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Ausgabe: | 1968 |
Spalte: | 903-905 |
Kategorie: | Religionswissenschaft |
Autor/Hrsg.: | Bianchi, Ugo |
Titel/Untertitel: | Le origini dello gnosticismo 1968 |
Rezensent: | Schenke, Hans-Martin |
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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 12
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5. Die Annahme eines christlichen Stadiums bei den untersuchten
Gemeinden ist m. E. nicht notwendig. Wir kennen eine ganze
Reihe synkretistischer Formen mit christlichem Einschlag, ohne daß
wir deshalb von ehemaligen Christen sprechen müssen.
6. Eine Diskussion von Einzelheiten würde zu weit führen. Es
muß aber gesagt werden, dafj in der Arbeit eine Anzahl kühner
Kombinationen vorgetragen werden, die den Spezialisten stutzig
machen (z.B.: hinter dem S.'Adi verberge sich der Heilige'Addai
alias Attis; Zarathustra sei ein ehemaliger „Feuertänzer"; die Einlesung
der Welteivorstellung in den Text Ginzä rect. p. 73 auf
S. 378 usw.). Die im ethnologischen Bereich angebrachte großzügige
Methode bewährt sich eben nicht immer in einer Hoch-
kulturzone.
Auch zur Bibliographie wäre einiges zu ergänzen-.
Es sei abschließend betont, daß der Wert der Arbeit vor allem in
der Sammlung, Ordnung und originellen Analyse des Materials aus
einem Gebiet besteht, das bisher recht stiefmütterlich von der Orientalistik
und Religionsgeschichte behandelt wurde. Es ist zu hoffen
, daß die Mühe und der Fleiß des Autors durch weitere Arbeit
in diesem Bereich belohnt wird. Sein Buch ist jedenfalls eine unumgängliche
Vorarbeit für jede weitere Beschäftigung mit den
behandelten pseudoislamischen Gemeinden; die in ihm vorgetragenen
Thesen verdienen auf alle Fälle Nachprüfung, Ergänzung
oder Korrektur.
Leipzig Kurt Rudolph
2) Th. Bois, Les Yezides, in: al-Masriq 55, 1961, S. 109f£. 190ff.; V. A. Gord-
levskij, Izbrannye socinenija (Ausgewählte Aufsätze) Bd. 1, Moskau 1960, S. 321
bis 491; Bd. 2, Moskau 1963 über die Kysylbasch in historischer und phänomenologischer
Sicht.
Die bibliographischen Angaben sind übrigens, wie vielfach üblich, nicht den
Vorschriften entsprechend angegeben (Verf., Titel, Ort u. Jahr, Reihe!)
B i a n c h i, Ugo [Ed.]: Le origini dello gnosticismo. Colloquio di
Messina 13-18. Aprile 1966. Testi e discussioni. Leiden; Brill
1967. XXXII, 804 S., 1 Taf. gr. 8°. Lw. hfl. 38,-.
Man muß es wohl als ein Zeichen der Zeit ansehen, daß jemand
nicht nur auf die Idee kam, eine internationale Tagung speziell
über Fragen der Gnosis zu organisieren, sondern diese Idee auch
eindrucksvoll und mit großem Gewinn (an dem jetzt gedruckt vorliegenden
Tagungsbericht leicht ablesbar) verwirklichen konnte.
Dieser „jemand" ist Ugo Bianchi, Inhaber des Lehrstuhls für Religionsgeschichte
an der Universität Messina. Er hat mit der Vorbereitung
und der (äußeren wie inneren) Ausrichtung dieser Tagung
seinen Verdiensten um die Gnosisforschung ein ganz bedeutendes
hinzugefügt. Schon die Vorbereitung war beispielhaft organisiert
. Die Themen waren sinnvoll entsprechend den Arbeitsgebieten
der Geladenen verteilt worden; diese hatten die betreffenden
Beiträge vorher an den Tagungsort gesandt; dort waren
sie vervielfältigt und dann jeweils allen Beteiligten zugeschickt
worden. Die Zahl der Teilnehmer an dieser Tagung, die übrigens
von der International Association for the History of Religions
und der Societä italiana di storia delle religioni mitgetragen
wurde, betrug 69 (ihre Liste auf S. XI-XIV). Von ihnen waren 43
(s. das Programm auf S. XVI-XVIII) mit einem Beitrag beteiligt,
abgesehen von dem einleitenden Referat B.s („Le Probleme des
origines du Gnosticisme" S. 1-27), dem Eröffnungsvortrag G. Wi-
dengrens („Les origines du Gnosticisme et l'histoire des religions"
S. 28-60) und drei Hauptreferaten. Außerdem lagen die Beiträge
von 15 weiteren Gelehrten (ihre Liste auf S. XlVf bzw. XIX), die
nicht persönlich anwesend sein konnten, den zur Tagung Versammelten
vor. Von diesen insgesamt 63 Tagungsbeiträgen sind
49 nebst vier Nachträgen in den vorliegenden Tagungsakten veröffentlicht
.
Einen Eindruck von der Spannweite der Tagung und der Aufschlüsselung
der Problematik vermittelt schon die Gliederung der
hier veröffentlichten Beiträge (die übrigens nicht der Tagungsordnung
selber entspricht). Zunächst: M. Krause („Der Stand-
der Veröffentlichung der Nag Hammadi-Texte" S. 61-89); H. Jonas
(„Delimination of the gnostic phenomenon - typological and histo-
rical" S. 90-108); A. Böhlig („Der jüdische und judenchristliche
Hintergrund in gnostischen Texten von Nag Hammadi" S. 109
bis 140); R. M. Grant („Les etres intermediaires dans le Judaisme
tardif" S. 141-157). Dann: Definizione e origini dello Gnosticismo.
Problemi e testi (S. 159-226; Beiträge von: R. Haardt, Th. P. van
Baaren, S. Arai, W. Foerster, J. H. Frickel, J. Zandee, H. I. Marrou).
Lo Gnosticismo e l'Egitto (S. 227-247; Beiträge von: C. J. Bleeker,
L. Käkosy). Lo Gnosticismo, l'Iran e la Mesopotamia (S. 249-314;
Beiträge von: A. Bausani, A. Closs, G. Gnoli, A. Adam, K. Rudolph,
H. J. W. Drijvers). Lo Gnosticismo e la Grecia (S. 315-356; Beiträge
von: E. von Ivänka, R. Crahay, P. Boyance). Lo Gnosticismo
e Filone Alessandrino (S. 357-376; Beitrag von: M.Simon). Lo
Gnosticismo e Qumrän (S. 377-410; Beiträge von: H. Ringgren, M.
Mansoor, M. Philonenko). Gnosticismo e correnti Giudaiche (S. 411
bis 426; Beitrag von: G.Jossa). Gnosticismo, Giudaismo e Cristia-
nesimo: Tipologie particolari (S. 427-507; Beiträge von: C. Colpe,
J. Danielou, S. Petrement, Y. Janssens, G. MacRae). Lo Gnosticismo
e il Cristianesimo (S. 509-579); Beiträge von: R. McL. Wilson, H. J.
Schoeps, S. Lyonnet, T. Säve-Söderbergh, K. H. Rengstorf, A. F. J.
Klijn). Problemi Mandei e Manichei; trasmissione dei testi (S. 581
bis 648; Beiträge von: K, Rudolph, F. Pericoli Ridolfini, L. J. R. Ort,
J. Ries, G. Quispel, G. R. Cardona). Gnosticismo e Buddismo. Problemi
comparativi (S. 649-687; Beiträge von: E. Conze, E.M. Mendelson,
G. Lanczkowski). Addenda et postscripta (S. 689-746; von: R. McL.
Wilson, A. Böhlig, K. Prümm, U. Bianchi („Perspectives de la rc-
cherche sur les origines du Gnosticisme" S. 716-746]). Daß der
Band mit ausführlichen Indices versehen ist (S. 747-804), wird der
Benutzer dem Herausgeber (und den Bearbeitern) ganz besonders
danken.
Die Lektüre des Bandes ist außerordentlich eindrucksvoll; schon
weil in ihm die Gnosisforschung - im Gegensatz zu dem, was ihr
vielfach nachgesagt wird - durchaus als eine Einheit erscheint,
gewissermaßen wie eine, wenn auch vielfach polyphone, Symphonie
. Das liegt natürlich zunächst einmal - um im Bild zu bleiben
- an dem Dirigenten, der mit seinen, vom eigenen vermittelnden
Standpunkt aus entworfenen und durch diplomatisches Geschick
ausgezeichneten, Zusammenfassungen der Problematik und des Erarbeiteten
das Ganze umrahmt. Denn ganz so friedlich ist die
Wirklichkeit ja nicht! Hinzu kommt ein innerer Klärungs- bzw. Ab-
schleifungsprozeß durch die Diskussionen der Tagungsteilnehmer
untereinander, deren Protokolle der Band mitenthält; weiter eine
starke Bezogenheit auf den jeweiligen Stoff und auf die als Ausgangspunkt
der Erwägungen nach Übereinkunft genommenen
gnostischen Systeme des zweiten christlichen Jahrhunderts; sowie
das Fehlen von Forschern, die eine Einwirkung der Gnosis schon
auf das NT wirklich annehmen (Wilson als der kritischste der anwesenden
in diesen Fragen Sachverständigen erwägt das immer
nur). Sonst sind die einander widerstreitenden bzw. umstrittenen
Thesen schon da (Ableitung der Gnosis aus dem Iran [Widen-
gren], aus der enttäuschten Erwartung der jüdischen Apokalyptik
[Grant], aus dem Christentum [Petrement]; die Ebioniten haben
mit Gnosis nichts zu tun [Schoeps]; das Perlenlied ist Zeugnis vorchristlicher
Gnosis (Widengren), ist legitim christlich [Quispel]),
aber treten nicht in den Vordergrund. So kann der Benutzer vom-
Ganzen her manches einzelne leicht und mit Nutzen sozusagen
„gegen den Strich" lesen. Auch die anfängliche Verblüffung über
das Thema der Tagung wie des Buches („wie kann man 804 Seiten
mit Variationen über etwas völlig Unbekanntes füllen?") legt sich
bei der Lektüre, wenn man merkt, wie es gemacht wird, d. h. wie
das Thema verstanden ist. Es geht nicht nur um den Ursprung der
Gnosis selber, sondern auch um die Negierung von Ableitungsmöglichkeiten
bzw. Verwandtschaftsbeziehungen, um die Herkunft
der einzelnen Elemente bzw. Teilkomplexe sowie um die Definition
der Gnosis, von der die Beantwortung der Ursprungsfrage
ja wesentlich mit abhängt. Und dann beschäftigen sich viele Beiträge
auch mit Fragen, die gar keinen (direkten) Bezug zum Problem
des Ursprungs haben. Auch in anderer Hinsicht sind die Beiträge
unterschiedlich: Manche sind sehr sorgfältig und gründlich
gearbeitet (z. B. die von Crahay, Boyance, Petrement), andere betonen
mehr die großen Linien. Manche konzentrieren sich auf den
betreffenden Stoff (z. B. die von Grant, Frickel, Rengstorf (solche
Einzeluntersuchungen erscheinen mir am lehrreichsten]), anderen
geht es wesentlich um die Darbietung einer These (z. B. denen von
Adam, Schoeps, Klijn, Quispel). Gelegentlich wird ein bißchen viel
fruchtlos problematisiert (Haardt, Wilson). Und nicht jeder entgeht
der Versuchung, die ganze Gnosis an (s) einem „Zwirnsfaden"
aufzuhängen, d. h. von dem behandelten Teil(chen) aus das Ganze