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1968

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gcschichte wie zur Exegese und bieten eine Fülle von Material zur
Geschichte der Passions- und Märtyrerfrömmigkeit, der Mario-
logie und des kirchlichen Amtes. Die Wirksamkeit des Papstes
Pius XI. (1922-1939) erfährt vielseitige Darstellung und Würdigung
. Den Schluß dieses Bandes bildet eine z. T. fast hymnische
Meditation über die Kirche auf ihrem Pilgerweg durch die Jahrhunderte
. Sie setzt ein mit dem Bild der Hauptstadt des messia-
nischen Reiches, wie die Propheten es schauten. Das heilige Rom,
das schon die Heiden als Königin der Welt vergöttlichten, ist irdisches
Abbild der Himmelsstadt, die das Ziel der irdischen Pilgerschaft
ist. Die Kirche ist ecclesia viatorum und selbst ecclesia
peregrina. Das kultur- und religionsgeschichtliche Erbe der Antike
ordnet sich ein und findet seine Deutung durch die biblische Über
lieferung und die Auslegung der Kirchenväter und Theologen,
wie sie Dante, auf den häufig verwiesen wird, dichterisch in der
großen, gottgeschaffenen Symphonie des Universums schaut.

Auf eine besondere Seite der biblischen Frömmigkeit und des
christlichen Gottesvcrständnisses weist der Aufsatz über die maso-
retische Lesart zu Ps 65(64),2 „Tibi silentium laus". Diese Übersetzung
setzt die hebräische Wurzel dum = schweigen voraus
, wie das bei Aquila, Hieronymus und dem Targum der Fall
ist. Die Septuaginta, der die Vulgata folgt, nimmt die Wurzel
damah in der seltenen Bedeutung geziemen an. Die exegetische
Wissenschaft neigt bald dieser, bald jener Meinung zu.
Der Verf. - und das ist methodologisch von Bedeutung für alle
Exegese - kommt zu dem Ergebnis, da5 beide Deutungen annehmbar
und sinnvoll sind, wenn auch der masoretischen durch
die Tatsache der ununterbrochenen hebräischen Tradition ein gewisser
Vorrang zukommt. Danach wäre das göttliche Schweigen
als göttlicher Urgrund der Schöpfung Hinweis auf still sich beugende
, gehorsame Ergebung des Menschen. Solches Verständnis
knüpft gewifj an theologische wie an anthropologische Aussagen
an, wobei vielleicht die antik-gnostische Terminologie auf die
Form einwirkte. Die biblischen Überlieferungen erhalten ihren
spezifisch christlich-kirchlichen Charakter im liturgischen Gebrauch
, der die gläubige Haltung zur Stille vor Gott und in Gott
bestimmt. Sie ist, wie wiederum Dante bezeugt, ein Schweigen der
Anbetung und Versenkung.

Nach dem Aufsatz über „Das Halleluja bei S. Augustin" ist dieser
Kultruf für den Kirchenvater der symbolische und typische
Ausdruck des cantico nuovo der Kirche. Bei diesem Jubelgesang
geht es nicht um verständliche Worte mit bestimmtem Sinn, etwa
um die Deutung der hebräischen Form, sondern um den Klang
dieser Silben über die Grenzen der Sprache und über alles philologische
Wissen hinaus, um den lautmalenden Ausdruck ununter-
drückbarer himmlischer Freude, die alles, was im Irdischen entgegensteht
, überwindet. So weiß die britische Missionsgeschichte
von einem Sieg des Halleluja, das die feindlichen Heiden in die
Flucht schlug. Die Zeit von der Passion bis Pfingsten wird zur
Halleluja-Zeit des Kirchenjahres, und eine besondere musikalische
Komposition, das allelujaticum melos, führt sich in die Liturgie
ein. Denn das Jubilieren ist ein Ausdruck der Freude, der die
Worte fehlen, die aber in Lauten bezeugen möchte, was innerlich
erfahren wird. Die Osterpredigt Augustins, die in italienischer
Übersetzung angefügt wird, bestätigt die im Aufsatz dargelegte
Auffassung. Die folgenden Aufsätze, die sich mit einzelnen Stük-
ken der Liturgie befassen, seien wenigstens genannt: „Intuemini!
Zur Liturgie um die Geburtsgeschichte"; „Audite Caeli! Der Gesang
des Moses im Deuteronomium und sein Gebrauch in der Liturgie";
„Das Amen in der Bibel und in der Liturgie"; „Die Verkündigung.
Die biblische Erzählung und die Festliturgie" und schließlich: „Der
Gesang des Propheten Jesaja zur Heilandsgeburt". Überall, auch
in den Aufsätzen aus anderen Gebieten, führen die wissenschaftlichen
Erkenntnisse und Untersuchungen zum Verständnis des gottesdienstlichen
Lebens der Kirche und bieten aus lebenslanger Erfahrung
in Theorie und Praxis dankenswerte Anregungen.

Giefjen Georg Bertram

D a r d e 1, Eric: De la Magie ä l'Histoire (RHPhR 47, 1967, S. 58-58).
D r o z , Eugenie: Johann Baptist Fickler, tradueteur de DUPuyher-

bault (RHPhR 47, 1967, S. 49-57).
Zeim, Martin: Probleme der Volksfrömmigkeit (Kirche im Dorf

19, 1968, S. 150-152).

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RELIGIONSWISSENSCHAFT

Müller, Klaus E.: Kulturhistorische Studien zur Genese Pseudo-
islamischer Sektengebilde in Vorderasien. Wiesbaden: Steiner
1967. XI, 414 S. m. 4 Ktn„ 7 Taf. 8° = Studien zur Kulturkundc,
begründet v. L. Frobenius, 22. DM 72,-.

Bekanntlich gibt es eine Reihe vorderorientalischer Religions-
gebilde, die man herkömmlicherweise unter die islamischen „Sek
ten' oder „Häresien" rechnet, obwohl eine nähere Betrachtung
bald darüber Aufschluß gibt, daß es mit dieser Einreihung seine
Schwierigkeiten hat. Sie bieten uns bis heute noch weithin ungelöste
Probleme und Rätsel. Die vorliegende Arbeit versucht
nun durch eine neue Fragestellung und Methode, dieser Sachlage
etwas Herr zu werden'. Der Verf. ist Vertreter der sog. kulturhistorischen
Ethnologie und Schüler von Hans Baumann. Hatte
dieser in mehreren großen Untersuchungen die Fruchtbarkeit der
kulturhistorischen Arbeitsweise (bes. im Hinblick auf Afrika) unter
Beweis gestellt, so verwendet sein Schüler diese Methode als
Schlüssel für die angedeuteten Probleme. Er hofft, durch diese
ethnologisch-kulturhistorische Betrachtung die archäologische Erforschung
des Vorderen Orients ergänzen zu können (385). Des
weiteren wird das Schwergewicht bei den Untersuchungen auf die
kultischen Praktiken gelegt, „da sich in ihnen bekanntlich Alt-
ererbtes am zähesten hält, während sich ihr theoretisch-theologischer
Überbau erfahrungsgemäß sehr viel leichter übertünchen,
auswechseln oder gar zerstören läßt". Dieser methodische Grundsatz
wird auch von der Religionswissenschaft gutgeheißen. Mit
Recht wird außerdem gegenüber einer bloßen soziologischen und
sozialpsychologischen Betrachtung die Vorrangigkeit der historisch-
vergleichenden Arbeitsweise betont (X).

Die Arbeit besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil (3-205) werden
die 8 behandelten „Sekten" monographisch vorgestellt. Es
handelt sich um die Tachtadschi oder „Alevi" in den Bergen
Westlykiens (3-9), die Kysylbasch oder „Rotköpfe" (bezog
sich einst auf die roten Turbane) im nord- und ostanatolischen
Bergland (10-34), die Ordensbruderschaft der Bcktäschi, die
aus den Kysylbasch erwachsen ist (35-51), die Nusairi im
Orontesgebiet und darüber hinaus (51-74), die nahezu unbekannte
Gemeinschaft der Samsija oder „Sonnenanbeter" in SO-Anatolien,
die in einer Zwangslage befindlich, sich im 18. Jh. der jakobi-
tischen Kirche anschlössen (73f.), die D r u s e n oder Anhänger des
Darazi in Libanon und Syrien (74-101), die A h 1 - i H a q q („Leute
der Wahrheit") in Westiran bis nach Aserbeidschan, oft fälschlich
mit den All-Uähi („Ali-Vergötterer") verwechselt (101-132), und
schließlich die J e s i d e n (Jazidl) mit einem ihrem weiten Siedlungsgebiet
von Aleppo über Mosul bis nach Armenien und Trans-
kaukasien, das ein Bindeglied zwischen den Verbreitungsgebieten
der Nusairi und Drusen, der Kysylbaschs und Tachtadschi und der
Ahl-i Haq. darstellt (132-205; den Namen „Tcufelsanbeter" tragen
sie ganz zu Unrecht!). Die Quellen für die einzelnen Darstellungen
sind in der Hauptsache (vornehmlich ältere) Reiseberichte. Eine
Auswertung der vielfach noch unerschlossenen schriftlichen Dokumente
der Sekten überläßt Verf. den „Fachorientalisten" (S. 47.95).
Eine erstaunliche Belesenheit in allen verfügbaren Berichten und
eine ausgesprochene Kombinationsgabe machen es dem Autor
möglich, nicht nur eine bisher fehlende Zusammenfassung des
Wissensstandes über die einzelnen Gemeinschaften zu bieten, sondern
auch eingebürgerte Irrtümer und falsche Angaben zu korrigieren
. Sein Bemühen, Ordnung in das oft diffuse Material zu
bringen, verdient alle Anerkennung. Besonderes Augenmerk richtet
er dabei auf die genaue Abgrenzung des Verbreitungsgebietes
der Sekten (worüber die 4 beigegebenen Karten kurz unterrichten
), ihre wirtschaftliche Grundlage (hauptsächlich Bauern) und
gesellschaftliche Gliederung. Letztere wird meist von einer religiösen
Gliederung in „Eingeweihte" und „Laien" überlagert. Die allen
diesen Gemeinschaften eigene esoterische Überlieferung in Kult
und Lehre versucht M. aus dem mitunter sehr spärlichen Material
zu erschließen, und auch hier ist man seiner ordnenden Hand sehr

') Eine kleine Vorarbeit mit ähnlicher Zielsetzung und gleichem Ergebnis lieferte
Else Krohn in den Ethnologischen Studien, hrsg. v. Fritz Krause, Bd. I. H. 4,
Halle 1931. S. 293-348 (.Vorislamisches in einigen vorderasiatischen Sekten und
Derwischorden").

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 12