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1968

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 12

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aus, daß wahre Religion einzig und allein aus der biblischen Offenbarung
stammt, zu seiner These kommt und wie er sie an Hand
der Literatur entfalten kann: Eine der drei Triebkräfte muß das
Grundmotiv der Gnosis sein; Philosophie ist es nicht, Religion
kann es nicht sein; also: Wissenschaft. Und damit ist ihm auch
gleich gegeben, daß die Gnosis nicht aus dem Judentum oder Christentum
ableitbar ist, weil diese ja wesentlich religiös sind, und
da5 sie auch nicht als philosophische Neu-Interpretation des Christentums
gelten kann. Die philosophischen wie die religiösen Züge,
die die Gnosis zwar habe, seien eben sekundär, während das
wissenschaftliche Moment fundamental sei. Unter bestimmten Bedingungen
der Umwelt entspringe aus dem Geist der Wissenschaft
stets irgendeine der vielen Formen des alten oder modernen
Gnostizismus.

Zur Demonstration seiner These führt G. seine Leser über die
Gemeinplätze des Wissens vom Hellenismus, vom Judentum, vom
Christentum allgemein (gegenüber G.s Sicht der Entwicklung des
Christentums ist die des Lukas direkt differenziert zu nennen),
und vom syrischen Christentum (hier handelt es sich um reinen
Leerlauf), um jeweils an passender Stelle die Ansichten anderer,
besonders die von Wilson, Grant, Quispel, Danielou, Harnack,
Bultmann, Jonas (die letzten drei werden übrigens von G., der
immer gleich seine Meinung hat, wie Schuljungen abgekanzelt)
zu referieren, zu kritisieren und für seine Zwecke umzumünzen.
Hinsichtlich des Ursprungsortes der klassischen Gnosis kommt er
zu dem Ergebnis bzw. bleibt er bei der Auffassung des Irenäus,
daß das Samarien (Simon Magus, Menander) gewesen sei. Es ist
klar, wie leicht G. seine These über das Grundmotiv an Apg.
8,5-25 und Iren. adv. haer. I 23, aber auch an der Art, wie Hippolyt
die Gnosis kritisiert, darlegen kann. Dabei kommt G. mit den bescheidensten
wissenschaftlichen Mitteln aus. Wie sich sein oft wiederholter
Grundsatz, dafj man die Gnosis nur erfassen könne,
wenn man alle Aspekte bedenke - was die anderen eben nicht
getan hätten -, mit seiner eigenen Eingleisigkeit und Schmalspurigkeit
verträgt, darf man nicht fragen. Er bewegt sich ja auch
fast ausschließlich in der Sphäre der in englischer Sprache zugänglichen
Literatur (in der Bibliographie ist alles englisch außer fünf
niederländischen und einem einzigen deutschen Titel) und zugleich
in großer - gelegentlich von ihm selbst empfundener - Entfernung
von den Texten der Gnosis selber (das Thomas-Evangelium sucht
er im Codex Jung [S. 173] - ähnlich wie bei ihm die römische Provinz
Syrien im Westen von Kleinasien liegt [S. 152] -; die bekannte
Formulierung Exc. ex Theod. 78,2 kennt er nur aus der
Literatur über die Gnosis (S. 181"]; in Appendix 2 gibt er eine unmögliche
Skizze des von Valentius (sie!) gelehrten Systems nach
- Zandee [S. 192-194]). Ungewöhnliche Schreibungen gibt es auch
sonst noch; z.B. Seleucid (für Seleucus) (S. 38); apoerapha (S. 47);
Sabizius (S. 63); Ahruman (S. 66); Suitonius (S. 90'); Smithais
(S. 102); DUNAMIS, XULEN, SUNDESMON (S. 1321"'); Dosethi(e)us
(S. 140.147.174); Dosethians (S. 140ff.); der Name 'Abd al Masih
gelingt nie richtig (S. 174.203); Jaldaboth (S. 193).

Berlin Hans-Martin Schenke

König, Hanns: Das organische Denken Augustins, aufgewiesen
an seiner Lehre von den natürlichen menschlichen Gemeinschaften
und an seiner Geschichtsbetrachtung. München-Paderborn-
Wien: Schöningh 1966. XIX, 165S. 8° = Abhandlgn zur Phi
losophie, Psychologie u. Soziologie der Religion, hrsg. v. J. Hasenfuß
, 13/14. Kart. DM20,-.

Der Begriff des Organismus, welcher der vorliegenden Abhandlung
eigen ist, wird von ihrem Verfasser aus der Kombination
zweier Augustin-Stellen gewonnen. Die nach Conf. XIII 2,2 im
Schöpfungswort fundierte Subsistenz alles Seienden im Gutsein
Gottes wird mit Hilfe von De CivDei V 8 verstanden als teleologische
Ordnung. Verf. findet in beiden Stellen die für seine Abhandlung
bestimmenden Begriffe Ordnung, Einheit, Ganzheit.
Klassisches Beispiel der Ordnung und Urbild der Ganzheit - so
lautet die auf S. 4 formulierte alle weiteren Aufstellungen tragende
These - sei der Organismus.

An die Wesensbestimmung des Organismus schließt sich eine
philosophische Grundlegung an, die versucht, einen metaphysischen
Zusammenhang zwischen Ontologie, Ethik und Soziallehre

aufzuzeigen. König stützt sich dabei hauptsächlich auf Texte aus
den Conf., De Trin. und DeCivDei . . Verf. kommt im Schlußkapitel
seiner Arbeit auf diesen Ausgangspunkt zurück, wenn er
S. 157 behauptet, die Anwendung des Organismusbegriffes auf
Staat und Gesellschaft gebe einen objektiven Sachverhalt wieder,
den, „daß sowohl biologischer wie sittlicher Organismus denselben
metaphysischen Ordnungsgesetzen unterliegen."

Der Versuch einer philosophischen Begründung dieses soeben
gekennzeichneten Organismusgedankens geht aus von einer dreifachen
Bestimmung der Relation Ganzes - Teil als Ganzheit -
Glied, Gattung - Exemplar, Einheit - Vielheit. Ohne deutlichen
Zusammenhang mit diesen rein logischen Bestimmungen fügt
Verf. Fortpflanzung, Entwicklung und Wachstum als für seine
Untersuchung wichtige Merkmale des Organismus hinzu.

Diese Untersuchung vollzieht sich dann so, daß nach einem Versuch
, Augustins Schöpfungslehre im Sinne der oben referierten
Begriffe und Vorstellungen zu interpretieren, zunächst zwei Kapitel
den Grundeinheiten menschlichen Zusammenlebens gewidmet
werden. Verf. unterscheidet hier eine organische Linie (Familie -
Stamm - Volk - Menschheit) und eine „struktive" (domus - urbs
- civitas - Weltstaat) im Denken Augustins. Die nächsten Kapitel
fragen nach den bewegenden Kräften im Inneren der Sozialorganismen
, um die erzielten Ergebnisse dann auf Augustins
Ekklesiologie und die Geschichtsmetaphysik der zwei civitates
anzuwenden.

Alles in allem ein Versuch, Augustin in Richtung auf eine stark
organologische, ja bisweilen geradezu vitalistisch anmutende teleologische
Metaphysik zu interpretieren. Ich will nicht verhehlen,
daß mir dieser Versuch in dem Buch von A. Mitterer, Die Entwicklungslehre
Augustins, Wien-Freiburg 1956, mit größerer philologischer
und philosophischer Überzeugungskraft unternommen
zu sein scheint.

Gegen Königs Buch erheben sich m. E. zwei Einwände, ein
historischer und ein philosophischer. Die historische Frage nach
Augustins Verhältnis zu dem spätantiken Allgemeingut in Naturphilosophie
und Staatslehre (Aristoteles - Cicero - Varro - Por-
phyrius) wird trotz des reichen, von Gilson, Marrou, Courcelles
u. a. bereitgestellten Materials allzuschnell beiseite geschoben mit
dem Hinweis auf Augustins Originalität. Unter der Nichtbeantwor-
tung der hier zu stellenden Fragen mußte auch des Vf.s Anliegen,
eine philosophische Darstellung zu liefern, leiden. Im Bereich der
Naturphilosophie kommen Augustins Gedanken der Kontingenz
und Kausalität, in dem der Staatslehre sein Voluntarismus, in dem
der Ekklesiologie und Eschatologie seine Prädestinationslehre nicht
zur Geltung.

Der philosophische Einwand scheint mir der zu sein, daß gerade
Augustins Willenslehre die organologische Soziallehre der Antike,
vor deren politischen Gefahren schon Dilthey mit berechtigtem
Nachdruck gewarnt hat, einer einschneidenden Kritik unterzogen
hat. Der Beweis, daß ein in die Richtung solcher Organologie zu-
i ückinterpretierter Augustin den für Ethik, Soziologie und Geschichtstheologie
unserer Zeit entscheidenden Schlüsselbegriff bereitstellen
könne, dürfte der vorliegenden Abhandlung nicht ge'
glückt sein. König hält Augustin gerade in dem Punkt für besonders
aktuell, in dem der große Bischof von Hippo durch einen
nicht vermittelbaren Gegensatz von der philosophischen Erfahrung
der Neuzeit getrennt ist, jener Erfahrung, die die Ordnung des
Sollens gerade als nicht identisch mit der des Seienden erkannt
hat.

Druckfehler: S. 59, 5. Zeile von unten lies laetantia statt lactantia.
S. 78, Z. 19 von oben lies concordia statt condordia.- S. 93, Anm. 57 lies
statt quur. - $. 125, 13. Zeile von unten lies ista statt itsa. - S. 133. Z. 1
Possidius statt Posidius.

Naumburg Wolfgang U 1 1 m a n n

Kannengiesser, Charles: L'heritagc d'Hilairc de Poitiers.

I. Dans l'Anciennc 1 Eglise d'Occident et dans les bibliothecru«5

medievalcs (RechSR 56, 1968, S. 435-456).
Knauber, Adolf: Das Anliegen der Schule des Origencs zu

Cäsarea (MThZ 19, 1968, S. 182-203).
Rondcau, Marie-Josephe i Une nouvellc preuve de rinfluenc

litteraire H'Eusebe de Cesaree sur Athanase: l'interpretation de

psaumes (RechSR 56, 1968, S. 385-434). .. ^

Simonis, Walter: Heilsnotwendigkeit der Kirche und Erbsünde

bei Augustinus (ThPh 43, 1968, S. 481-501).