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Ausgabe:

1968

Spalte:

155-156

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Plöchl, Willibald M.

Titel/Untertitel:

Geschichte des Kirchenrechts IV: Das katholische Kirchenrecht der Neuzeit. T. 2 1968

Rezensent:

Strasser, Ernst

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reiten, vielen Gedankengängen im einzelnen zu folgen. Das ist
kein Mangel des Buches, sondern eine sich aus der außerordentlichen
Schwierigkeit des behandelten Gegenstandes ergebende
Notwendigkeit.

Für die Leser dieser Zeitschrift ist besonders die oft wiederkehrende
Frage nach der Rechtsstellung des „gutgläubig irrenden
nichtkatholischen Christen" von Interesse. Sie spielt vor allem
im Eherecht, insbesondere auch im Recht der Mischehe, eine
bedeutende Rolle. Im allgemeinen kann gesagt werden, daß hier
eine große Rücksichtnahme gefordert und ihre Anwendung juristisch
gerechtfertigt wird. So findet sich z. B. ein Eingehen auf
die andere Auffassung des evangelischen Kirchenrechts, das die
Scheidung bei Ehebruch auf Grund von Matth. 5.32 zuläßt, in
folgendem Satz: „Wenn . . . ein Protestant in der Überzeugung,
dazu berechtigt zu sein, die Ehe mit dem Vorbehalt schließt, sich
scheiden zu lassen, wenn der Partner die Ehe bricht, kann er
nach seiner Konversion vor dem kirchlichen Gericht auf Nichtigkeit
der Ehe klagen" (S. 195 f.). Ferner wird dem „mangelnden
Unrechtsbewußtsein" im kirchlichen Strafrecht in folgenden Sätzen
entscheidende Bedeutung zugemessen: „Wer in einer nichtkatholischen
kirchlichen Gemeinschaft geboren, getauft und erzogen
wird, ist von der Wahrheit seines religiösen Glaubens überzeugt
. Selbst wenn er weiß, daß die katholische Kirche Häresie
und Schisma unter Strafe stellt (c. 2314 § 1), fühlt er sich gutgläubig
durch dieses Gesetz nicht betroffen. Da ihm jegliches
Unrechtsbewußtsein fehlt, bleibt er von kirchlichen Strafen frei"
(S. 213). Und weiter: „Wenn auch die nichtkatholischen christlichen
Religionsgemeinschaften objektiv als häretische oder
schismatische Gemeinschaft zu betrachten sind, so sind doch alle
einzelnen Glieder dieser Gemeinschaften subjektiv gutgläubig
und daher nicht als Häretiker oder Schismatiker im strafrechtlichen
Sinn zu betrachten oder zu behandeln. In der heutigen
Situation der gespaltenen Christenheit ist es offenkundig, daß
einem in einer nichtkatholischen Familie geborenen und aufgewachsenen
Angehörigen einer nicht katholischen christlichen Religionsgemeinschaft
die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft
nicht als persönliche Schuld, geschweige denn als schwere Schuld
anzurechnen ist" (S. 219). - Der Verf. beruft sich in diesem Zusammenhang
auf die Enzyklika Summi Pontificatus Pius XII.
von 1939, in welcher der Papst von der „nobilitas animi" der
nichtkatholischen Christen spricht.

Erlangen Hans Liermann

Plöchl, Willibald M.: Geschichte des Kirchenrechts. TV, 2: Das

katholische Kirchenrecht der Neuzeit. Wien - München: Herold
[1966]. 471 S. gr. 8°. Lw. ö. S. 395.-.

Das achtunggebietende Werk bringt der Verfasser im Eingang
drei medizinischen Kollegen der Universität Wien dar: dem
Rektor Magnificus im Jubiläumsjahre der Universität Wien
1964/65 Dr. Dr. h. c. K. Fellinger, Dr. Hans Hoff, Dr. A. Wiedmann,
ein schönes Bekenntnis zur Universitas literarum. In einem anschließenden
Vorwort berichtet der Verfasser über die Gründe,
die ihn veranlaßten, sein Werk auf einen fünften Band zu erweitern
und welche Umstände zu einer Verzögerung der Herausgabe
des vierten Bandes geführt haben. Das anschließende Inhaltsverzeichnis
gibt Auskunft über die Fülle des behandelten
Stoffes. Überschrift: V. Buch: Das katholische Kirchenrecht von
der Glaubensspaltung (1517) bis zur Promulgation des Corpus
Juris Canonici, zweiter Teil. In zwei großen Kapiteln werden behandelt
: 1. Sakramentenrecht, 2. Kirchliche Gerichtsbarkeit. Das
erste Kapitel bringt in 7 Paragraphen: Darstellung der Prinzipien
(interrituell und interkonfessionell). Es folgt die Definierung
des röm. Kirchenrechts in bezug auf die einzelnen Sakramente
und Sakramentarien nach einer Abhandlung über den Ritus
und das Recht. Zur Besprechung gelangen: Taufe, Firmung,
Eucharistie, Messe, Viaticum, Krankenölung, Ablaß, Bußsakrament
, ferner Weiherecht, Eherecht, Heilige Handlungen, Orte,
Zeiten, Kirchliche Hilfsdienste.

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Gerichtsbarkeit. Begonnen wird mit einer Darbietung des Entwicklungsganges
der kirchlichen Gerichtsbarkeit in der Neuzeit
(§ 1). In den folgenden Paragraphen 2-4 spricht der Verfasser
über Aufbau der Gerichtsorganisation, die verschiedenen Verfahren
und schließlich die Gerichtspersonen. Ein ausführlicher
Register-Anhang (Sachregister; Personen- und Ortsregister; Verzeichnis
der Konzilien, Synoden und Reichstage; Verzeichnis der
Bullen, Konstitutionen, Dekrete; Papstverzeichnis 1513-1922)
macht den Beschluß. Wie die voraufgehenden Bände des Plöchl-
schen Werkes zeichnet auch der IV. Band sich durch Übersichtlichkeit
, Gründlichkeit und gut lesbaren Stil aus. Diese Vorzüge
erleichtern den Gebrauch des gelehrten Buches für alle Leser,
die ohne spezielle Fachkenntnisse sich seiner bedienen. Und das
werden vermutlich nicht wenige sein in Anbetracht der Tatsache,
daß das Zweite Vatikanische Konzil weltweite Beachtung gefunden
hat. Beim Durchlesen der Plöchlschen Darstellung staunt
man nicht nur über die Fülle des Stoffes, die es zu bewältigen
galt, sondern noch mehr über die didaktische Kunst, mit welcher
der kenntnisreiche Verfasser zu begrenzen und auszulassen versteht
. Daß neueste Fachliteratur Berücksichtigung findet und die
ideale Grundkonzeption nirgends verlorengeht, ist ebenso gewiß
wie die Tatsache, daß eine Geschichtsdarstellung immer in
gewissen Kapiteln bereits überholt sein muß, wenn sie eben abgeschlossen
wurde. Denn Geschichte „geschieht", ist auch dann in
Bewegung und nie statisch, wenn der Forscher einen Punkt zu
setzen sucht. Der Verfasser kommt selbst zwischen den Zeilen
auf dieses Problem zu sprechen. Die Geschichte des „Rechts" der
römischen Kirche wird von vielen Kräften bewegt. In dem vom
Verfasser ausgeschnittenen Sektor der Geschichte des römischen
Kirchenrechts sind es nicht nur die verschiedenen kirchlichen
Kräfte, die der Ausbildung des Kirchenrechtes dienen. Wenn der
Verfasser beispielsweise im Eingang seines Kapitels über Eherecht
sagt: „Das kirchliche Eherecht wurde im Verlauf dieser
Periode... in die Defensive gedrängt", so geschah es zweifellos
durch das Wirksamwerden anderer Kräfte. Plöchl nennt sie „säkulare
" (191) Kräfte. „Profane" oder „weltliche" Bereiche, aus
denen diese Kräfte hervorgebrochen seien. Unter denjenigen, die
eine „Verweltlichung" des Eherechts zu fördern suchten, sieht
der Verfasser „als Hauptmomente die Reformation, den Gallika-
lismus, die Aufklärung und den säkularisierten Staat der ausklingenden
Periode". „Die Ehe wird durch Luther... und die
ihm folgende protestantische Theologie der Sakramentalität entkleidet
" (191). Hier würde der evangelische Christ lieber lesen:
„mit einer grundsätzlich anders begründeten Sakramentalität bekleidet
". Bei Plöchl muß durch seine Gruppierung auf Luther
ein ungutes Licht fallen. Luthers Preisgabe des römischen Eherechts
liegt keineswegs auf der Linie einer Abwertung der Ehe
als göttlicher Stiftung. Wer auch nur einen Blick in Luthers
Psalmenvorlesung getan oder sein Traumbüchlein einmal aufgeschlagen
hat, weiß warum. Hier vermissen wir zur Vermeidung
unerwünschter Ressentiments eine, wenn auch noch so kurze
Charakterisierung der evangelischen Sakramentsauffassung, die
auf Grund der Heiligen Schrift unterscheidet zwischen Stiftungen
Gottes und Sakramenten „von Christus selbst eingesetzt". Immerhin
bleibt Plöchls Teilung der Welt interessant, zumal in dem
Zeitalter „nach dem 2. Vatikanischen Konzil" und der lebhaften
Debatte über die Mischehe. Nicht nur zu diesem Gegenstand der
interkonfessionellen Gespräche wird die Einsichtnahme in die
Plöchlsche Geschichte des Kirchenrechts in jedem Fall von Vorteil
sein. Ein unbestechlicher Vertreter des päpstlichen Machtbereichs
begegnet uns in dem Verfasser. Angesichts der von ihm
zusammengetragenen Gegebenheiten will einem die Behauptung
eines protestantischen Zeitkritikers fast erstaunlich erscheinen:
„Es ist die Christenheit heute in eigentümlicher Weise entsichert"
(Edmund Schlink). Plöchls Arbeit atmet einen anderen Geist. Es
war nicht der Wille zum Verzicht, sondern zu tapferer und kluger
Behauptung und Ausweitung, welcher die Geschichte des römischen
Kirchenrechts erfüllte. Plöchls Buch erbringt den Beweis
für den genannten Abschnitt der Neuzeit. Es geschieht so,
daß der Leser nicht ermüdet, sondern mit Spannung erlebt, was
einmal in der Geschichte der römischen Kirche sich zum Recht
entwickelt hat.

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 2

Das zweite Kapitel behandelt in 4 Paragraphen die kirchliche

Lüneburg

Ernst Strasser