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Ausgabe:

1968

Spalte:

852-853

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Wetter, Friedrich

Titel/Untertitel:

Die Trinitätslehre des Johannes Duns Scotus 1968

Rezensent:

Junghans, Helmar

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einer Aussage als das, daß Erasmus seine Orthodoxie und Kirchentreue
unter Beweis stellen wollte, kennt der Verfasser nicht, und
wenn Zweifel auftauchen, welches denn die eigentliche Meinung
des Humanisten gewesen sei, die frühe Kirchenkritik oder die
späte Rechtgläubigkeit, so wird einem vorgerechnet, wie wenig
Seiten doch das „Encomium Moriae" fülle im Vergleich zu dem
Ecclesiastes von 1535!

Das lebendige Individuum Erasmus von Rotterdam ist in diesem
Buch so gut wie nirgends anwesend, und man meint, die
großen Erasmusforscher wie Mestwerdt, Pfeiffer und Huizinga
hätten nichts geschrieben. Wie gesagt: Ich teile mit dem Verfasser
die Meinung, daß Erasmus letzten Endes als kirchentreuer Katholik
verstanden werden kann und muß. Ein orthodoxer Dogmatiker
von tridentinischem Zuschnitt allerdings war er nicht, und es besteht
wohl Grund zu der Annahme, daß er vor dem Mann, der in
diesem Buch gezeichnet ist, von Löwen nach Basel geflohen wäre.

Güttingen Bernd M o e 1 1 e r

Friedberger, Walter: Der Reichtumserwerb im Urteil des
Hl. Thomas von Aquin und der Theologen im Zeitalter des Frühkapitalismus
. Passau: Verlag Passavia 1967. 240 S. gr. 8°.

Die vorliegende Untersuchung zur katholischen Sozialethik des
15. und 16. Jahrhunderts wurde bereits 1965 von der theologischen
Fakultät der Universität München als Dissertation angenommen.
In ihr geht es dem Verfasser darum, Klarheit darüber zu gewinnen
, welcher Beurteilung der Reichtumserwerb seitens der katholischen
Sozialtheologie in der Zeit des Frühkapitalismus (Mitte des
15. bis zum 16. Jahrhundert) unterzogen worden ist, welche Wandlungen
sich überhaupt in dieser Beziehung in der Sozialtheologie
vom Hochmittelalter bis in die Spätscholastik hinein vollziehen
und welche Wirkungen die katholische Wirtschaftsethik auf die
sozialen Verhältnisse innerhalb des untersuchten Zeitraums ausgeübt
hat.

Es gelingt dem Verfasser dank eines sorgfältigen Quellenstudiums
, die Wechselbeziehungen zwischen den historischen Veränderungen
in der Wirtschaftsstruktur und dem auf die darin
auftauchende ethische Problematik reflektierenden theologischen
Denken sichtbar zu machen. Bereits 1948 war ja von dem englischen
Historiker R. H. Tawney („Religion und Frühkapitalismus")
die Forderung ausgesprochen worden, Max Webers Fragestellung
zu erweitern. Das heißt, es sollte nicht mehr nur, gewissermaßen
einbahnig, die Frage untersucht werden, welche Wirkungen von
der Religion auf die Wirtschaft ausgegangen seien. Vielmehr müsse
auch in den methodischen Ansatz die Frage mit aufgenommen
werden, welche Wirkungen von der Wirtschaft auf das religiöse
Gedankengut ausgegangen und welche Folgerungen aus einer solchen
Wechselwirkung in bezug auf die sozialethische Relevanz
des christlichen Glaubens dann gezogen worden seien. Der Verfasser
kommt dieser neuen Fragestellung nach. Er kann auf diese
Weise kenntlich machen, wie zwar einerseits die Kontinuität mit
Thomas von Aquin bewahrt wird, andererseits aber auch neue
Positionen ausgebildet werden. Sie haben es der katholischen
Kirche möglich gemacht, wenigstens für eine gewisse Zeit ihren
Einfluß auf Gewerbe, Waren- und Geldhandel geltend zu machen.
Auch eine spezifische Affinität dieser Kirche zu iuridischen Problemen
(Gesellschaftsvertrag, darlehens- und zinsrechtliche Fragen)
hat diesen Einfluß begünstigt.

Aber diese Untersuchung ist doch nicht nur eine anregende
wirtschaftshistorische und theologiegeschichtliche Studie. Sie hat
vielmehr eine grundsätzliche Bedeutung, allerdings mehr indirekter
Art. In historischer Perspektive reflektiert sie durchaus auch
etwas von den Spannungen, die durch das Aufkommen der Situationsethik
entstanden sind, indem sie sorgfältig der Frage nach
einer Verhältnisbestimmung zwischen dem prinzipiell Allgemeinen
und dem situationsbedingten Besonderen in der Epoche des Frühkapitalismus
nachgeht. Untersuchungen dieser Art können darüber
hinaus auch der evangelischen Sozialethik Anregungen vermitteln.
Denn von Ausnahmen wie G. Wünsch und neuerdings A. Rieh und
H. Weber abgesehen, haben Fragen der Wirtschaftsethik noch keineswegs
die Beachtung durch sie gefunden, die sie verdienen.

Genf Christian W a 1 t h e r

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Wetter, Friedrich i Die Trinitätslehre des Johannes Duns Scotus.

Münster/Westf.: Aschendorff (1967). VIII, 486 S. gr. 8° = Beiträge
zur Geschichte der Philosophie u. Theologie des Mittelalters
. Texte u. Untersuchungen, hrsg. v. M. Schmaus, XLI, 5.
Kart. DM 68,-.

Die vorliegende Arbeit ist eine Habilitationsschrift, die 1965
von der Theologischen Fakultät in München angenommen wurde.
Sie beschränkt sich auf die immanente Trinität; infolgedessen
werden die Fragen der heilsökonomischen Trinität weggelassen.
Ebenso verzichtet der Verfasser auf die Fragen nach der Erkennbarkeit
des Trinitätsgeheimnisses. Scotus hat selbst zwischen veri-
tates necessariae und veritates contingentes unterschieden, wobei
die letzteren sich auf die Beziehungen Gottes zum Außergöttlichen
erstrecken. Somit bietet die vorliegende Arbeit eine theologia
necessariorum de trinitate des Duns Scotus (3). Worum geht es
in ihr?

Der Verfasser behandelt zunächst in einem ersten Teil (6-269)
die „innergöttlichen Hervorgänge", also das Hervorgehen des Sohnes
und des Heiligen Geistes aus dem Vater. Dabei muß vor allem
erwiesen werden, daß dies einerseits möglich ist und andererseits
es nicht mehr als zwei Hervorgänge geben kann. In einem zweiten
Teil (270-459) werden die „göttlichen Personen" behandelt, ihr
Verhältnis zum göttlichen Wesen, ihre spezifischen Eigenheiten und
ihr Verhältnis untereinander. Der Schluß (460-477) faßt die „Tri-
nitätskonzeption des Duns Scotus" zusammen, in der nach der
Meinung des Verfassers der Personalismus zwar überwiegt, der
Essentialismus aber aufgehoben ist, da sich der personale Vollzug
„im Wesen gründet und nach Maßgabe des Wesens vollzogen
wird" (467).

Der Verfasser legt die neueren Erkenntnisse über die Entstehungsgeschichte
der Schriften des Duns Scotus zugrunde. Danach
sind die drei Sentenzenkommentare folgendermaßen einzuordnen
: Während der ersten Oxforder Lehrtätigkeit (1298-1302)
entstand die Lectura prima, in Paris (1302-1305) Reportationen,
von denen die reportatio maior bzw. examinata besonders wichtig
ist, und während der letzten Lebensjahre die von Scotus selbst
diktierte Ordinatio, die meist als Opus oxoniense bezeichnet wird.
Hinzu kommen noch die Quodlibeta, die 1305/06 in Paris entstanden
sind. Der besondere Wert der vorliegenden Arbeit liegt
darin, daß die Entwicklung der immanenten Trinitätslehre bei
Scotus verfolgt wird, wobei der Verfasser zu dem Ergebnis kommt,
Scotus habe seine Thesen von Anfang an so formuliert, daß er sie
entfalten konnte, ohne etwas widerrufen zu müssen (473 f.).

Wie schwer es ist, darüber ein Urteil zu fällen, wird an den
Äußerungen über die Konstitution der göttlichen Personen deutlich
. Zu Duns Zeiten wurden drei Lehrmeinungen diskutiert:
1. Die göttlichen Personen unterscheiden sich nicht durch ein ihnen
inexistierendes Konstitutiv, sondern total durch sich selbst. 2. Die
Personen werden durch Ursprungsrelationen konstituiert. 3. Die
göttlichen Personen sind absolut. Die zweite Lehrmeinung war die
opinio communis. Die dritte modifizierte Scotus (297): „Die göttlichen
Personen werden in ihrem Personsein durch absolute Realitäten
konstituiert. Durch die Ursprünge (origines, relationes) werden
die hervorgebrachten Personen gleichsam prineipiative, aber
nicht formaliter konstituiert. Die absoluten konstitutiven Realitäten
sind nicht in der Weise absolut wie die natura communis,
sondern so, daß die durch sie konstituierten Personen beziehbar
(referibilia) sind, obwohl sie formal keine Relationen darstellen."
In der Lectura prima äußert Scotus zur dritten Lehrmeinung (310):
„Haec opinio videtur mihi esse probabilior, eam tarnen non assero."
In Paris jedoch spricht er sich für die zweite aus, allerdings mit
dem Hinweis, daß er es nur unter dem Druck der Väterzeugnisse
tue (330). In der Ordinatio verzichtet er zunächst - Ordinatio I, 26,
wo diese Fragen behandelt zu werden pflegen - darauf, sich für
eine der beiden Lehrmeinungen auszusprechen. Aber in Ordinatio
III meint er dann, die Väterzitate schienen für die zweite zu
sprechen (329). Der Verfasser zieht daraus den Schluß, daß Scotus
sich zu keiner Zeit seines Lebens für eine der beiden Lehrmeinungen
entschieden habe, sondern stets nur zeigen wollte, daß die
dritte Lehrmeinung ebensowenig gegen die Glaubenslehre verstoße
wie die zweite, wobei er daß größere Maß von Wahrscheinlichkeit
allmählich von der dritten auf die zweite verlegt habe
(314. 329).

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 11