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Ausgabe: | 1968 |
Spalte: | 898-899 |
Kategorie: | Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Cecchetti, Paolo Igino |
Titel/Untertitel: | Scritti 1968 |
Rezensent: | Bertram, Georg |
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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 12
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Heilswortes zukommt? Nur im Zusammenhang mit dem Neuen
Testament kann dem religiösen Vollzug heute - dieser gehört
freilich im Sinne des hermeneutischen Zirkels hinzu - jener normative
Charakter eignen, den P. ihm zuspricht. Vielleicht befinden
wir uns auch hier im Konsens mit P., aber in seiner Argumentation
tritt der Hinweis auf das Neue Testament auffällig zurück,
er scheint geradezu ersetzt zu sein durch den Hinweis auf den
religiösen Vollzug im Sinne des Glaubensbewufitseins der Kirche
(im Horizont eines Wahrheitsverständnisses, das der platonisie-
renden Züge nicht entbehrt). Von daher erklärt sich auch seine
kritische Haltung zu Luthers Konzentration auf die Heilige Schrift
(906ff.), der er vielleicht doch nicht voll gerecht geworden ist, und
seine Stellung zum Problem der Entmythologisierung (908f). Diesem
Problem dürfte die katholische Theologie, sofern sie dem
fleischgewordenen Logos gehorsame Theologie ist, kaum „krisenfester
" gegenüberstehen als die evangelische Theologie.
Ob P. Manns, wenn er P. „pathetische Flucht in die Unaussag-
barkeit"32 vorwerfen zu müssen meint, diese Seite der These P.s
im Auge hat? Freilich ist zu Manns zu sagen, daß auch die Geschichte
der Kirche als solche, ohne daß sie ständig von neuem an
der uns überlieferten apostolischen Verkündigung gemessen wird,
nicht in sich selbst jenes Kriterium bildet, nach dem wir zur Beurteilung
der Lehrdifferenzen zwischen Thomas und Luther suchen.
Allein vom Zeugnis des Neuen Testaments her kann Antwort
auf die Frage gefunden werden, ob jener bei Thomas und Luther
vorliegende Pluralismus der theologischen Aussage ein legitimer
oder ein illegitimer ist. Freilich tut sich mit diesem Hinweis der
ganze Wald von Problemen vor uns auf, den die Auslegung des
Neuen Testamentes mit sich bringt. Denn jene eine „Sache", die
unter christlichen Theologen nicht strittig sein darf, tritt uns ja-
in der Schrift keineswegs in reinem Destillat entgegen, sondern
ebenfalls bereits in „sachlich" voneinander differierenden Artikulationen
- so daß E. Käsemann die spätere Vielfalt der christlichen
Konfessionen bereits im Neuen Testament vorgebildet gesehen
hat13. Jener einen „Sache" werden wir immer nur im Prozeß
der Auslegung bzw. der „religiösen Aneignung" ansichtig, der
grundsätzlich niemals abgeschlossen ist und der sich natürlich
immer im Lichte der uns aus der Gegenwart aufgegebenen Fragen
und Einsichten vollzieht'". Aber es muß sich eben bei der Suche
nach dem Kriterium um Aneignung und Auslegung des urchristlich
-apostolischen Zeugnisses von Christus handeln. Dieser Prozeß
hat uns nun in unseren Tagen gerade auch im Blick auf die Rechtfertigung
des Sünders durch Gott Erkenntnisse zuteil werden las1
T!) P. Manns. a.a.O., 22,42.
™) E. Käsemann: Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 1960, 214ff.
3<) Zum Problem vgl. G. Ebeling: Wort Gottes und Tradition. Göttingen 1964,
bes. 91 ff.
sen, die sich als gemeinsamer Grund der sachlich differierenden
Artikulationen bei Thomas und Luther erweisen33. Er läßt freilich
auch die Frage zu, ja macht sie notwendig, ob nicht selbst dann,
wenn beide theologischen Systeme und Denkweisen letztlich in
der Schrift wurzeln, das eine von beiden der einen nicht strittigen
„Sache" der Schrift als Artikulationsweise (bei aller grundsätzlichen
Inadäquatheit) doch adäquater ist als das andere. Hier würden
wir uns für Luthers Heilstheologie entscheiden. Das bedeutet
natürlich nicht, daß Thomas als „falsch" zu qualifizieren wäre, im
Gegenteil: gerade heute haben wir erstaunlich viel Vergessenes
von ihm neu zu lernen. Und deshalb beurteilen wir ebenso wie P.
das Gegenüber von Thomas und Luther in Sachen der Rechtfertigungslehre
als legitimen Pluralismus und stimmen mit ihm in
der Überzeugung überein, daß ein Anathema zwischen beiden an
diesem Punkt nicht vertretbar erscheint.
Luther ist Anlaß zum Wandel des katholischen Selbstverständnisses
- das dürfte trotz aller Einwände das Ergebnis unserer Betrachtung
sein. Zeichen solcher Wandlung ist einmal das Abhören
der katholischen Tradition auf Probleme und Fragen, die der
nichtkatholische Gesprächspartner stellt, das zu überraschenden
Einsichten in diese katholische Tradition selbst führt. Ausdruck
dieser Wandlung ist aber vor allem die Bereitschaft, die Position
katholischer Lehrentfaltung - damals und heute - als eine neben
anderen, ebenso legitimen Entfaltungen gelten zu lassen, ja die
Bereitschaft zu der Erwägung, „ob das, was damals unkatholisch
war, es heute, nachdem die katholische Kirche und Theologie
ihrerseits weitere 450 Jahre ihrer Geschichte hinter sich haben,
immer noch sein muß"*. Indem sie selbst eine profunde und umfassende
Dokumentation solchen Wandels ist, ist die Arbeit von
Pesch von uns als eine Tat ökumenischen Pioniergeistes zu begrüßen
. Ob sie uns berechtigterweise hoffen läßt, daß selbst da noch
einmal Bewegung eintreten kann, wo die Fronten bislang unbeweglich
zu sein scheinen, kann im Augenblick nicht bündig beantwortet
werden. Hier sind ja, im Unterschied zur Rechtfertigungsfrage
, kirchenpolitische Rücksichten von viel unmittelbarerer auch
theologischer Relevanz. Diese Ungewißheit kann aber die Gewißheit
um den Raum wesentlicher Gemeinsamkeit und den Dank an
die, die uns diesen Raum erschließen halfen, nicht fraglich machen.
Vgl. den Forschungsbericht von W. Dantine: Rechtfertigung und Gottesgerechtigkeit
, in: Verkündigung und Forschung (Beihefte zu „Evangelische Theologie
*) 2/1966, 68ff. - Das Gesagte müftte u. a. dahingehend weiter verdeutlicht
werden, dafi sowohl Thomas wie Luther über das im NT ausdrücklich Gesagte hinausgegangen
sind, ohne den Boden des im NT Angelegten zu verlassen. Vgl.
U. Kühn: Die Rechtfertigungslehre des Thomas von Aquin in evangelischer Sicht,
in: U. Kühn'O. H. Pesch: Rechtfertigung im Gespräch, a.a.O., bes. 26ff.
^ Pesch: Abenteuer Lutherforschung, 425.
ALLGEMEINES
König, Kardinal Franz: Worte zur Zeit. Reden und Aufsätze,
hrsg. v. R. B a r t a. Wien-Freiburg-Basel: Herder (1968). 392 S.
8°. Lw. DM/sfr. 21,80.
Die in dem von Barta herausgegebenen Sammelband vereinigten
Reden und Aufsätze des Wiener Erzbischofs Kardinal Franz
König zeigen, wie der Präsident des Sekretariats für die Nichtgläubigen
die Impulse des II. Vatikanischen Konzils aufgenommen
hat und wie er sie selbständig verarbeitet. Aus allen Beiträgen
spricht die bange Frage, ob und wie sich die Kirche heute der
Welt verständlich machen kann. Der Kardinal bietet nicht einfach
Patentlösungen an, er weiß vielmehr: „Erneuerung bedingt Unruhe
" (S. 75). Mit dem Phänomen des Atheismus, mit den Welt-
rcligionen und mit der Wissenschaft tritt König in einen Dialog
ein, für den als Motto gelten soll: „Die Wahrheit in Freiheit suchen
" (S. 168). Es versteht sich von selbst, daß der Kardinal als
Rcligionswisscnschaftler besonders eindrucksvoll argumentiert,
habilitierte er sich doch 1946 in Wien für Altes Testament mit
besonderer Berücksichtigung der vergleichenden Religionswissenschaften
. Aber auch dort, wo er zu scelsorgerlichen und zu aktuellen
Fragen, besonders aus dem Bereich von Staat und Kirche,
Stellung nimmt, entläßt er den Leser nicht ohne Gewinn.
Neuendcttelsau Friedrich Wilh. Kan tzenbach
[Cecchetti, Paolo Igino:] Scritti di Monsignore Paolo Igino
Cecchetti. Rom: Facultas Theologica Pontificiae Universitatis
Lateranensis 1967. XXXIX, 470 S. 1 Taf. gr. 8° = Lateranum,
Nova Series, A. XXXIII, N. 1-4.
Die vorliegende Sammlung von Aufsätzen ist zum Gedächtnis
des am 17. Dezember 1964 verstorbenen Verfassers, eines der leitenden
Geistlichen der Hl. Kongregation der Seminare und Universitäten
, veröffentlicht worden. Die einleitenden Gedenkreden
und die Bibliographie geben ein Bild von der Persönlichkeit und
der literarischen Tätigkeit des Entschlafenen. Die Aufsätze repräsentieren
eine theologisch-kirchliche Arbeit, die drei Jahrzehnte
umfaßt. Sic galt vor allem der Liturgie und ihren biblischen
Grundlagen. Die biblisch-patristischen, die hagiographischen und
die historischen Arbeiten umfassen die ganze Kirchengeschichte
und enthalten zahlreiche Beobachtungen zur Textkritik und Text-