia-
nischen Verständnis des Menschen als causa secunda der Rechtfertigunq
. Der Mensch wird im Tridentinum nur als causa mate-
rialis. nicht als causa secunda und damit als causa efficiens der
Rechtfertigung verstanden (Denz. 799). Als causa materialis ist er

aber nicht eigentlich „Ursache", da diese nach scholastischer Lehre
nicht von aufien auf eine Sache verursachend einwirkt, sondern
lediglich der passive, bestimmbare Bestandteil einer Sache ist. Die
„Ursächlichkeit" der causa materialis erschöpft sich nach scholastischem
Verständnis darin, dafi sie sich wie Wachs durch die
causa formalis bzw. efficiens bestimmen läßt.

Mafjbach/Ufr. Horst Georg P 6 h 1 m a n n

Gönnet. Giovanni: Le confessioni di fede Valdesi prima della
riforma. Torinn: Ed. Claudiana f1967l. 196 S. gr, 8° = Collana
della Facoltä Valdese di Teologia, Roma.

1958 gab der Verf. den 1. Band des „Enchiridion Fontium Val-
densium" heraus. Aus den Vorarbeiten für die weiteren Bände dieser
Quellensammlunq erwuchs nach und nach die vorliegende
Studie. Sie befaßt sich nicht nur mit den Fragen der Verfasserschaft
und der Datierung, sondern sie referiert auch die Glauhensaus-
snqen einzelner Quellenstücke. Die Studie weist in den Anmerkungen
zwar den Fundort der Quellen und auch Literatur nach, sie
will aber auch den Tnhalt der Glaubensbekenntnisse der Waldenser
von Valdes bis 1532, als die Waldenser ein Zweig der reformierten
Kirche wurden, darstellen. Dabei erqibt sich aber eine Schwieriq-
keit, da die von den Waldensern selbst bekannten Glaubensbekenntnisse
recht kurz sind und daher das. was sie qeqlaubt
haben, aus verschiedenen Ouellen zusammenqesucht werden muß".

Zunächst werden „Die sieben Glaubensartikel" (9-27) „nie
Glaubensbekenntnisse von Valdes. Durandus von Huesea und von
P.ernhard Prim" (29-40) und anhanqsweiso „Die rwölf Glaubensartikel
" (151-157) abgehandelt. Tnnerhalb der Waldenser hat es
so wpniq wie in ieder anderen Gemeinschaft von Christen an für
die Betroffenen leidvollen - für die nogmenhistoriker aber erqip-
bigen - Lehrsfreitiqkeiten qemanaelt, die Schriftstücke hinterlassen
haben. So trennten sich 1218 auf der Svnode von Berqamo die
fran7Ösischen und die lombardischen Waldenser. wobei sie ihre
T.ehrdifferpnzeu niederschrieben (41-51). 1368 kam es zu einem
Briefwechsel über dip Glaubenslehren zwischen österreichischen
Waldensern die zur römischen Kirche znrückqekehrt waren, und
den lombardischen (53-56) Damit ist aber auch schon alles auf-
rrezählt. was ans waMensischpr Feder bis zur Reformation erhalten
ist. Erst bei den'Vprhandlunnen mit den Schweizer Reformatoren
von 152<S bis 1532 legten die Waldenser ihre Glaubenslehre ausführlich
dar '139-157). Den Hauptteü der Quellen liefern die Feinde
der Waldenser. für die es sieh um „Erwes Valdensium" handeltp
(57-138). Es sind dies die Chronisten. d?p dip Waldpnser prwähnt'en.
die romtreuen Theoloqen. die antiwaldensische Schriften verfaßten
, und die Inquisitoren, deren Prozesse qeqen die Waldenser
Akten hervorbrachten und zu der^n Rplebruno für ihre Prozefi-
führnnq Hilfsmittel erstellt wurden.

Die Untersuchung zeigt nun, daß die Glaubensartikel des Valdes
und die sieben bzw. zwölf Glaubensartikel sich in dip allqemeine
mittelalterliche Theologie einordnen lassen. Um die den Waldensern
eiqentümlichen Glaubensanschauunqen zu erfassen, muß daher
auf die antiwaldensisehen Quellen und die beiden Briefwechsel
von 1368 und um 1530 zurückqeoriffen werden, so daß also der
von den Waldensern bekannte Glaube nicht aus den Glaubensbekenntnissen
der Waldenser erhoben werden kann'

ner Verf stellt sich am Schluß die Fraoe. ob die Waldenser als
Vorläufpr der zweiten Reformation betrachtet worden können. Fr
Geiaht diese Fraoe wie auch schon aus dem Titel hervorgeht, in
dem er dip Glaubpnsbekenntnisse der Waldpuspr zur ersten Reformation
zählt. Es scheint freilich nicht so wichHq zu sein wie man
dip ..Ketzerbewegungen" des Mittelalters benennt sondern vielmehr
notwendig, im einzelnen nachzuweisen, was die Reformatoren
diesen Beweounoen tatsächlich verdanken und in welchem
Mafie die Verbreitung der Reformation von ienen gefördert wurde
bzw. die Reformatoren diese Bewequnqen förderten.

r>as Buch ist mit Reqister für die angeführten Manuskripte,
Bibelstellen. Zitate der Kirchenväter und kanonischen Entschei-
dunnen der Quellen, Autoren der Literatur und Quellenausgaben,
Sachen. Orte und Personen ausqestattet, so dafi der Benutzer nur
noch ein Abkürzunnsverzeichnis vermissen kann und sich fraot.
ob es nicht zweckdienlicher qewesen wäre, einiqe Reqister jeweils
zu einem zu vereinen. Die Untersuchung ist eine gediegene Ein-