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Ausgabe:

1968

Spalte:

120-121

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Damerau, Rudolf

Titel/Untertitel:

Der Laienkelch 1968

Rezensent:

Kohls, Ernst-Wilhelm

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Wer Bonaventuras Werke übersetzen will, braucht sich in der
Regel nicht viel Mühe mit der Vorlage für seine Übersetzung zu
machen. Er kann auf die „Opera omnia S. Bonaventurae" zurückgreifen
, die in zehn Bänden von 1882 bis 1902 in Quaracchi erschienen
sind. Bei den „Collectiones in Hexaemeron" liegen die
Dinge anders. Bonaventura hielt 1273, also ein Jahr vor seinem
Tod, eine Vorlesung, in der er durch eine symbolische Erklärung
des Sechstagewerkes visionär die Erschaffung der Welt und das
Wachsen der inneren Erleuchtung des Menschen miteinander verknüpfte
. Diese Vorlesung blieb unvollendet. Sie wurde von mindestens
drei Hörem mitgeschrieben. Die Nachschriften wurden in
zwei Textfamilien überliefert, wovon die eine (A) einen kürzeren
und die andere (B) einen längeren Text hat. Die Quaracchi-Ausgabe
bietet B. Das veranlagte F. Delorme 1934, A zu edieren
(= Bibliotheca franciscana scholastica medii aevi 8), wo in einem
Nachwort über die Entstehung des Textes Rechenschaft abgelegt
wird. Danach wurde er von einem Hörer zusammengestellt, der
außer seiner eigenen noch zwei andere Nachschriften, die nach
seiner Meinung „prae nimia confusione et illegibilitate nulli
fuerunt utiles nisi forte sibi", einsah und seinen Text auch von
anderen Hörern und Bonaventura selbst einsehen ließ. Danach
hat er seine verbesserte Nachschrift noch einmal überarbeitet. A
ist also gleichsam ein autorisiertes Reportatum, an dessen Schluß
ausdrücklich betont wird, daß nichts hinzugefügt wurde, was
Bonaventura nicht selbst gesagt habe. A unterscheidet sich von B
auch durch seine logischere Gliederung des Stoffes, wodurch die
Zusammengehörigkeit von A und dem erwähnten Nachwort deutlich
wird.

Welchen Text bietet nun die vorliegende Ausgabe? Er wurde
der Quaracchi-Ausgabe entnommen und „aus dem Text von F.
Delorme . . . vervollständigt". Das ist möglich, da A auch manches
bringt, was in B fehlt. An über 20 Stellen wurde ein kurzer
Satz oder auch ein größeres Stück aus A entnommen und in B
eingefügt, um B zu verdeutlichen, wobei in A vor und nach dem
entnommenen Stück durchaus nicht immer der gleiche Text steht,
den der Leser nun in der vorliegenden Ausgabe um das eingefügte
Stück herum vorfindet. Es wird auch nicht alles aus A gebracht
, was in B fehlt.

So weiß der Leser zwar, was in der Quaracchi-Ausgabe steht
und was aus A stammt - nämlich das, was in / / gesetzt ist -,
aber sonst erfährt er über das Verhältnis der beiden Texte nichts,
ja am Schluß wird er sogar irregeführt; denn die Ausgabe scMiefjt
mit dem oben erwähnten „Nachwort des mittelalterlichen Mitschreibers
dieses Werkes", das zwar auch in der Quaracchi-Ausgabe
abgedruckt wurde, jedoch mit dem ausdrücklichen Hinweis,
daß es sich nur in den seit 1495 erschienenen Drucken und zwei
Handschriften, die nicht mit berücksichtigt wurden, befände. In
der vorliegenden Ausgabe wird dadurch die zu A gegebene Erläuterung
über die Entstehung und Echtheit des Textes für B in
Anspruch genommen. Der Leser darf gespannt sein, wie dieses
Verfahren in dem Kommentar erläutert werden wird, den der
Verlag zu den „Collationes ' in Hexaemeron" angekündigt hat. Er
soll von Wilhelm Nyssen in Zusammenarbeit mit Joseph Ratzinger
herausgegeben werden.

Leipzig Helmar Junghans

Goldammer, Kurt: Das Buch der Erkanntnus des Theophrast
von Hohenheim gen. Paratelsus. Aus der Handschrift mit einer
Einleitung hrsg. Berlin: Erich Schmidt [1964].- 58 S. 8° = Texte
d. späten Mittelalters u. d. frühen Neuzeit, hrsg. v. W. Stammler
, E. A. Philippson u. H. Moser, H. 18. Kart. DM 6.80.

Da der Priesterarzt und Laientheologe Theophrast von Hohenheim
, gen. Paracelsus, unter den Nonkonformisten der Reformationszeit
eine hervorragende Stellung einnimmt, dürfte die von
Kurt Goldammer, dem verdienten Paracelsus-Forscher und Herausgeber
der Theologischen und Religionsphilosophischen Schriften
des Paracelsus (vgl. ThLZ 82, 1957, 776 f.; 84, 1959, 193 ff.;
DLZ 80, 1959, 601 ff.; 81, 1960, 399 f.; 85, 1964, 482 f.) in der
Reihe „Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit"
vorgelegte, zunächst für germanistische Übungen bestimmte Edition
auch für kirchengeschichtliche Seminare, die den „linken
Flügel der Reformation" behandeln, geeignet und, solange der

ISO

Abdruck der Schriftengruppe der „Sermones" in der großen kritischen
Gesamtausgabe noch aussteht, zugleich für die Forschung
von Wert sein. In der - der literarischen Form nach Clemens VII
zugeeigneten, vom Herausgeber in die Zeit etwa zwischen 1529
und 1534 datierten - Schrift wird die für Paracelsus zentrale
Lehre einer Erneuerung des apostolischen Christentums verkündigt
; der Hohenheimer bedient sich dabei einer - wie der Herausgeber
deutlich macht - auch für die übrigen „Sermones" und
überhaupt seine theologischen Schriften charakteristischen Argumentation
und einer „einem laikalen Biblizismus entsprungenen
höchst eigenwilligen Bibelauslegung, in die er seine Zeitkritik
und seine ihm vorschwebenden Zukunftsbilder einhüllte". - Eine
Einleitung des Herausgebers (1. Die Überlieferung, 2. Charakter
und Entstehung, 3. Inhaltsübersicht, 4. Literaturhinweise), dazu
die beigegebenen Erläuterungen und Übersetzungen schwieriger
Stellen und ein Glossar dienen in vorzüglicher Weise dem Verständnis
.

Jena Eberhard H. P ä I t l

Damerau, Rudolf, Dr. theol.: Der Laienkelch. Gießen: Schmitz
[1964). 86 S., 1 Taf. gr. 8° = Studien zu den Grundlagen d.
Reformation, 2. DM 15.-.

Der Verfasser knüpft hier an seine voraufgegangene Unter
suchung „Die Abendmahlslehre des Nominalismus" (vgl. ThLZ
1967, Sp. 437) an, indem er die dortigen Darlegungen zur Abendmahlslehre
des Nikolaus von Dinkelsbühl (vgl. a. a. O., 76-94)
nun durch eine nähere Analyse von dessen Traktat „Barones
regni Bohemiae" erweitert. Es geht hierbei um die Frage, ob -
wie die Hussiten behaupteten - der Empfang des Abendmahls
unter beiderlei Gestalt heilsnotwendig sei (18-21). Diese Frage
wird von Nikolaus von Dinkelsbühl einerseits mit kritischen
Bemerkungen (21 ff.) und andererseits mit einer eigenen positiven
Gegenargumentation - vor allem durch eine Exegese von
Joh. 6, 54 u. 56 - verneint (29 ff.). Leider hat der Verf. auch in
diesem Falle sowohl die Literatur als auch die Quellenlage gänzlich
ignoriert. Historische und sachliche Verzeichnungen sind die
Folge.

1. Während der Verf. die Hs. 3657 der Wiener Nationalbibliothek
bemüht hat, ist der betr. Traktat längst gedruckt bei Hermann
von der Hardt, Magnum oecomenicum Constantiense con-
cilium (7 Bde., 1696-1742), Bd. III, Sp. 826-883. H. v. d. Hardt
hat zwar dort irrtümlich nicht Nikolaus von Dinkelsbühl, sondern
den Magister Mauritius von Prag als Verfasser des Traktates
angenommen, doch hat das bereits Heinrich Finke in seiner
zusammen mit Johannes Hollnsteiner und Hermann Heimpel besorgten
Edition: Acta concilii Constanciensis (4 Bde., 1896-1929).
Bd. 4, S. 498, Anm. 3 korrigiert. Ein Vergleich der Zitate in der
vorliegenden Untersuchung mit dem Quellenabdruck bei H. v. d.
Hardt ergibt keine Abweichungen.

2. Über den Stand der Quellenlage und Forschung unterrichtet
überdies hinsichtlich dieses Traktates des Nikolaus von Dinkelsbühl
ausgezeichnet die theol. Diss. von Alois Madre: Nikolaus
von Dinkelsbühl, Leben und Schriften (Würzburg 1942,
masch.), bes. S. 191 ff. Hier sind die einschlägigen Anschauungen
des Nikolaus von Dinkelsbühl zugleich analysiert und chronologisch
und historisch bereits eingeordnet. Diese Untersuchung,
die der Verf. neben weiterer Literatur überging, findet sich u. a.
in dem Artikel von K. Binder, Nikolaus von Dinkelsbühl, in:
Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Aufl., Bd. 7 (1962), Sp.
984-985 in den Literaturangaben aufgeführt. Inzwischen ist die
Arbeit von A. Madre auch im Druck erschienen: Alois Madre,
Nikolaus von Dinkelsbühl. Leben und Schriften. Ein Beitrag zur
theologischen Literaturgeschichte (Beiträge zur Geschichte der
Philosophie und Theologie des Mittelalters, hrsg. v. M. Schmaus,
Bd. XL, Heft 4), Münster 1965, bes. S. 28 f. und S. 254-257. (Darin
S. 256 f. ein ausführliches Verzeichnis der reichen handschriftlichen
Überlieferung des betr. Gutachtens.)

3. Eine Grundfrage für die Analyse des Traktates des Nikolaus
von Dinkelsbühl ist sein Verhältnis zu dem Abendmahlsgutachten
seines Wiener Fakultätskollegen Peter von Pulkau, das
bereits am 31. Mai 1415 beendet worden ist. Der Verf. erwähnt
dieses Problem gar nicht. Gleichzeitig mit der vorliegenden Ver-

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 2