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Ausgabe:

1969

Spalte:

222

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Autriche 1969

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 3

222

nach dem zweiten Weltkrieg bis einschließlich 1965 und in Einzelangaben
auch darüber hinaus. In diesem Zeitraum hat die Melan-
chthonforschung wesentliche Fortschritte gemacht, vielleicht nicht so
sehr hinsichtlich der Bekanntmachung neuer Texte als vielmehr
hinsichtlich der Melanchthondeutung.

In Form von sechs Literaturberichten ordnen die beiden Bearbeiter
den Stoff. Sie gehen dabei nicht von biographischen Prinzipien
oder theologischen loci aus (was bei dem Meister der loci-
Methode durchaus verständlich wäre), sondern von dem faktischen
Gang der Forschung. Eine Reihe von Kirchenhistorikern, die
daran selbst stark beteiligt waren, stehen beratend auch hinter
dem Zustandekommen dieses äußerst hilfreichen Berichts: Ernst
Bizer, Heinrich Bomkamm, Wilhelm Maurer und Robert Stupperich.

Es ist eine sinnvolle Gewohnheit geworden, von Zeit zu Zeit für
begrenzte Arbeitsgebiete Bestandsanalvson zu machen. Man kann
es vorliegender Sammelrezension bescheinigen, dafi sie eine solche
in anerkennenswertem Maße ist. Was in der Zeitschrift „Biblio-
theque d'Humanisme et Renaissance" bereits verstreut erschienen
ist (es handelt sich um die ersten fünf Beiträge: der erste Beitrag
ist außerdem in dem Sammelband „Philipp Mclanchthon. Forschungsbeiträge
zur vierhundrrtsten Wiederkehr seines Todestages
", Göttingen 1961 abgedruckt), liegt hier geschlossen, um
einen sechsten Artikel vermehrt, vor. nie ersten vier Aufsätze
stammen von Peter Fraenkel, die letzten beiden von Martin
Creschat.

Der mit immer neuen Impulsen versehene Fluß einer Arbeit an
Mclanchthon ist in mustergültiger Weise cinqefangen, besonders
was die relative .Veröffcntlichungsschwemme' des Jubiläumsjahres
1960 angeht. Dabei haben die Verfasser sich keine Mühe
"cricbcn. das Kaleidoskop der Forschungsergebnisse durch harmonisierende
Rezension zu uniformieren. Dafür sei besonders gedankt
Die in dem Rezensionsband besprochenen Arbeiten sind
jeweils mit einer Analyse oder einem Rosume versehen, wobei
verstreute Zeitschriftenartikel im Gegensatz zu anderen Rezen-
sionsiintcrnehmcn erfreulich eingehend berücksichtigt worden sind,
so daß einem berechtigten Informationsbedürfnis in umfassender
Weise Rechnung getragen ist. Offenbar hat es dankenswerterweise
auch nicht im Interesse der Verfasser gelegen, den gewaltigen
Stoff der aufgehäuften Forschungsergebnisse mit einem wertenden
Schlußstrich zu versehen und ihrerseits ein neues Melanchthonbüd
mit der Tendenz eines non plus ultra zu erreichen. Die verschiedenen
Strömungen (bzw. Positionen^ in der Melanchth^ninterpretn-
tion werden hinreichend deutlich, so daß von solcher Profilierung
her gut weitergearbeitet werden kann.

Wenn Peter Fraenkel in seinem Vorwort nun doch bilanziert
(S. VIII) und fragt, wieweit die zurückliegenden zwei Dezennien
eine „Epoche der Mclanchthonforschung darstellen", dann geschieht
das mit aller Vorsicht und dem Vonvisscn um eine not-
gedrungenc Aspektbefangenheit. Auf jeden Fall positiv ist die Bereitstellung
neuer bibliographischer Hilfsmittel in den letzten
20 Jahren, die der Erschließung des Werkes Melanchthons weiter
voranhelfcn werden. Dasselbe läßt sich in dieser Zeit über die
Edition von Werken des Pracceptors sagen. Fraenkel ist sogar der
Meinung, die zurückliegende Periode sei entscheidend dafür gewesen
. Konkret ist hier an Robert Stupperichs Studienausgabe und an
die von der Heidelberger Forschungsstelle in Angriff genommene
Gesamtausgabe zu denken. Die Unvollständigkeit und Fehlerhaftigkeit
des Corpus Reformatorum müssen endlich durch eine der Weimarer
Lutherausgabe vergleichbare Edition ausgeglichen werden.

Eine allen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Melan-
chthonbiographie steht noch aus. Fraenkel sieht jedoch in der verneigten
Detailarbeit der letzten Zeit wesentliche Vorarbeiten
dazu, die bisher noch der Synthese harren (S. IX). Diese wird so
lange nicht erfolgen können, wie eine Gesamtedition fehlt und
wichtige Fragen wie das Verhältnis von Humanismus und Reformation
, die Themen Universität und Schule, Ethik, Philosophie und
Wissenschaftstheorie bei Mclanchthon uneinheitlich angefaßt und
bearbeitet werden. Daß die beiden Bereiche Reformation (Theologie
) und Humanismus (Philosophie) in den vergangenen Dezennien
gesondert betont worden sind, ist vielfältig in den Ansätzen
von Arbeiten festzustellen. Parallel zur Lutherrenaissance ist
die Forschung über den jungen Melanchthon intensiviert worden,
vornehmlich was Einflüsse von Seiten der reformatorischen Theologie
, aber auch von anderswo angeht. Die genannte Parallelität

im methodischen Ansatz zeigt sich in der Betonung der Hermeneutik
, der Thematik Gesetz und Evangelium etc. Es ist jedoch
noch keine Homogenität sichtbar, wenn man die Einzelstudien auf
ihre Ergebnisse bezüglich des bei Melanchthon von Luther Trennenden
oder des mit ihm Verbindenden befragt. Wie im Falle Luthers
selbst ist es außerdem schwierig, Melanchthons Abhängigkeiten
von der Tradition gerecht zu ermitteln, da uns die damalige
Gestalt der Texte, worauf seinerzeit zurückgegriffen worden ist, in
vielen Fällen fehlt.

Mit diesen Andeutungen hat Fraenkel gezeigt, was künftiger
Forschung noch zu tun bleibt. Es ist bislang alles andere als ein
abschließender .Stand' erreicht, den man nur noch an einzelnen
Stellen auszubauen hätte.

Aus der jeweiligen Besonderung von sechs Einzelbeiträgen ergibt
sich die Nennung von Material für thematisch Zusammengehöriges
an doch verschiedenen Orten des Buches. Ein erster Bericht
ist mit einem ausführlichen Nachtrag (Beitrag 2. S. 43ff) nicht
zusammengearbeitet worden. Die Beiträge 3 und 4 (Melanchtho-
niana Jubilaria I u. II) berücksichtigen die Veröffentlichungen des
Gedenkjahres 1960. zum großen Teil unter der gleichen systematischen
Themengliederung wie in 1 und 2. Verständlicherweise
ist der Ertrag von Tagungen und Veranstaltungen dieses Jahres
besonders verzeichnet, sofern er sich literarisch niedergeschlagen
hat. Der Umfang der Tubiläumsliteratur in dem vorliegenden Band
ist beachtlich (S. 89-138).

Martin Greschat führt in einem 5. und 6. Beitrag den Literatur-
bericht für die Jahre 1963-1965 fort, z, T. unter den gleichen systematischen
Kriterien wie in den Beiträgen zuvor. Dabei trägt der
letzte Bericht wiederum alle Kennzeichen eines Nachtrages. Weil
aber alle sechs Stücke des Buches im allgemeinen gleichartig aufgebaut
sind, ist für einen einzclfhematisch Interessierten die Orientierung
erleichtert. Der Benutzung dienlich ist zudem ein zuverlässiges
Verfasserregister und ein chronologisch geordnetes Schriftenverzeichnis
Melanchthons mit Editionsortangabe.

Der hohe Wert dieser Fundgrube künftiger Melanchthonfor-
schung dürfte unbestritten sein. Beiden Bearbeitern gebührt herzlicher
Dank.

Berlin Jonchim R o q q e

Bibliographie de la Reforme 1450-164 8. Serie
publiee sur 1a recommandation du Conseil international de 1a
Philosophie et des sciences humaines avec 1e concours financier
de l'Uneseo. VII: Autriche'Austria/österreich. Par Gerhard Rill.
Ouvrages parus de 1940 ä 1960. Leiden: Brill 1967. 47S. gr. 8°
— Commission internationale d'histoire ecelesiastiguo comparee
au sein du oomite internationnl des sciences historigues. Hfl. 8.-
Die seit 1964 im Erscheinen begriffene internationale und interkonfessionelle
kirchenoesehichfliche Bibliographie, die auf Fortsetzung
angelegt ist dürfte für jeden Historiker unentbehrlich
sein. Sie erschließt die für den einzelnen längst nicht mehr überschaubare
Materialfülle in Publikationen aus den Kriegs- und
Nachkriegsiahren (1940-1955). Der Begriff ..Reforme" ist dabei
denkbar weit gefaßt, so dafi die ganze Breite der wissenschaftlichen
Literatur über den Roformkatholizismns seit 1450 und
vhnr die Reformation bis 1648 mit aufgenommen worden ist.

Unter der Verantwortuno einer internationalen Kommission sind
vor dr>r anzuzeigend"" Publikation bisher fünf Facrikel erschienen
und zwar in Aufarbeituno des oben näher beschriebenen T.itoratur-
nmfangs in Deutschland den Niederlanden. Belqien. Schweden.
Norwegen. Dänemark, Irland den USA Italien. Snanien. Portugal
Frankreich. England, der Schweiz. Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei
und Finnland.

Die vorliegende Lieferung in der Bearbeitung von Gerhard Rill
verzeichnet 785 Titel österreichischer Autoren und Verlage. In diesem
Falle sind etwas abweichend vom Gesamtunternehmen Arbeiten
aufgenommen, die 'wischen 1940 und 1960 veröffentlicht worden
sind Tn der Mehrzahl handnH eS sjch urn Zeitschrifrenbeiträqe.
deren sonst schwierige Erschließung ganz besonders dankbar
emittiert werden muß Relativ zu anderen Arbeiten fällt die große
Zahl von Hochschulschriften auf. Die Titel sind nach Verfasser-
n?men aufgeführt- ein Sach-. Namen- und Ortsreoister, da*u ein
Siglaverzeichnis erleichtem den Gebrauch. Dem Bearbeiter qebührt
herzlicher Dank.

"""" Joadnm R o g g e