Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1968

Spalte:

85-94

Autor/Hrsg.:

Jepsen, Alfred

Titel/Untertitel:

Israel und das Gesetz 1968

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4, Seite 5

Download Scan:

PDF

Kr,

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 2

Kr,

setz dort Macht gegeben, wo Gott ihm keine Macht zuerkannt Lehrreich ist auch „Das Verhältnis Karl Barths zum römischen
hat, nämlich über Menschen außerhalb des jüdischen Volkes. Der Katholizismus" (S. 598-616) von Grover F o 1 e y. Die Haupt-
Aufsatz ist in einem schwunghaften Stil geschrieben, der das Le- frage ist selbstverständlich das Problem von dem Sinn der „Ana-
sen zu einem Vergnügen macht, auch wenn man nicht die Vor- logie" bei Barth. Der Ausgangspunkt für Foley sind dabei Barths
aussetzungen des Verfassers teilt. eigene Worte über „das Licht", d. h. Christus, und „die Lichter"
Dietrich R i t s c h 1, „Die Last des augustinischen Erbes" im plural, also die weltlichen, die natürlichen Lichter, die mensch-
(S. 470-490), bedauert, daß die Sprachform Karl Barths so „alt- lidlen »Entsprechungen" oder „Zeichen". Hier sieht Foley sowohl
modisch" ist. Man könnte ihn beinahe mit den naiv kirchlichen eine Positive Anknüpfung an die katholische Lehre von der Natur
Theologen in der Bekennenden Kirche während der dreißiger Wle auch eine berechtigte Kritik dieser Lehre. „Die „Lichter" kön-
Jahre zusammenstellen! Aber er tröstet die Leser mit der Fest- nen nur Widerspiegelungen des einen grofjen Lichtes sein. Barth
Stellung, dafj Barth in der Tat „modern" ist, sogar moderner als und Rom bewegen sich gewissermaßen auf derselben Ebene,
die Amerikaner heute. Von Skandinavien aus gesehen, scheint beide denken primär in erkenntnistheoretischen Kategorien. Der
sowohl der Kummer wie der Trost ein wenig unbarthianisch zu 9ro^e Aufjenseiter in der Kirchengeschichte ist, hier wie auch
sein. Aber beides kommt vom Grundproblem her: es gibt ein sonst- Martin Luther, der in solchen Kategorien nicht denkt und
Erbe, das eine Last der Theologie bedeutet und von dem wir uns der deshalb mit einem Kampf zwischen Gesetz und Evange-
zu befreien haben, das augustinische Erbe. In zehn Thesen stellt lium rechnen kann - diese zwei sind Hände Gottes, die Werke
Ritsehl am Ende seines Aufsatzes die Hauptpunkte des augusti- ausführen, Werke verschiedener Art, Tod und Auferstehung,
nischen Einflusses dar. Das Ziel ist nur Befreiung von einem Luther ist aber als Gesprächspartner zu Barth merkwürdig aus-
Erbe, positiv wird wenig zur Klärung der theologischen Aufgabe geschlossen aus dieser Festschrift,
gesagt. Aber man freut sich, dann und wann in den Fußnoten

englische oder amerikanische Literatur zu sehen. Das kommt, wie Was wir hier erwähnt haben, sind nur Beispiele. In jeder der

gesagt, nicht allzuoft in dieser Festschrift vor. drei Abteilungen des Buches hätte man andere Aufsätze auswäh-

r. _ „ .____,, , _.. .. , ... . len können. Die hier gemachte Auswahl gibt jedoch, hoffe ich.

Barmen II und die Grundlegung der „Ethik" heifjt der Artikel . , , . „.. , a, _ _ , ■'. ' , .....

™- . s *. ii ic am i- ,. ,. . . ein korrektes Bild von dem Ganzen. Dafj die weltweite Wirkung

von Dieter S c h e 11 o n g (S. 491-521), langer als die meisten J , , ...

,„j _ ... v £-u v i. L u- • t. c v ii der Theologie Barths nicht abgenommen hat, sondern in vielen

anderen Beitrage. Sehr ausführlich beschäftigt sich Schellong „. . .. 3 , . _ , 3 .,,„,'.. , .....

r.- . , . . , . , . . .„ tj^-v. ____i _____ i.» Hinsichten noch im Zunehmen sich befindet, durfte jedenfalls

hier mit dem chnstologischen Ansatz der Ethik und versucht . . ......... ' ,.J

j - . . „ „ „ ,. ___... klar sein. Ein Zeichen dafür ist auch die Bibliographie, wo die

Öle große Gefahr von „Barmen , die Gesetzlichkeit, zu über- „ , ... _ ., , .„„ . , . , ,

u—. »_*. • ■ j neuen Schriften Barths nach 1955 verzeichnet sind und wo die

winden. Ohne eine positive Lehre vom Gesetz ist das naturlich „,,.„„ . . . , .

schwierig. Man wird gar nicht überrascht, wenn man auf der ZahJ der Neuauflagen und der Übersetzungen in Fremdsprachen

letzten Seite (S. 521) plötzlich vor der These steht, daß die Zwei- auffallend groß f - Diese Bibliographie setzt die entsprechende

„ t , v , . ■ u . , ■ . .. TT. . . Liste in „Antwort" (1956) voraus und fuhrt sie weiter. Jeder, der

Keiche-Lehre „unaufgebbar ist, obgleich dieses sonst in dem lan- , _-,.„., ...... . ' ,

___ . . . „? „ ... , . . ,. .... T_ mit der Theologie Barths arbeitet, hat hier zwei gute Nachgen
Aufsatz von Schellong überhaupt nicht erwähnt war. Jene hl v

verachtete Lehre bietet ja eine Interpretation des Gesetzes, die

das Amt Christi von Gesetzlichkeit befreit und die es auch begreif- _, , , , ......

lieh machen kann, „daß die Welt" - wie Schellong es selber for. Sdlon am Anfan9 machten Wlr auf dle kontinentaleuropaische

muliert - „sehr wohl weiß, was sich schickt und was nicht" Neigung zur Introversion aufmerksam. Es ist mein Eindruck.

(S. 520). Auf eine solche Lehre steuert deutlich die theologische da^ f™ solche Introversion auf recht lokaie Probleme da ist

Entwicklung heute hin. Sie hängt aber systematisch mit einer und daß sie in Deutschland und in der Schweiz nicht als Schwäche,

Lehre von der Schöpfung zusammen. Hier liegt die Schwie- s°ndern als Stärke empfunden wird. Die Flut der Ubersetzungen

rigkeit, die nicht mit der durch Barth oder Bultmann bestimmten der theologischen Arbeiten in deutscher Sprache besonders ins

Methode bewältigt werden kann. Englische stärkt das Selbstgefühl. Wer in Wirklichkeit stark ist.

ist aber gerade im Erfolg selbstkritisch, was sich vor allem in der

Uvo Andreas Wolf beginnt und endet seinen Aufsatz mit Willigkeit, auf fremde Stimmen zu hören, zu zeigen pflegt.
Reflexionen über Erik Wolf und seine Position (S. 522 und 540 f.).

Das Thema heißt „Gottes Recht und Menschenrecht", und der Fragt man< weiche fremde Stimmen nun in der kontinentalen

Verf. bewegt sich zwischen zwei Größen, die er wohl kennt, einer- Theologie vonnöten sind, dann möchte man gern zwei nennen,

seits die katholische Lehre von dem „göttlichen Recht" und an- beide ausgesprochen trivial und unprophetisch. Erstens die

dererseits das alttestamentliche Rechtsdenken. Die neuere Ex- stimme der gewöhnlichen historischen und exegetischen Unter-

egese (besonders Gerhard von Rad und Friedrich Horst) wird suchungen, die schlichten Analysen ohne Ziel, ohne Anspruch auf

herangezogen, um die Vorstellungen vom „Recht" im Alten Te- irgendeine Wirkung im Jetzt, ja, man könnte auch „ohne Herme-

stament zu beleuchten. neutik" sagen, ungefähr die Stimme, die man mit der heute üb-

Wirklich lesenswert ist der Beitrag von Hans Ruh, „Welt- liehen Terminologie „liberal" nennt. Zweitens die Stimme der

Wirklichkeit und politische Entscheidungen" (S. 542-563). Der angelsächsischen analytischen Philosophie, die zwar keine Nah-

Verf. sammelt Zeugnisse von konkreten Stellungnahmen Barths rung gibt, die aber als Purgativ ausgezeichnet ist. Wenn man von

in politischen Fragen und setzt diese „punktuellen" Entscheidun- Wörtern verzaubert ist, dann ist diese analytische und der kon-

gen in den großen Rahmen ein, in dem sie verständlich werden. tinentalen Atmosphäre gegenüber fremde Philosophie eine Mcdi-

Dieser Rahmen ist ein theologischer - oder besser: er ist ein zin mit gutem Effekt: sie macht nüchtern. Zwar meine ich nicht,

persönlicher Glaube. Man liest diesen Aufsatz mit größtem In- daß diese zwei fremden Stimmen die heutige kontinentaleuro-

teresse, und man lernt viel von Ruhs Darstellung. Sehr stark päische Theologie besiegen oder ersetzen sollen. Sie sollen nur in

wird in den verschiedenen politischen Situationen die Distanz einer neuen Weise gehört werden, ein Gespräch mit ihnen muß

betont, die immer Barths Stellungnahme prägt, eine Distanz, die anfangen. Wer nicht mit Fremden reden will, ist innerlich un-

nur durch die Sonderstellung der Christologie zu verstehen ist. sicher.

Israel und das Gesetz 1

Von Alfred J e p s e n , Greifswald

Die Stellung des Gesetzes oder der Gesetze in der Geschichte führt mit dem Ergebnis, daß auch die Propheten schon eine Ge-
Israels ist seit langem umstritten. Hatte Wellhausen die These setzestradition kennen, daß es also jedenfalls schon vor den Provertreten
das Gesetz sei jünger als die Propheten, so hat W. Zim- pheten Gesetze, Gottesgesetze in Israel gegeben habe. Aber seit
merli neuere Untersuchungen zusammengefaßt und weiterge- wann? Und welche Funktion, welche Bedeutung haben sie in Is-

') Zusammenfassung einer in Lund und Bonn gehaltenen Gastvorlesung so-

rael gehabt? Otto Eißfeldt hat seinen in der ThLZ2 erschienenen

wie eines bei dem Wiener Theologenkongreß gehaltenen Referats. !) ThLZ 91, 1966, Sp. 1-6.