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Ausgabe:

1968

Spalte:

862-863

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schmucker, Josef

Titel/Untertitel:

Die primären Quellen des Gottesglaubens 1968

Rezensent:

Fritzsche, Hans-Georg

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gegenüber der Annahme der Abhängigkeit von der offiziellen
Theologie dabei leicht zu kurz.

Im Unterschied zu dem noch immer grundlegenden Buch von
Carl Maria Kaufmann (Handbuch der christlichen Archäologie3,
Paderborn 1922), dem daran lag, eine systematische Gesamtdarstellung
aller Gattungen altchristlichen Kunstschaffens zu bieten
und so die Grundlage für weiterführende Arbeiten zu schaffen,
betrachtet Sauser mehr die altchristliche Kunst unter einem bestimmten
Aspekt, daß nämlich sämtliche Werke der altchristlichen
Kunst Symbol oder Glaubensaussagen seien. Bei allen wertvollen
Erkenntnissen, die durch diese eingeschränkte Schau gewonnen
werden, bietet sie doch auch eine Gefahr. Zunächst gibt es in der
altchristlichen Kunst auch viele rein illustrativ intendierte Darstellungen
, die in narrativer Breite die Bibel illustrieren wie etwa
die Langhausmosaiken von S. Maria Maggiore in Rom oder die
Wiener Genesis. Sodann merkt man bei der Sauserschen Darstellung
leider oft den Zwang, unter allen Umständen die Kunstwerke
in das ersonnene Schema einzuordnen. Ich denke etwa an den
Begriff der Ekklesia, der oft an Stellen eingeführt wird, wo das
Kunstwerk dazu keine Veranlassung gibt. Auch wenn er in der
frühen Orante ein Bild Christi und seiner Erhöhung durch den
Vater sieht, scheint er mit dieser Interpretation zu weit zu gehen.
Ebenso sind die alttestamentlichen Darstellungen zur Untermauerung
des Themas in zu weitgehendem Maße typologisch behandelt
worden. Bei der Betrachtung der altchristlichen Architektur
herrscht ebenfalls die Tendenz einer zu einseitigen Sicht, die
den Gegebenheiten nicht ganz Rechnung trägt. Trotz dieser Einschränkungen
ist das Buch mit seiner starken Berücksichtigung
der Kirchenväter wegweisend für die Zukunft.

Marburg/Lahn Heinrich L a a g

RELIGIÖSE VOLKSKUNDE

Wittmann, Anneliese: Kosmas und Damian. Kultausbreitung
und Volksdevotion, mit einem Geleitwort v. M.Hain. Berlin:
Erich Schmidt [1967). 344 S. m. 42 Abb. u. 2 Ktn. im Text,
18 Taf. dav. 1 färb. gr. 8°. Lw. DM 49,-.
In einem ersten Teil werden wir über die Ausbreitung des
Kultes, der dem Brüderpaar widerfuhr, unterrichtet. Eine kritische
Durchmusterung der Legenden läßt Syrien als Heimat der beiden
und als Ursprungsland der Verehrung annehmen (so auch RGG,
3. Aufl. IV, Sp. 26). In der alten Welt wurden Konstantinopel,
Sizilien und Rom - dort Erwähnung der Brüder im Meßkanon
seit dem 4. Jahrhundert - Zentren der Verehrung, die dann von
den Benediktinern mannigfach gefördert wurde. Im Deutschland
vor den Kreuzzügen waren Aachen, Essen und Bremen die Hauptorte
. Ein Vollständigkeit erstrebendes Verzeichnis der Kultstätten
in Deutschland und den angrenzenden Ländern füllt 36 Seiten. -
Der zweite Teil untersucht die Zeugnisse der Verehrung: in der
hohen Kunst und im kleinen Andachtsbild, im Patronat der Ärzte,
Zünfte und Bruderschaften, im geistlichen Schauspiel bis zur
Barockzeit und in den Wallfahrten. Mit dem Thema des Schauspiels
hatte sich die Verfasserin schon einmal beschäftigt (Kosmas
und Damian im Jesuitendrama des deutschen Sprachraumes; in
Sudhoffs Archiv f. Gesch. d. Medizin u. Naturw. 41, 1957, S. 223
bis 243). - Der letzte Teil ist der Verehrung in Süddeutschland
bis zur Gegenwart gewidmet. An die Stelle der Benediktiner sind
die Jesuiten getreten. Die großen Mittelpunkte wurden München
und Kaufbeuren.

Mit bewundernswertem Fleiß werden den Quellen, auch den
entlegenen und wunderlichen, die Einzelzüge eines grofien Gesamtbildes
abgewonnen. Wir werden räumlich von der koptischen
Kirche über das ganze Abendland nach Rußland geführt. Die Verwandtschaft
mit Mythos und Kult des Asklepios wie der Dios-
kuren wird erörtert. Berichte über Wunderheilungen, Inkubationsschlaf
, Wallfahrten, Prozessionen ohne und mit Tanz („eine Art
Tarantella", S. 36), Geldopfer vor den Kultfiguren, Entartungen
bis zu Schwank und Rummel: nichts fehlt, und vieles wird breit
entfaltet, so daß ein farbenfrohes, plastisches Bild einer volkstümlichen
Heiligenverehrung entstehen kann, die im Laufe der
Jahrhunderte wechselnde Züge annahm und bis zur Gegenwart
weithin verkümmerte.

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Besonders hervorgehoben mag werden:

1. Es sind Entgleisungen vorgekommen, die von Aufklärern
angeprangert und daraufhin zum Teil abgestellt wurden. Lord
Hamilton, 1781 englischer Gesandter in Neapel, deckte auf, daß
in der Wallfahrt von Isernia unweit Neapel in einer riesigen
Volksmenge Wachsmotive in Phallusform verkauft wurden, wohl
als Erben eines alten Fruchtbarkeitsbrauches. Trotz ergangener Verbote
sollen in Italien noch 1906 Gebildbrote in Phallusform feilgeboten
worden sein.

2. Die Jesuiten haben bis zum Ordensverbot den Kult glanzvoll
erneuert. Wir werden besonders mit ihren Dramen über die
Brüderlegende bekannt gemacht, die von Schülern aufgeführt wurden
und die in die Gegenreformation wirkungsvoll eingriffen. Die
Ausführungen daneben zum Schul- und Kirchentheater der Zeit,
sowohl bei Protestanten wie Katholiken, werfen Schlaglichter auf
ein meist unbekanntes Kapitel der Kirchengeschichte.

3. Die Gebeine der Heiligen, die als kostbarer Reliquienschatz
im Dom zu Bremen ruhten und die Kämpfe der Reformationszeit
wie des Dreißigjährigen Krieges überdauert hatten, gingen für
2000 Reichstaler, die der Kurfürst Maximilian bezahlte, an die
Jesuitenkirche in München. Die Translation, die auch in einer Bildwiedergabe
erscheint, ist der des heiligen Benno von Meißen,
ebenfalls nach München, an Bedeutung gleichwertig.

4. Der bis in unser Jahrhundert nachwirkende Kult in Kaufbeuren
im Allgäu ist schon deswegen bemerkenswert, weil er mit
der Geschichte der Gegenreformation eng verquickt ist. Interessanter
aber wird sein, daß den alten Heiligen in Crescentia Höß,
einer Tochter der Stadt und einer ekstatischen Nonne im dortigen
Franziskanerkloster, die Konkurrentin erstanden ist. „Bald nach
ihrem Tode 1744 kamen Pilger aus ganz Europa an ihr Grab"
(S. 239). Der einst so blühende Kult des Brüderpaares wurde in
ein Schattendasein verdrängt. Dabei ist Crescentia bis heute nicht
heilig, sondern 1900 nur selig gesprochen. „Die Entwicklung der
Crescentiaverehrung in Kaufbeuren ist von volkskundlicher Seite
noch kaum untersucht worden, obwohl sie die Volksfrömmigkeit
nachhaltig beeinflußt hat. Sie war neben der zu gleicher Zeit einsetzenden
Wallfahrtsbewegung zur ,Gnadenblum' in der Wies
wahrscheinlich die bedeutendste religiöse Bewegung in Süddeutschland
" (S. 240).

Denjenigen, der das von A. Wittmann dargebotene Bild in
dem größeren Rahmen sehen möchte, verweisen wir auf den materialreichen
Beitrag von Matthias Zender, Volkstümliche Heiligenverehrung
, im Atlas zur deutschen Volkskunde, Neue Folge, Erläuterungen
, Bd. I, S. 153-232. Auf Seite 201 sind nicht nur Kosmas
und Damian, sondern auch Crescentia erwähnt. Johannes
Leipoldt, Von Epidauros bis Lourdes, 1957, hat das heilige Brüderpaar
nicht einmal genannt, ein Mangel des sonst so wertvollen
Buches.

Rostock Gottfried H o 1 t z

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Schmucker, Josef: Die primären Quellen des Gottesglaubens.

Freiburg-Basel-Wien: Herder [1967]. 232 S. 8° = Quaestiones
Disputatae, hrsg. v. K. Rahner u. H. Schlier, 34.
Dieses Buch unternimmt den Versuch, auf intellektuellem Wege
zur Erkenntnis des Daseins Gottes zu führen, und zwar durch
einen „Schluß von der Kontingenz unseres Selbstseins auf ein
personales Absolutes" (219), ein Schluß, der als naturhafte Anlage
in jedem Menschen verwurzelt sei, aber „durch die religiöse Botschaft
realisiert" werde. Dies in Anlehnung an Kants sogenannten
moralischen Gottesbeweis, an dem vor allem die Tendenz bejaht
wird, vom sittlichen Verpflichtungsbewußtsein aus auf einen personalen
Richter zu lenken. Aber daß ich gar nicht Person sein
könnte, wenn nicht ein personales Absolutes Grund meines Selbstseins
wäre, ist der eigentliche „Weg" Schmuckers, unterstützt von
dem alten scholastischen Argument (ex gradibus), daß es Stufen
des Seins mit dem Personalen als oberster Stufe gibt.

Diese Konzeption bringt den Verfasser in interessanter Weise
zwischen die Fronten von traditionell-katholischer Gottes-
beweistheologie und protestantischer Ablehnung jeglichen Beweisbemühens
, nähert ihn hierbei fast paradoxerweise der modernen

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 11