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Ausgabe:

1969

Spalte:

199-201

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Gottwald, Norman K.

Titel/Untertitel:

All the kingdoms of the earth 1969

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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199

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 3

200

Erwägungen, selbst gegenüber Resultaten der Pentateuchkritik,
und unter weitgehender Ausschaltung der Formgeschichte wird der
Versuch unternommen, Jahwes Sonderstellung im Alten Testament
und gegenüber seiner Umwelt durch den Nachweis von Begriffen
und syntaktischen Ausdrucksmitteln darzustellen und zu erklären.
Dabei steht es von vornherein fest, daß Israel seit frühesten Zeiten
von Jahwes geschichtsmächtiger Einzigartigkeit überzeugt war, was
sich aus Dokumenten über die Frühzeit ebenso ablesen lasse wie
aus denen der Spätzeit. In welcher Weise aber diese Konzeption
sich wandelte, wie sie in der Wüsten- und Landnahmezeit anders
erscheinen und ausgeprägt werden mufjte als etwa in der späten
Königszeit oder nach dem Exil, erscheint dem Verf. von untergeordneter
Bedeutung. Gerade aber diese lebendige Beziehung
der Gottesvorstellung zur jeweiligen politischen und geistigen
Lage Israels im Verlaufe der Jahrhunderte hätte dem Buch mehr
Farbe und Überzeugungskraft verliehen.

Die vorgetragenen Beweisgänge haben ihren Wert in sich, sie
arbeiten Material auf, das aber nach strengeren Grundsätzen
literarhistorischer Arbeit weiterer Duchleuchtung und Differenzierung
bedürfte. Es mag wohl so sein, daß man unter einzelnen
Stämmen Israels schon früh zu der Einsicht von Jahwes einzigartiger
Bedeutung gekommen ist. Aber um Jahwe als den an Israel
handelnden Gott ganz zu begreifen, war zuerst das Bewußtsein
einer Gesamtheit „Israel" nötig, über deren Werden die Meinungen
freilich auseinandergehen. Jedoch dürfte deutlich sein, dafj
erst relativ spät, wohl erst in der Königszeit, Formeln gefunden
wurden, die Einzigartigkeit und Unvergleichlichkeit Jahwes für
Israel zu fixieren. Das geht nicht zuletzt aus dem von Labuschagne
zusammengestellten Material hervor, ohne daß er daraus selbst
die hier angedeutete Konsequenz zieht. Dafj Israel dem Gedanken
des „Monotheismus" entscheidend vorgearbeitet hat, steht außer
Zweifel. Aber es bleibt immer eine Frage, wie sich dieser Begriff in
Relation zu anderen Religionen verhält und ob es a definite com-
parative notion in jenem Sinne geben kann, daß durch sie die
absolute Priorität eines Gottes vor anderen religiösen Erscheinungsformen
schlüssig dargetan werden kann. Die Einzigartigkeit
seines Gottes, die Israel im Verlauf seiner Geschichte erfahren
hat, ist von beispielhafter Geltung für die Erfahrung Gottes überhaupt
, die aber aus dem Gesamtverlauf von Geschichte und Theologie
Israels verstanden werden muß und davon unabtrennbar ist.
Labuschagnes Buch über die Beurteilung Jahwes als d"es Incom-
parable One kann als der zutreffende Niederschlag eines Sachverhaltes
beurteilt werden, dessen umfassende Bedeutung nur auf
dem Hintergrund des ganzen Phänomens „Israel" im Rahmen der
Welt- und Religionsgeschichte verständlich wird.

Bochum Siegfried Herrmann

Gottwald, Norman K.. Prof.: All the Kingdoms of the Earth.

Israelite Prophecy and International Relations in the Ancient

Near East. New York-Evanston-London: Harper&Row [19641.

XIII, 448 S. m. Abb. u. 20 Ktn. 8°. Lw. $7,-.

Hohe Ziele hat sich der Professor für Altes Testament an der
Andover Newton Theological School mit seiner Monographie über
Prophetie und (Außen-)Politik im alten Israel gesteckt. Einmal
möchte er all die „prophetie references to international relations"
zusammenstellen und interpretieren, wobei er zugleich die modernen
Forschungen zu Religion und Geschichte des antiken Vorderen
Orients ^nd die Ergebnisse einer strenq theologischen Exegese
des Alten Testaments nutzen will. Auf der anderen Seite erhofft
er sich „some theoretical conclusions about the nature of the
oolitical outlook of the prophets, particularly their view of international
affairs", die für die Lösung heutiger internationaler Probleme
fruchtbar qemacht werden könnten. „Is there anything in
their outlook which is pertinent either for the church and svn-
agogue or for the State in our age?" (S. XL XIII). Gottwald ist sich
der Schwierigkeit dieses Unternehmens durchaus bewußt, einmal
was die Fülle der Literatur anlangt, zum anderen was die Unsicherheit
in einzelnen speziellen Problemen betrifft. Er meint allerdings
, daß solche „theological construetions", wie er sie vorhat,
gewagt werden müßten, wenn der Graben zwischen exakter wissenschaftlicher
Exegese und der theologischen Verwertung der dort
gezeitigten Ergebnisse nicht noch weiter werden soll, als er schon
ist (Preface). So geht er daran, in fünf großen Hauptteilen sein

Vorhaben auszuführen. Vorangestellt ist ein kürzerer, die altorientalische
Problemlage behandelnder Teil (Imperialism and
International Relations in the Ancient Near East, S. 3-38), in welchem
ganz allgemein verfassungsgeschichtlich der Weg vom Stadtstaat
über das Königtum zum Imperium im mesopotamischen,
ägyptischen und kleinasiatischen Raum nachgezeichnet wird, wie
ihn der Autor sieht. Dieses 1. Kapitel endet mit einem Abschnitt,
in welchem charakteristische Züge des Modus der internationalen
Beziehungen im Alten Vorderen Orient herausgestellt werden (u. a.
Krieg, Unterwerfung. Deportation, Vasallentum, Provinzgouvernements
, Balance-Politik, regionale Koalitionsbildungen und in der
späteren Zeit Assimilationspolitik in bezug auf Bevölkerung und
Kultur, z. B. Hellenisierung). Das 2. Kapitel (The Political Prophecy
of Early Israel. S. 45-85) wendet sich dem frühen Israel bis zur Mitte
des 8. Jhs. v. Chr. zu. bis zum Anschluß an Arnos, mit dem schon das
3. Kapitel beginnt (Israelite Prophecy and International Relations
in the Eighth Century, S. 93-217). Das israelitische Prophetentum
wird als ein politisches wie auch soziales Phänomen verstanden,
das sich zu einer Art Beratungsinstitution für politische Entscheidungen
im Staatswesen herausbildete, „a living oracle who sup-
plemented and finallv replaced the inert oracles of lot and omen
divination" (S. 45). Aus dem Bilcam-Komplex möchte G. früheste
Formen des israelitischen Prophetentums rekonstruieren. Einer
These van Zyls folgend (The Moabites, S. 12) sieht der Autor in
den Bileamsprüchen „Israelite speeches from the davs of the
judges", die - mit der Bileam-Tradition zusammengebracht -
zweierlei beweisen? einmal die Tatsache, daß der älteste israelitische
Prophetismus in Form und Funktion dem der Umwelt entsprach
, und zum anderen die Auffassung, daß in den Bileamsprüchen
„the early link between Israel and Near Eastern prophecy
" gesehen wprden muß (S. 48V Berücksichtigt man in diesem
Zusammenhang das Spottlied wider Hesbon (Num. 21.26-30), so
ergibt sich für G.. .that the form of the oracle against the foreign
nation was one of earliest. if not the earliest, form of Hebrew
nronhecy", bei welcher Stil und Motive von nicht-israelitischen
Prototvpen übernommen wurden CS. 491. Es nimmt nicht wunder,
wenn im Zuge dieser Thesen die charismatischen Richtergestalten
crlbrr ,ils Propheten betrachtet werden (S. 500. Am Lauf der Geschichte
entlang behandelt der Verfasser nunmehr prophetische
Phänomene und Gestalten zur Saul- und Davidzeit sowie zur frühen
K^nigszeit. wobei die Funktionen dieses Pronhetentums wie
folgt definiert werden: ,.He was one who brought the religious
traditions of Yahwism to bear lipon State decisions". „The chief
concern of this early prophecv was the political destinv of Israel"
(S. 56). Es sprengt den Rahmen dieser Rezension, auf Einzelheiten
einzugehen und in die Auseinandersetzung mit dem Autor einzutreten
, es muß beim kritischen Referat der Ausführungen G.s bleiben
. So verwundert den Leser, unter den Propheten des 8. Tfis.
V Chr. auch Sach. 9,1-8 (S. 212ff) zu finden. Tesaia gilt als von
Arnos abhängig (S. 147). Unter den Fremdvölkersprüchen werden
mehr Materialien für echt genommen, als es heute in der Einlei-
tunqswissenschaft geschieht. Die Propheten des 7. und 6. Ths.
v. Chr. werden im 4. Kapitel besprochen (S. 218-346: Zephania;
Tes. 19.16-25: Nahum ; Habakuk : Teremia: Ezechiel; Deutero-
Tesaia), während spätere Propheten unberücksichtigt bleiben so
wie das auch nach der Zielstellung der Arbeit (im Preface) vorgesehen
war. Mit dem 5. Kapitel (Israelite Prophecy and International
Relations in the Ancient Near East; S. 347-392) kommt
die Monographie zu ihrem Ende und damit zur Zusammenfassung
der Ergebnisse und zur Benennung der „conclusions". Zunächst
erfolgt eine kritische Auseinandersetzung mit der Forschungs-
geschichte (Theories about Political Prophecy from Winckler to
Kraus; S. 350ff). bei der einschlägige Auffassungen bis aus der
Mitte des vorigen Jahrhunderts herangezogen werden, indessen
fehlen einige neuere. Für die politischen Aussagen nimmt G. eine
hervorragende Kenntnis der politischen Zusammenhänge durch die
Propheten an, die diese wohl kaum offiziellen Nachrichten als vielmehr
ihrer „general familiarity with current events" „as intelliqent
laymen" verdankten. Die politischen Ratschläge, die sie erteilen,
gehen einher in altisraelitischen literarischen Formen, wie sie
im Kult, bei Hofe und in der Rechtsprechung zu Hause waren,
und verwenden reliqiös-israelitische Motive (S. 388 u. 0. Mitunter
trifft man auf Formkombinationen. Inhaltlich war die Stellung der
Propheten zu internationalen Problemen weder rein pragmatisch