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Ausgabe:

1968

Spalte:

866-867

Kategorie:

Psychologie, Religionspsychologie

Titel/Untertitel:

Archiv für Religionspsychologie; IX. Bd. (1967) 1968

Rezensent:

Trillhaas, Wolfgang

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nicht Gott ihn aus freier Initiative zu seinem Freund und Kind
macht' (ib.).

Damit gelangen wir zu einem (wenn nicht dem) Punkt besonderen
Interesses von Schoch. Er verargt Barth aufs äußerste, daß
dieser den Christen Loyalität gegenüber kommunistischem Regiment
anrät (vgl. 187). In diesem Zusammenhang wechseln sachliche
Darstellung (z. B. 182 f., 187 f.) und grobe Ausfälle: Barth wird
zum Ignoranten gestempelt (179. 191; weil er eine andere politische
Meinung vertritt als Schoch), des „politischen Mystizismus"
geziehen und wegen „Verfinsterung" disqualifiziert (186); er soll
(jetzt auf einmal!) Apostel weltloser Innerlichkeit und Typ selbstquälerisch
-unfruchtbaren Kreisens um sich selbst sein (190), wobei
sich Schoch vor Bosheiten wie Apostrophierung von Barths
Christozentrik als Führer -Ideologie (193) nicht scheut. Aber
auch hier erscheint die Darstellung als in sich gebrochen, wenn
der Autor einerseits Barths angebliche politische Gleichgültigkeit
beruft (202 u. ö.), dann aber „die Neuformierung einer machtvollen
, revolutionär wirkenden, erneuernde Kräfte lösenden
christlichen Linken" als Barths bedeutendste Wirkung bezeichnet
(203). Schade, dafj Schoch, der das Zeug zu besserem Verständnis
der politischen Haltung Barths verrät, sich dazu nicht aufraffen
kann; und daß er, indem nun auf einmal Barths christozentrische
Theologie Führerideologie, Metaphysik (vgl. 202), quietistische
Mystik sein soll, seine eigenen affirmativen Darlegungen selber
untergräbt.

Zwiespältig wirkt noch einmal das letzte Kapitel („Aufgeworfene
Probleme"): Ist Barth der „Mose", hinter den es kein Zurück
zu den Fleischtöpfen (wie zu dem Elend?!) Ägyptens gibt (223 f.)
und der darum gerade in der heutigen theologischen Situation
mit seinem Weg und Werk mehr Gehör verdiente? Oder ist er
die „theologische Führergestalt" (225; sprich etwa: Aaron?), die
mit ihrer Nur-Theologie (221) und Systemverhaftung (223) von
Bultmann und Bonhoeffer (die erst hier zur Sprache kommen;
222) gerüttelt und geschüttelt werden muß?

Wir wissen, dafj kein Mensch sich über alle Zwielichtigkeit
erhebt (wissen es nicht zuletzt durch Barth), und es kann darum
dem Darsteller nicht verwehrt sein, auch Barth im Zwielicht
zu zeigen. Er bleibt aber dahinter zurück, indem er eine
zwielichtige Darstellung Barths bietet. Das ist
darum schade, weil Schoch immer wieder erkennen läßt, da5 ihm
eine viel homogenere Erfassung und Würdigung Barths erreichbar
ist.

Düsseldorf Jürgen Fangmeier

J ü n g e 1, Eberhard: Die Freiheit der Theologie. Vortrag für den
theologischen Ausschuß „Schrift und Verkündigung". Zürich:
EVZ-Verlag [1967], 33 S. 8° = Theologische Studien, hrsg. v.
K. Barth u. M. Geiger, 88. DM 3,50.
Eberhard Jüngel nennt in seinem Heft sowohl Karl Barth wie
Rudolf Bultmann, Gerhard Ebeling und Ernst Fuchs. Er ist allen
vier verpflichtet. Aber es wäre seiner Arbeit nicht angemessen,
wollten wir die verschiedenen theologischen Einflüsse gegeneinander
abwägen. Jüngel verdient es, selber aufmerksam gehört
zu werden, ohne Vorurteil gehört zu werden. Es ist ja ein Vortrag
im theologischen Ausschuß „Schrift und Verkündigung", den
er vorlegt. Jüngel spricht nicht als Vertreter einer theologischen
Schule oder richtiger als Vertreter einer Synthese; er spricht zur
Sache, die die evangelische Kirche und die evangelische Theologie
bewegt. Seine Ausführungen sollen von allen Gliedern der
Kirche geprüft werden, denen es um die Freiheit der Theologie
geht, um das evangelische Verständnis dieser Freiheit. Die
Thesen am Schlufj fassen den Vortrag zusammen, zeigen den Zusammenhang
der Gedanken, ersparen aber das Studium des Vortrages
nicht.

Die Freiheit der Theologie wird nicht philosophisch, sondern
aus der Sache heraus begründet, in deren Dienst die Theologie
steht. Um diese Freiheit zu verstehen, zu wahren, in ihr zu lehren,
muß verstanden werden, wem die Theologie dient: dem Ereignis
des Wortes Gottes (26). Dieses Wort ist für Jüngel bezeugt im
Alten und Neuen Testament, deren Inhalt Jesus Christus ist. „Es
wäre grenzenlose Schwärmerei, wenn man das Wort Gottes finden
zu können meint, ohne es in der Schrift zu suchen. Es wäre aber
ebenso grenzenlose Schwärmerei, wenn man die Texte der Schrift
mit Gottes Wort identifizieren zu können meinte" (9). Freilich redet

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vom Ereignis des Wortes Gottes im Namen Jesu Christi das Alte
Testament, indem es „von Jesus Christus in eindeutiger Weise
schweigt und das Neue Testament, indem es alle biblischen
Texte auf die mannigfachste und gegensätzlichste Weise von Jesus
Christus reden läfjt. Im Neuen Testament fängt auch das Alte
von Jesus Christus zu reden an" (10). Das ist sehr kurz, eben im
Rahmen eines Vortrages ausgedrückt. Der Leser wird Fragen an
den Autor stellen. Präzisierungen wünschen. Er möchte mehr wissen
über das Verhältnis der Testamente zueinander.

Mit dem eben Herausgehobenen ist nur e i n Gedanke der
kleinen Schrift genannt, ist nur eine Aufgabe bezeichnet. Es
liegt aber Jüngel an beidem: „Die Theologie wird frei kraft der
Herausforderung durch ihre Sprache" (26). Davon war bis jetzt
die Rede. „Die Theologie" - die eben gekennzeichnete, nicht eine
Religionsphilosophie - „ist frei in der Herausforderung durch
ihre Zeit" (26). Das erste hat den Vorrang; aber das zweite darf
nicht fehlen. Was gehört zur Herausforderung der Theologie durch
unsere Zeit? Darüber werden wir mit Jüngel reden müssen, und
das Gespräch kann fruchtbar und hilfreich sein.

Bern Alfred de Quervain

Buri, Fritz: Die Wirklichkeit des Glaubens (Theologische Zeitschrift
23, 1967, S. 412-432).

Co n gar, Y. M.: Bautismo, sacerdocio y vida religiosa (Teologia
y Vida 9, 1968, S. 3-9).

H e i e c k , Ludwig: Luthers Kirchenbegriff in moderner Soziologie
und Theologie (LM 6, 1967, S. 614-621).

Stählin, Wilhelm: Von der „reinen Lehre des Evangeliums"
(Quatember 32, 1967/68, S. 60-67, 114, 161-167).

PSYCHOLOGIE UND
RELIGIONSPSYCHOLOGIE

Archiv für Religionspsychologie. In Verb, mit A. Bolley, H. Dumou-
lin, A. Godin, V. Grönbaek, P. E. Johnson u. K. Thomas hrsg. v.
W. K e i 1 b a c h. IX. Bd. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
(1967). 398 S. gr. 8°. DM 40,-.

Es ist der dritte Band des Archivs seit dem Wiederbeginn der
durch den zweiten Weltkrieg abgerissenen Reihe. Die vorausgegangenen
Bände sind 1962 (VII. Band) und 1964 (VIII. Band)
erschienen. Der neue Band, wiederum von Wilhelm Keilbach vorbildlich
besorgt, bevorwortet und durch den ersten Beitrag (Tiefenpsychologie
und religiöses Erleben) eröffnet, übertrifft an Umfang
seine Vorgänger um rund hundert Seiten. Wie das Vorwort
hervorhebt, sind die Darlegungen von Seite 9 bis 303 Vorträge
und Diskussionen der vom 19. bis 21. April 1966 in Düsseldorf
abgehaltenen Arbeitstagung der Internationalen Gesellschaft für
Religionspsychologie. 23 wissenschaftliche Aufsätze sind ergänzt
durch sieben Beiträge „aus Wissen und Leben", letztere teils Ergänzungen
zu Früherem, Notizen und Ehrungen (A. Anwander zum
80. Geburtstag, Fr. Heiler in memoriam). Es folgen annähernd
40 Seiten recht gut informierende Buchbesprechungen, ein Mitarbeiterverzeichnis
(28 Namen) und ein Personenregister. Die Beiträger
gehören zehn Ländern an, drei Artikel sind in französischer
Sprache geschrieben.

Begreiflicherweise kommt bei der Mannigfaltigkeit der Autoren
und bei der großen Verschiedenheit der Thematik kein einheitlicher
Charakter des Archivbandes zustande. Ich halte das gegenüber
den in vergleichbaren Fällen oft versuchten Konzentrationen
auf ein einheitliches Thema für einen Vorzug; denn auf diese Weise
ergibt sich eine offenere Information über die tatsächlichen Richtungen
der Arbeit und die Vorgänge in einem Fach. So versuche
ich auch hier nur einige der sichtbar werdenden Tendenzen herauszuheben
. Vom ersten Aufsatz an zeigen sich starke Wirkungen der
Psychoanalyse auch dort, wo man es zunächst dem Titel nach gar
nicht vermuten möchte (z. B. bei H. Sunden über Bedingungen
religiöser Erfahrung). In gewissem Sinne gehört J. H. Schultz mit
seinem Beitrag über Frömmigkeit und Neurose hierher. Interessant
ist, daß sich das Interesse an der Psychoanalyse mit pastoralen bzw.
pastoralpsychologischen Interessen verbunden findet, was in dem
besonnenen Vortrag von Fervers über Psychoanalyse und Beichte

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 11