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1968

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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- außer in Nebenbemerkungen - wird auf die Mariologie. Zu
ihr liegt von Congar in deutscher Sprache vor: Christus - Maria -
Kirche, 1959; von uns besprochen ThLZ 1960, Sp. 379. Da die Aufsätze
der Zeit vor dem Konzil angehören, darf seine Problematik
nicht erwartet werden. Von den übrigen Hauptfragen der
Zeit wird kaum eine fehlen. Reich behandelt sind die Probleme
des Apostolates, der Katholischen Aktion, der Bekehrung (Konversion
), der Liturgie, der priesterlichen Sendung, des gesellschaftlichen
Pluralismus. Wie immer bei Congar tritt die große
patristische Gelehrsamkeit hervor. Wundern darf man sich allerdings
über eine Bemerkung zu eros: „ . . . welches das NT selten
und gewöhnlich in einem abwertenden Sinn verwendet". Sollte
der große Gelehrte wirklich nicht wissen, daß eros im ganzen
NT nicht ein einziges Mal vorkommt? Der Aufsatz mit der befremdlichen
Bemerkung ist 1956 erstmalig veröffentlicht, dann
in den französischen Sammelband von 1962 und endlich 1965 in
unser Buch eingegangen. So können sich Fehler durch drei Auflagen
und vielleicht noch länger fortschleppen.

Aus der Fülle der Arbeiten können nur einige besonders hervorgehoben
werden. Die Bekehrung; damit nahe verwandt
: Proselytismus und Evangelisation. Der
zuerst genannte Beitrag steuert auch eine gute Bibliographie zur
Frage der Konversion bei, auch zur Psychologie der Bekehrung,
worauf besonders aufmerksam gemacht sei. Das Recht, auf Konversion
hinzuarbeiten, wird grundsätzlich zugestanden, aber nur
dann bejaht, wenn ihm die Liebe vorgeordnet ist. Besonders in
Frankreich begegne ein penetrantes Bestreben, Seelen zu kapern,
allgemeiner Abwehr. Congar fordert „eine sehr tolerante und
das Geheimnis der Gnade und Freiheit taktvoll respektierende
Haltung" (51). Es 6ei bemerkt, daß wir inhaltlich gleiche Äußerungen
im Dekret des II. Vatikanums über den Ökumenismus
wiederfinden. - Über zwei Aspekte der apostolischen
Arbeit: Der Priester als Haupt des Volkes
und Apostel: Die Vorstellung „Haupt des Volkes" ist
geeignet, mittelalterliche Anschauungen heraufzubeschwören. Gedacht
ist heute an den Pfarrertyp, der primär die Welt der Sozialen
, des Gesellschaftlichen, des Milieus im Auge hat und daran
seine Seelsorge orientiert. Er will der modernen Führungspflicht
genügen, auch am wankenden und abgefallenen Teil der
Gemeinde. Wenn das Bestreben den letzten Grad erreicht hat,
führt es dahin, „daß er (der Pfarrer) das Soziale über das Persönliche
stellt". Im Hintergrund ist die Kritik spürbar an der in
Frankreich und Belgien hoch entwickelten kirchlich-katholischen
Soziologie und ihrer Indienstnahme durch die Gebietsmissionen.
Congar entschied sich anders. „Sogar zu den Zeiten, wo ich als
Lagergeistlicher irgendwie selber Pfarrer, selber ausdrücklich
mit Seelsorge betraut war, fühlte ich mich als Dominikaner bewogen
, eine direkte und individuelle Beziehung zu den Seelen
zu suchen, ohne mich um Kategorien und Etiketten zu kümmern"
(197). „In einer Perspektive, bei der die Institutionen, die Formen
, das Abgeschlossene vorherrschen und wo der Priester vor
allem als Führer des Volkes handelt, wird man . . . mehr das
katholische System und was er konkret einschließt, predigen,
als das Evangelium, d. h. den Aufruf zu Bekehrung, Glauben
und persönlicher Frömmigkeit" (205). - Christus in Frankreich
: Welche gegensätzliche Welt: Massenabfall von Katholiken
, bleibende hohe Spiritualität, Eindringen in die Milieus,
auf dem Weg zur Bewältigung des Pluralismus! „Die tiefe Abneigung
gegen alle Totalitarismen hat alle Katholiken für sich
gewonnen" (231). - Aufriß einer Theologie der Katholischen
Aktion: Der Aufsatz ist bereits 1958 erschienen
, bleibt aber als Zusammenfassung großer Anliegen und umfangreicher
Diskussionen wertvoll. - Die theologischen
Bedingungen eines Pluralismus: Ein reicher, wichtiger
Beitrag! Christen können und sollen in der UNESCO und
in hohen und niederen Parlamenten mitarbeiten. Wenn auch
nicht zu erwarten ist, daß die profane Welt den Stufenbau von
Natur und Gnade erkenne und anerkenne, so kann doch der
Christ dem Atheisten „mit einem Programm der Menschlichkeit
und Kultur nahetreten, in dem die andern ihre eigenen Anliegen
wiedererkennen" (389). „Es kann sogar geschehen (weil die Katholiken
nämlich oft weniger gut sind als ihre Kirche und die

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andern oft besser sind als die ihrigen), daß andere deutlicher
als wir die eine oder andere Seite des menschlichen Ideals gesehen
oder verwirklicht haben und daß wir uns von ihnen über
manche Reichtümer unseres Erbes belehren lassen müssen" (398).
- Haltungen der Christen in einer geteilten
Welt : Hier dürfte am meisten die Erörterung des Toleranzproblems
interessieren. Indifferentismus steht selbstverständlich
außerhalb der Diskussion. Die „zwiespältige Situation", daß der
römische Katholizismus in Spanien „die religiöse Freiheit der
Protestanten auf ein nach meiner Meinung nicht mehr tragbares
Maß beschränkt, sich in andern Ländern auf die Gewissensfreiheit
beruft" (420), wird beunruhigt geschildert. „Es ist eine Tatsache
, daß sehr viele geistig hochstehende Katholiken gegenwärtig
von der sogenannten klassischen Position zutiefst unbefriedigt
sind" (420). „Fühlen wir Katholiken uns imstande, den auf
uns lastenden ungeheuren Verdacht zu zerstreuen, daß wir, wenn
wir nur könnten, Inquisition und Verfolgung wieder einführen
würden?" (421). Das Problem wird natürlich auch von Congar
nicht gelöst. Die Päpste des Syllabus werden damit verteidigt,
sie hätten pflichtgemäß die Wahrheit vor die Wahrhaftigkeit gesetzt
. „Toleranz ist nur eine Form der Leidenschaft für die Wahrheit
. Wir müssen diese Frist des Reifens, die Gott uns auferlegt,
respektieren, den Plan Gottes respektieren, der auch auf krummen
Zeilen gerade schreibt" (426).

Quer durch alle Ausführungen hindurch geht das Bestreben,
einerseits sich den Gegenwartsfragen weit zu öffnen, andererseits
das katholische Dogma unverkürzt zu bewahren. Zum erstgenannten
Anliegen bedarf es hier keiner Worte mehr. Im zweiten
Fall gilt durchweg, daß das spezifisch Katholische mehr eder
weniger still vorausgesetzt ist und darum nicht den Vordergrund
beherrscht. Wir müssen uns mit zwei Beispielen begnügen. Das
Laienapostolat mag noch so hoch stehen, das hierarchische Amt
überragt es weit. Seine Charismen und die persönliche Heiligkeit
der Priester werden nicht vergessen, die übertragenen Weihegewalten
aber erst recht nicht, wenn auch wie entschuldigend
gesagt wird: „Im Kampf gegen die verschiedenen Häresien und
gegen den Protestantismus gelangte man dazu, sehr stark die
Autorität und die Gewalten der Kirche zu betonen" (16). - Im
Beitrag „Die zwei Formen des Lebensbrotes in Evangelium (des
Johannes) und Tradition" - gemeint ist der Genuß der Eucharistie
durch Glauben und durch Essen der Abendmahlselemcnte -
findet sich recht temperamentvolle Polemik gegen die Reformatoren
. Trotz CA V, AS III, 8 und anderer authentischer Dokumente
hätten die Reformatoren nur das Gnadenmittel des Wortes
anerkannt. Solum verbum est vehiculum gratiae (Luther im
Kommentar zum Galaterbrief). Wie nahe kommt im Grunde
Congar der gleichen Position! Er warnt vor dem Vergessen, „daß
das Wort und der Glaube absolut grundlegend sind
und wesentlich zum Sakrament als solchem gehören" (134). Worauf
es hier ankommt und von woher Luther zu verstehen ist,
haben wir durch Unterstreichung hervorgehoben. Wenn Congar
unmittelbar vorher die Frage stellt, ob das Sakrament etwas
herbeibrächte, das noch zu Wort und Glauben hinzukomme, um
selbstverständlich bejahend zu antworten, so hätte er nicht nur
Asmussen, Newbigin und Leenhardt auf seiner Seite haben können
, sondern auch Luther. Allerdings: von Congars letzter Anschauung
über die Kraft des Sakramentes ist Luther geschieden.
Die sakramentale Gemeinschaft der Kirche „baut sich auf, indem
sie die von Christus ihr verliehene amtliche Gewalt über die
Sakramente ausübt" (137). Sie ist damit „Gemeinschaft in der
Glorie" (136). Das ist wohl deutlich. Wir führten die Äußerungen
an, weil uns auch heute an der klaren Erkenntnis liegen muß,
daß die römische Kirche wie ihr prominenter Vertreter Congar
vielen modernen Stimmungen und Forderungen entgegenkommen
kann, daß aber ihre dogmatischen Grundpositionen völlig
indiskutabel sind.

Rostock Gottfried H o I t z

A1 v e a r , Enrique: El celibato sacerdotal (Teologia y Vida 8,1967
S. 16-25).

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 1