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Ausgabe:

1968

Spalte:

942-944

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Wendebourg, Ernst-Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Christusgemeinde und ihr Herr 1968

Rezensent:

Konrad, J. F.

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 12

s'n" (68). Das Schriftverständnis der BS gipfelt in der Bestimmung
der „central message of Holy Scripturc" (69-80), daß
"ümlich „all men, condemned by God's law on aecount of their sin,
are justified by God's gracc for Christ's sake through faith" (69).
Demgemäß wird auf dem bestimmenden Hintergrund der „Law-
C-ospel message of Scripture" (69-73) die „ccntrality of justification
in Holy Scripture" (73-79) dargestellt.

Aus dem dargelegten Verständnis der Schrift in ihrer vierfachen
„unity" (83: „unity of message", nämlich „the divine Law
and Gospcl"; „unity of content", nämlich „justification by gracc
for Christ's sake through faith"; „unity in the funetion", nämlich
~unto salvation"; „unity of divine authorship") ergeben sich mit
innerer Notwendigkeit die „confcssional principles of Biblical
Interpretation" (81-134), denen der zweite Teil der Untersuchung
gewidmet ist: Die Bestimmung der Schrift als „Wort" Gottes
bzw. des Wortes Gottes als „Schrift" impliziert das Lesen und
Auslegen der Schrift als eines „literary document". Diese Grund
Antwort auf die hcrmencutischc Frage bedeutet, dafj Gottes Reden
m seinem Wort nur mit Hilfe der „grammatical or literary exegesis
of the Scriplures" zu vernehmen und zu verstehen ist (83).
Die Prinzipien der somit geforderten „grammatical exegesis"
(83-97) sind zum ersten: „Derivc the Mcaning from the Text"
(84-89) - gleichermaßen gegen tcxtvcrgcwaltigcnden Katholizismus
wie textfeindlichen Enthusiasmus gerichtet -, zum zweiten:
seek the Tntended Sense of the Text" (89-96), entgegen der
''Verkommenen Theorie eines mehrfachen Schriftsinncs. Hiermit
hängt unmittelbar zusammen der hcrmencutischc Grundsatz „Let
Scripture Interpret Itsclf" (99-109) als der notwendigen Folge
der vierfach bestimmten „Einheit" der Schrift wie ihrer fundamentalen
„Klarheit" Dieser Grundsatz wird, nach dem Aufzeigen
seines „historical background" (99-101), in seiner Anwendung
auf „individual passages" der Schrift (101-105) und auf aus der
Schrift abgeleitete articlcs of faith" (105-109) vorgeführt. Zum
eigentlichen, sachlichen Zentrum der hcrmencutischcn Prinzipicn-
lc"hrc stößt die Untersuchung mit der Entfaltung der „hciw-
"eutical funetion of Law-Gospel and justification" (111-125) vor.
Hier wird ein Zweifaches festgestellt: Zwar sind Gesetz, Evangelium
und Rechtfertigungslchrc „not general hermeneutical
Principles" (111-117) im Sinn von „overarching hermeneutica'
principlcs of general applicability" (121), doch kommt ihnen für
das Verstehen der Schrift hcrmencutischc Funktion zu, nämlich
a's .clarifying passages dealing with faith and works" (117-121)
Insofern sind sie, als .central message" der Schrift (124), die
•general presuppositions for Biblical exegesis" (121-124). Abschließend
wird das Verhältnis von „testimony of the fathers and
B'blical interpretation" (127-134) dahin bestimmt, daß „all Biblical
interpretation as well as church practice must be measured by the
"orm of Holy Scripturc" (133), woraus für die BS „a grateful.
|et carcful and critical appreciation of the doctrinal continuity
°f the church" (127) folgt.

Zusammenfassend wird Notwendigkeit und Möglichkeit der
confessional Biblical interpretation today" (135-139) erörtert. Die
Auskunft des Vf.s lautet: „the confcssional impulse to continuous
R'hlical interpretation in no wise calls into guestion the validity
of the confessions as truthful Biblical exposirions . The con-
'emporary I.uthcran interpreter of the Scriptures aeeepts not
°n,V the conclusions of the Biblical exegesis that constitutes the
doefrina] content of the confessions but also the hermeneutical
''rinciples cmnloved bv the confessions in reaching their conclu-
s'ons" (130), Darum wird Relevanz und Funktion der exegetiseb-
hermeneutischen Prinzipien der BS sinngemäß dahin bestimmt:
«0 mensure the theological validity of every exegetical approach
to Scripture" (139).

Bs Untersuchung stellt eine solide, saubere und übersichtliche
Erhebung der hermeneutischen Prinzipien der BS dar und
Crrcicht insofern ihr selbstgcsefztcs Ziel. Dennoch befriedigt sie
mcht. Das liegt nicht allein daran, daß sie kaum zu neuen, originären
Einsichten kommt, vielmehr im wesentlichen den längst
*ur opinip communis gewordenen forschungsgeschichtlichcn Sta-
tus guo repetiert, sondern vor allem daran, daß sie bewußt auf
d'e Einordnung ihres Stoffes in die Geschichte der abendländischen
schriftauslcgung und -hermeneutik verzichtet. Dieser Verzicht mag
'n der Bescheidung des Vf.s begründet sein, ist aber dennoch nicht
cr'aubt, zumal das von ihm erhobene und zusammengestellte Material
hinreichend bekannt ist und es bei seiner erneuten Aufnahme
nun darauf ankommen sollte, seinen geschichtlichen Stellenwert
und seine darin gründende systematisch-theologische Bedeutung
sichtbar zu machen. Hier hätten etwa die einschlägigen Arbeiten
G. Ebclings (der im Literaturverzeichnis überraschenderweise nicht
genannt wird!) entscheidend weitergeholfen. Wesentliche Konturen
hätte auch die Beziehung der einzelnen BS auf die („Privat"-)Thcolo-
gie ihrer Verfasser bzw. Redaktoren geliefert. Schließlich führt
die gleichmäßige Heranziehung von KK/GK bis FC zur Eincbnunq
aller geschichtlichen Spannungen und Differenzen und damit zu
einer unerlaubten Schematisierung. (Oder sollte B. der Meinung
sein, daß die kirchliche Sammlung und „Kanonisierung" der BS
diese dem geschichtlichen Fluß entnimmt und ihnen ekklcsiologisch
garantierte „übergeschichtlichc" Lehreinheit verleiht?).

Einzelheiten der Darstellung mögen bis auf eine Ausnahme
unkritisiert bleiben: Ist die fundamentale hcrmencutischc Relevanz
von Gesetz/Evangelium bzw. der Rechtfertigungslchrc richtig
gesehen, wenn ihnen zwar die Funktion von „general presuppositions
for Biblical exegesis", nicht aber von „general hermeneutie
principles" zuerkannt wird? Ist diese Unterscheidung nicht sehr
künstlich, und verrät sie nicht eine unzureichende Durchklärung
dessen, was ein „hermeneutisches Prinzip" ist? (Zu H. Fagcrberg,
von dessen „Theologie der BS von 1529 bis 1537" B. hier abhängig
ist, siehe meine Einwände: ThLZ92 [19671 689f.)

Was schließlich die abschließende systematisch-theologische Konklusion
und Applikation der historisch-hermeneutischen Ergebnisse
betrifft, so wird man hier angesichts des im Ansatz ungeschichf-
lichen Verständnisses der BS und ihrer hermeneutischen Prinzipien-
lehrc wie angesichts des ebenso ungeschichtlichen Verständnisses
heute möglicher und nötiger Hermeneutik und Schriftauslegung
mit dem Vf. nicht rechten wollen und auch nicht rechten können i
Das hier implizierte Konfessionsverständnis und -bewußtscin
dürfte - leider - kaum zu erschüttern sein, hat es sich doch
selbst extra controversiam gestellt.

Münsler'We.tf. Klaus H a e n d 1 c r

Wendcbourg, Ernst-Wilhelmi Die Christusgemeinde und ihr
Herr. Eine kritische Studie zur Ekklcsiologie Karl Barths. Berlin
-Hamburg: Lutherisches Verlagshaus 1967. IV, 272 S. gr. 8°
= Arbeiten zur Geschichte und Theologie des Lutherrums, hrsg.
v. M. Keller-Hüschemenger, W. Maurer, K. H. Rcngstorf, E. Som-
mcrlath u. W. Zimmermann. 17. DM 32,- .

W.s Meinung nach darf die evangelische Theologie auf keinen
Fall hinter das von Barth verfochtene „Solus Christus" zurückfallen
; gleichwohl sieht er aber in der konsequent durchgeführten
christologischen Begründung der Kirchlichen Dogmatik ein Nega-
tivum, das er in dem Schlagwort „Christomonismus" angezeigt
findet (wie kann ..Christos Monos" etwas Negatives sein, wenn
Christus Solus" unumstößlich gelten soll?), eine Problematik, die
die evangelische Theologie s. E. veranlassen muß, „andere Wege
als Barth" zu gehen. Die Fragwürdigkeit des christologischen Ansatzes
„erstreckt sich sowohl auf das Verhältnis, in das der erste
Artikel des christlichen Glaubensbekenntnisses zum zweiten Artikel
gerät, als auch auf das Verhältnis, in das der dritte Artikel
zu diesem kommt" (8). Letzteres Verhältnis steht im Mittelpunkt
der Prüfung.

W. geht so vor, daß er zunächst die Ekklesiologie der Vcrsöh-
nungslehrc Barths in drei großen, mehrfach unterteilten Abschnitten
darlegt, kritisch prüft und dabei u. a. immer wieder auf einen
falschen Universalismus" (157) stößt (I. Die Gemeinde als die vorläufige
Darstellung der ganzen in Christus gerechtfertigten Men
schenwelt. II. Die Gemeinde als die vorläufige Darstellung der
ganzen in Christus geheiligten Menschenwelt. III. Die Gemeinde
als die, der die vorläufige Darstellung der in Christus ergangenen
Berufung der ganzen Menschenwelt anvertraut ist. S. bes.: 26f..
30ff. 35ff, 42, 97f„ lOlff, 160, 172, 174), den er dann in der Er-
wählungslchrc (187ff.) als schon voll entfaltet herausstellt, und
dessen Entwicklung er in der Ekklesiologie des Römerbriefes
(221ff.) und in der Ekklesiologie zwischen Römerbrief und Kirchlicher
Dogmatik (234ff.) abschließend beleuchtet.

Maßstab der Kritik ist durchgehend und betontermaßen die
reformatorisch-lutherischc Theologie (vgl. 12, 13, 86, 88, 89, 112,
155, 182). Nun kann man ohne kritisches Maß nicht prüfen, aber
ist es sinnvoll, nach einem Maß zu prüfen, das der zu Prüfende