Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1968 |
Spalte: | 857-858 |
Kategorie: | Ökumenik, Konfessionskunde |
Autor/Hrsg.: | Döpmann, Hans-Dieter |
Titel/Untertitel: | Der Einfluß der Kirche auf die moskowitische Staatsidee 1968 |
Rezensent: | Freydank, Dietrich |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
857
Bornkamm, Heinrich: Die Reformation und ihr Auftrag heute.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1968]. 23 S. 8° = Bens-
heimer Hefte, hrsg. v. Evang. Bund, 38. DM 1,50.
Post, Regnerus R.: Nochmals Erasmus' Geburtsjahr (ThZ 22, 1966,
S. 319-333).
Schmidt-Clausing, Fritz: Zwingiis Humor. Frankfurt/M.:
Lembeck 1968. 48 S. kl. 8°.
W i s 1 0 f f , Carl Fr.: Udopte barns skjebne (Tidsskrift for teologi
og kirke 39, 1968, S. 9-35).
KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE
Döpmann, Hans-Dieter: Der Einfluß der Kirche auf die mosko-
witische Staatsidee. Staats- und Gesellschaftsdenken bei Josif
Volockij, Nil Sorskij und Vassian Patrikeev. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
(1967). 203 S. gr. 8° = Quellen u. Untersuchungen
z. Konfessionskunde der Orthodoxie, hrsg. v. K. Onasch. Kart.
M 15,80.
Es geht in dem Buch um die Entwicklung der Theorie des
theokratischen Absolutismus in Rußland im 15. bis 16. Jahrhundert.
Als Ergänzung zu sowjetischen Arbeiten will der Autor den Anteil
der Kirche und der theologischen Literatur an der Entstehung
dieser Lehre herausarbeiten. Der Akzent liegt dabei auf den Werken
Josif Volockijs (1439-1515). Die Entwicklung von Josifs Staatsideologie
verfolgt der Verfasser unter ständiger Berücksichtigung
der politischen und kirchengeschichtlichen Vorgänge. So ist sein
Buch nicht nur die erste größere Arbeit in deutscher Sprache über
Iosif Volockijs Schaffen, sondern gleichzeitig ein Überblick über
die russische Geschichte der Zeit.
Der Verfasser kommt zu dem Schluß: »Josif ist niemals von
staatspolitischen Erkenntnissen, sondern einzig von den Erfordernissen
der russischen Kirche ausgegangen" (S. 134), sein oberstes
Ziel war „Schutz und Festigung der russischen Kirche" (S. 69).
Iosifs kirchenpolitische Bestrebungen (die schonungslose Bekämpfung
der Ketzer und die Verteidigung des Klosterbesitzes gegen
Säkularisierungstedenzen) zwangen ihn, sich von der Bindung an
den für ihn zuständigen Teilfürsten zu lösen und sich mit dem
Großfürsten zu arrangieren, der allein in der Lage war, Iosifs
Ziele durchzusetzen (S. 135). Iosif ideologisierte dabei seine politische
Haltung in der Lehre vom theokratischen Absolutismus.
.Es war eines der Grundanliegen der Josefiten, nach dem Vorbild
des byzantinischen Symphonia-Begriffs im Moskauer Staat eine
Gesellschaftsordnung zu errichten, in der die politische und die
religiöse Sphäre zusammenflössen und in der Gestalt des Zaren
und des Metropoliten eine Art Doppelhaupt geschaffen wurde, das
sich der gemeinsamen Ausführung des göttlichen Heilswillens zum
Wohle der Menschen in seiner Ganzheit, an Leib und Seele, widmete
" (S. 160). Diese enge Bindung der Kirche an den Staat wurde
entscheidend für das Schicksal der russischen Orthodoxie (S. 161
bis 164).
Es ist dem Buch nicht bekommen, daß der Verfasser dieses
Thema in einen zu weiten historischen Rahmen gesetzt hat. Der
Bogen reicht von Konstantin dem Großen (S. 11-15) bis 1958
(S. 164). Solche weiten Horizonte und Synthesen sind bestechend,
aber gefährlich, da sie perspektivisch raffen, wo zunächst einmal
Kleinarbeit am Platze wäre. Man kann nicht über d i e Moskauer
Staatsidee sprechen, ohne die ideologische Diskussion des späteren
16. Jahrhunderts zu berücksichtigen (Maxim Grek, Peresvetov,
Kurbskij, vor allem aber Ivan IV. und die offizielle Literatur
seiner Zeit). - Es war ungünstig, zum Ausgangspunkt eine Konfrontation
der Lehre Iosifs mit den Ansichten Nil Sorskijs und
Vassian Patrikeevs zu wählen (s. Untertitel), denn der Verfasser
sagt selbst, daß weder Nil noch Vassian eine Staatsideologie entwickelt
haben. In dieser Themenstellung spiegelt sich noch die
Auffassung wider, daß die russische Publizistik des 15. und
16. Jahrhunderts geprägt ist von der Auseinandersetzung der Schulen
Iosifs und Nils, was aber nach den sowjetischen Forschungen
der letzten Jahre überholt ist. - Nachdem Lure den ersten Schritt
zur Auflösung der Vorstellung von der inneren Geschlossenheit
und grundsätzlichen Gegensätzlichkeit der beiden Schulen getan
hat, sollte man vorsichtiger mit der Bezeichnung „josefitisch" sein.
Es ist sicher nicht richtig, das Aufgreifen des Symphonia-Begriffs
als typisch josefitisch zu charakterisieren (S. 135 und 160). Diese
858
Vorstellung findet sich auch bei Maxim Grek, latent auch bei
Kurbskij, einem erklärten Gegner der Josefiten. - Kaum gestreift
(S. 43 f.) ist die wichtige Frage nach Iosifs Verhältnis zur Tradition
, seiner Auswahl aus der byzantinischen Überlieferung. Zitate
sind nicht nachgewiesen, so daß das Verhältnis von übernommenem
und eigenem Gedankengut nicht sichtbar wird. So bezeichnet
der Verfasser eine wichtige Stelle zweimal (S. 97 und 148) als Prägung
Iosifs, obwohl Iosif die Stelle selbst als Zitat kennzeichnet1. -
Sehr nützlich ist die Übersetzung einiger wichtiger Sendschreiben
Iosifs (S. 167-192). Auch hier fehlen leider alle Zitatnachweise.
Der Verfasser hat im wesentlichen mit den herkömmlichen
philologischen Methoden und Hilfsmitteln gearbeitet. Was der
Philologe nun vom Theologen erwartet, ist das, was er selbst nicht
leisten kann - eine Aufarbeitung der Theologie Iosifs, wie es
F. v. Lilienfeld für Nil Sorskij getan hat.
Halle/Saale Dietrich Freydank
1 N. A. Kazakova - Ja. S. Lure, Antifeodal'nye ereticeskie dvizenija na Rusi XIV
-- nacala XVI veka, Moskva-Leningrad 1955, S. 492 f.
S v e n s k t kyrkoliv i Finland, 46. Jhrg. (Julbok för Borgä stift).
Helsingfors: Förbundet för svenskt församlingsarbete i Finland
r. f. [1967]. 160 S. m. zahlr. Abb. 8°.
Der Aufmarsch der Frauen zu der Kirche, diesmal der Theologinnen
und Organistinnen, spiegelt sich in diesem Jahrbuch wider:
von 21 Aufsätzen sind 9 von Frauen geschrieben, und zwar recht
gewichtige. Inga Flodins Einsatz „Eva im Heiligtum" betrachtet
die weiblichen Gestalten im Alten und Neuen Testament und zeigt
Jesu „revolutionäre Sicht" aus Joh. 4, 1-30. - Ausgezeichnet Astrid
Paetau „Susanna am Ratstisch": Frauen können verhindern, daß
die Kirche einer „bürokratischen Diktatur" verfällt; dazu neun
praktische Vorschläge.
Finnland war 1905 das erste Land mit politischem Frauenstimmrecht
. Langsam ist die Kirche nachgefolgt.
Wer ist arm in Finnland? Seit zehn Jahren etwa ist „arm", wer
kein Telefon, Radio, Fernsehgerät, keinen Kühlschrank, kein Auto
und Wochenend- oder Sommerhaus hat; das haben sonst „alle".
Aber unterhalb dieser Schicht leben die Politurleute, die Politur
als Schnaps trinken und für die Obdach in Kirchenkrypten und
eignen Häusern beschafft werden muß.
Die Fünftagewoche wird auch auf die Schulen ausgedehnt. Die
Arbeitswoche hat 40 Stunden. Autokolonnen und Bootflotillen
ziehen zum Wochenende an Seen und Wälder. Wer geht sonntags
zur Kirche? „Kann eine größere Revolution in den Arbeitsbedingungen
der Kirche eintreffen? Die Leute von morgen haben ihr
Zentrum in der Freizeit! Unsere Gemeindebehörden und die meisten
Geistlichen leben noch in etwas, das es nicht mehr gibt."
Zwei technische Neuheiten: 1. eine Sprechzeitung für Blinde
erscheint einmal vierteljährlich als Magnetophonband von zwei
Stunden mit Auszügen aus dem schwedischen Gemeindeblatt, und
2. „Das Wort des Tages", eine Telefonandacht von drei Minuten,
die auf Nr. 051 zu jeder Tages- und Nachtzeit gewählt werden
kann. Vom Oktober bis Jahresschluß 1967 sind 15 350 Gespräche
geführt worden.
Die reiche theologische Literatur der theologischen Fakultät
der Schwedischen Akademie in Abo enthält im Berichtsjahr auch
eine deutsche Arbeit: Bill Widen, Bekehrung und Erziehung bei
August Hermann Francke, in Acta academ. Aboensis.
Leipzig Friedrich O s t a r h i I d
Behr-Sigel, Elisabeth: Die russischen Starzen (Concilium 4,
1968, S. 516-526).
Berkouwer, Gerrit Cornelis: Das Konzil und die neue katholische
Theologie, übers, v. S. Solle. München: Kaiser 1968. 324 S.
8°. Kart. DM 23,-; Lw. DM 26,50.
(s. Bespr. in ThLZ 91, 1966, Sp. 774)
D u p u y , B.-D.: Doctrine et pratique de l'eucharistie dans l'Eglise
catholique contemporaine (Verbum Caro 22, 1968, S. 48-63).
H a m b y e , Francis, und Francois Houtart: Politisch soziale
Implikationen des Zweiten Vatikanums (Concilium 4, 1968,
S. 443-449).
H a m p e , Johann Christoph: Das niederländische Pastoralkonzil
(StZ 181, 93. Jg. 1968, S. 177-195).
K 1 i n g e r , Jerzy: Über das Wesen der Orthodoxie (Poln. Ökum.
Rundschau III/IV, 1966, S. 7-20).
Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 11