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Ausgabe:

1968

Spalte:

151-152

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Heese, Erwin

Titel/Untertitel:

Liturgie der Gemeinde 1968

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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zur Gemeinde und Anwendung des Textes auf ihr Leben. „Was
aber ist Homilie anders als Lcben-Jesu-Predigt?" (S. 58). Wir
werden auch hier, über das Halbjahrhundert hinweg, zum Gespräch
herausgefordert.

Leipzig Gottfried Voigt

LITURGIEWISSENSCHAFT

Hesse, Erwin, Dr., u. Helmut Erharter, Dr.: Liturgie der
Gemeinde. Weihnachts-Seelsorgertagung 28. - 30. Dezember
1965, im Auftrag des Österreichischen Seelsorgeinstitutes hrsg.
Wien: Herder [1966]. 184 S. m. 7 Abb. gr. 8°. Kart. Ö. S. 80.-;
DM/sfr. 12.80.

Wer gewohnt ist, Entwicklungen innerhalb der römischkatholischen
Kirche vorwiegend unter kontroverstheologischen
Gesichtspunkten zu betrachten, wird zusehends enttäuscht. Das,
was dort - insbesondere auf dem liturgischen Sektor - geschieht
, berührt die uns geläufige, Jahrhunderte hindurch konservierte
konfessionelle Problematik nur noch in einem sehr begrenzten
Umfang. Der „Dialog mit der Welt" in seiner Dringlichkeit
und unmittelbaren Wucht scheint auch hier den „Dialog mit
den getrennten Brüdern" immer mehr an den Rand zu drängen.
Der evangelische Beobachter, der sich durch diesen Vorgang
einesteils einfach überspielt sieht, kann andererseits aber auch
nicht umhin, gewisse Erscheinungen eines ungebrochenen Optimismus
, wie sie in diesem Zusammenhang sichtbar werden, mit
einem vorsichtigen Kopfschütteln zur Kenntnis zu nehmen. Er weiß
- die Erfahrung seiner eigenen Kirche zwingt ihn immer wieder
aufs neue zu dieser Resignation -, daß bestimmte Veränderungen
im formalen, strukturellen oder auch spirituellen Bereich
(Muttersprache, actuosa participatio, Biblizität, Aktualität, Verdeutlichung
und Anpassung) nicht ausreichen, um das liturgische
Problem hinreichend zu lösen, sondern daß die Frage nach dem
eigentlichen Sinn des christlichen Gottesdienstes in dieser Welt
erst jenseits dieser Kategorien beginnt.

Solche Überlegungen werden durch die in dem vorliegenden
Sammelband zusammengefaßten Referate und Diskussionen -
Ergebnisse der im Titel genannten Veranstaltung des Österreichischen
Seelsorgeinstitutes - erneut nahegelegt. In ihrer Themenstellung
, ihrem Niveau und der Breite ihres Teilnehmerkrei-
ses läßt sich diese vorwiegend von österreichischen Referenten
bestrittene Tagung durchaus mit den großen nachkonziüaren liturgischen
Kongressen des deutschen Sprachraums (Mainz 1964,
Berlin 1965) vergleichen. Drei größere Themenkreise sind es, die
durch die meist recht beachtlichen Beiträge im einzelnen berührt
und entfaltet werden: Es geht zunächst darum, die grundlegenden
Voraussetzungen für liturgisches Handeln überhaupt in unserer
Zeit und Welt zu klären; es geht weiter darum, auf Grund
des biblischen Befundes und der Lehre der Kirche das Wesen des
christlichen Gottesdienstes theologisch herauszuarbeiten; es geht
schließlich auch darum, für bestimmte Dimensionen des gottesdienstlichen
Vollzugs die angemessenste und wirkkräftigste Gestalt
zu finden.

Um die Klärung der soziologischen und religionspsychologischen
Voraussetzungen der liturgischen Feier bemühen sich die
Teilnehmer eines Forumsgespräches über die „Liturgie in der
Krisensituation der christlichen Gemeinde" (S. 33-49). Fragen
nach der Gemeindestruktur, nach der künftigen Sozialform der
Kirche und ihrer gottesdienstlichen Versammlung stehen hierbei
im Vordergrund. Das Thema wird aufgegriffen und fortgeführt
in dem Referat des Wiener Stadtpfarrers J. E. Mayer über „Grundstrukturen
der Gemeinden und ihre spezifischen Meßfeiern" (S.
150-162). Welche Schwierigkeiten das Problem der Sprache heute
für den Gottesdienst aufwirft, erörtert (als Nichttheologe!) I.
Zangerle: „Sprache in der Liturgie unserer Zeit" (S. 85-92). Er
v/eist besorgt auf die verhängnisvolle Diskrepanz zwischen
Sprache und Wirklichkeit in der kirchlichen Verkündigung hin.
Schließlich gehört auch der anspruchsvolle Vortrag von Augustinus
Wucherer-Huldenfeld über die „Theologie des Symbols" (S.
93-106) in den Zusammenhang des ersten Themenkreises. In

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Fortführung bestimmter Gedankengänge Guardinis und K. Rahners
gewinnt W. die erkenntnistheoretischen und offenbarungstheologischen
Voraussetzungen für das gottesdienstliche Geschehen
durch eine konsequente Gestaltsymbolik: das Symbol als
effektive, notwendige Gestalt, als Ausdruck, Selbstmitteilung und
Selbstvollzug des Seins.

P. Neuenzeit („Die Gemeinde Jesu als gottesdienstliche Versammlung
", S. 11-24) zieht Linien aus, die vom Gottesdienst der
urchristlichen Gemeinde zur Gegenwart führen; besonderen Wert
legt er dabei auf die ursprüngliche Bedeutungsverschiedenheit
von Brot- und Bechereucharistie. Die bisherige römische sub-una-
Praxis gerät von daher in eine ziemlich kritische Beleuchtung.
Die sich an dieses spezielle Thema anschließende Diskussion wird
bemerkenswerterweise ebenfalls abgedruckt (S. 25-32). K. Amon
untersucht den gottesdienstlichen Vorgang im Hinblick auf die
elementaren theologischen und liturgischen Strukturen, die sich
da abzeichnen („Grundvollzüge der Liturgie", S. 66-84: Im Worl-
gottesdienst Lesung, Gebet und Gesang, in der Eucharistiefeier
Brot, Kelch und Danksagung). In den Bereich des zweiten Themenkreises
gehört ebenfalls das Referat von H. B. Meyer über
„Sakramentale Lebensvollzüge im Aufbau der Gemeinde" (S.
163-180), das nicht ganz das hält, was sein Titel verspricht.

Schließlich seien noch die Darstellungen genannt, die den
dritten Themenkreis betreffen: G. Rombold, „Die Gestaltung des
Kirchenraumes im Dienste der erneuerten Liturgie" (S. 50-65);
Ph. Harnoncourt, „Erneuerte Kirchenmusik in der erneuerten Liturgie
" (S. 121-149, mit wertvollen Quellennachweisen); Gregor
Wucherer-Huldenfeld, „Leitsätze zur symbolgemäßen Gestaltung
der Liturgie" (S. 107-120). Letzterer bemüht sich, die oben beschriebenen
Darlegungen seines Bruders zur Theologie des Symbols
sehr konkret im gottesdienstlichen Vollzug zur Verwirklichung
zu bringen; es geht ihm darum, daß alles liturgische Tun
ein Höchstmaß an Evidenz und Wirksamkeit erreicht.

Man gewinnt bei der Lektüre dieser und ähnlicher Veröffentlichungen
den Eindruck, als sei mit der Liturgiekonstitution des
Konzils die Tür zu einem Reich der unbegrenzten Möglichkeiten
aufgestoßen worden. Die Forderungen und Reformvorschläge,
die hier laut werden, sind oft ausgesprochen unkonventionell
und gehen weit über das hinaus, was bisher in Verwirklichung
der Liturgiereform konzediert wurde. Immer bestimmender tritt
dabei eine Linie in den Vordergrund, die in Richtung auf eine
gewisse „Entsakralisierung" (vgl. S. 21 ff., 30 ff., 41 ff. u. ö.) des
Gottesdienstes tendiert: Der Zwiespalt zwischen Kultwirklichkcit
und Lebenswirklichkeit soll überwunden, die Liturgie wieder als
ein Stück echten, selbstverständlichen „Lebensvollzuges" (S. 44)
empfunden und gelebt werden. Ein ernsthafter Dialog zwischen
den getrennten Kirchen über gerade diese Fragen bietet sich
förmlich an und kann angesichts der eingangs skizzierten Situation
kaum mehr länger hinausgezögert werden.

Sagard / Rügen Karl-Heinrich B i e r i t z

Bartsch, Elmar: Die Sachbeschwörungen der römischen Liturgie
. Kine liturgiegeschichtliche und liturgietheologische Studie.
Münster/W.: Aschendorff [1967). XXII, 432 S. gr. 8° = Liturgie-
wissenschaftl. Quellen u. Forschungen, hrsg. v. O. Heiming, 46.
DM 68.-.

Der Verf. wurde zu dieser Arbeit durch die Anregung seines
Lehrers Professor J. Pascher veranlaßt, die Wertschätzung der
Naturdinge in der Römischen Liturgie kritisch zu untersuchen.
Dabei ergab sich die zentrale Bedeutung der Sachbeschwörungen
für dieses Problem und daraus die Notwendigkeit, diese eigenartige
und bisher wenig beachtete Gestalt liturgischen Handelns
eingehend zu erforschen. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden
nicht nur die katholische Dogmatik veranlassen, künftig ein
ernstliches Interesse dieser liturgischen Ausdrucksform zuzuwenden
. Auch evangelische Theologen sollten darin ein Glaubcnsan-
liegen erkennen, dessen Bedeutung angesichts der naturwissenschaftlichen
Orientierung der Gegenwart kaum zu verkennen ist.
Ich nehme deshalb den Ertrag dieser Studie im Anschluß an den
V. Abschnitt (Sinn und Bedeutung der liturgischen Beschwörung
von Sachen. S. 334 ff.) vorweg:

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 2