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Ausgabe:

1968

Spalte:

748-749

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Deiss, Lucien

Titel/Untertitel:

Synopse de Matthieu, Marc et Luc avec les parallèles de Jean 1968

Rezensent:

Hegermann, Harald

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 10

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sich eine dreifache Aufgabe: Die Analyse von Col. 1,15-20 in der
Weise eines kritischen Forschungsberichtes zu referieren (Teil I
S. 11-124), zu einer eigenen weiterführenden Analyse dieses Textes
vorzustoßen (Teil II S. 125-149) und zum Schlufj die gegenwärtige
systematisch-theolgische Diskussion um die „kosmische Christo-
logie" in einigen zentralen Punkten aufzunehmen und zu befruchten
(Teil III S. 150-181). Man braucht nur einmal die Namen der
Forscher aufzuzählen, die im ersten Teil in eigenen Paragraphen
behandelt worden (es sind darüber hinaus an passenden Stellen
weitere Forscherbeiträge referiert), um die Weite des Arbeitsfeldes
der Untersuchung zu kennzeichnen: Von Schleiermacher geht die
Reihe über Hermann von Soden und Johannes Weift, Eduard Norden
, C. F. Burney, Ernst Lohmeyer, Günther Härder, Charles Massen
. Ernst Käseroann, Martin Dibelius - Heinrich Greeven. Gottfried
Schille, Christian Maurer, James M. Robinson, C. F. D. Moule.
Harald Hegermann, Karl Gottfried Eckart bis hin zu Eduard
Schweizer und Ernst Bammel, Hans Conzelmann. Dabei sind die Referate
natürlich unterschiedlich lang zwischen 3 und 16 Seiten) und
auch nicht gleichmäftig gelungen (z. B. würde Rez. Schleiermachrrs
Interpretationen gern exakter erfahren haben;Käsemanns religions-
gcschichtlichcThesen sind nicht ganz befriedigend erörtert), aber im
ganzen ist man für die aufgewandte Mühe von Herzen dankbar.
Je komplizierter die Forschungslage wird, desto unentbehrlicher
sind solche Forschungsreferate an den Schwerpunkten der Diskussion
. Wer dem Vf. in seinem verständigen Referat des ersten Teils
beharrlich gefolgt ist, kennt nicht nur die wichtigen Argumente,
sondern weift auch, welche Beiträge er zu genauerer Information
noch selbst in die Hand nehmen muft. Hier heben sich etwa diejenigen
von E. Norden und Ernst Käsemann als mit Abstand wichtigste
heraus, auf ihnen baut die weitere Diskussion auf.

Es wird einerseits die formale Struktur des Textes erarbeitet,
und es darf nunmehr als gesichert gelten, daft ein fester hvm-
nischer Text vorliegt und daft er von dem Verfasser des Col kommentierend
redigiert ist. Hauptargumente sind die von Käsemann
beigesteuerten. Vf. fragt energisch über Käsemann hinaus, mit
Recht. Doch wird der Leser sich der Unsicherheiten der weitergehenden
Rekonstruktionsvorschläge nur allzu bewuftt, und die
vom Verf. gezeigte Vorsicht ist daher sehr zu begrüften. Auch ihm
oeqenüber gibt es noch kritische Bedenken. So entaeht er nicht
der naheliegenden Versuchung, dem ältesten Hvmnustext ein möglichst
hohes Maft von Svmmetrie zuzuschreiben und von daher zufällige
Parallelitäten im ietzigen Text der Rekonstruktion z. B der
mittleren Partien (V. 16 letzte Zeile bis 1 Pal zugrunde zu leeren. Dagegen
hat Norden gezeigt, daft zur Prosahvmnik Mischsti! und
relative Freiheit der Formung oehören. So muft den inhaltliche"
Kriterien (Gedankenführung. Aussagenkomnosition) das größere
Gewicht zuerkannt werden. Von daher ist dann z. B. die Schluft-
zeile von V. 16 als Wiederholung von 15b redaktionell zu werten,
und ist andererseits die Aussage von 18c unentbehrlich und festzuhalten
, obwohl die Streichuno die Svmmetrie d»»urt'ch verbessert.

Die religionsgeschichtliche Diskussion fällt etwas knapp aus.
aber es war auch gar nicht möglich, die vorliegende Diskussion
z. B. 7,ur Frage der anostischen Elemente im hellenistischen Tuden-
tum. aus dem Vf. die Aussagen des Hvmnus ableitet, weiterführend
zu verhandeln. Sein Anliegen ist es vielmehr, die oenuir
urchristlichen Elemente im Hvmnus herauszuarbeiten. Hierhei
stellt er die Verkündigung der schon Ereignis gewordenen Welt^n-
wende, die Erhöhung des Erstgeborenen aus den Toten", die Befrieduno
des Alls. So will Vf. die exegetischen Methoden in den
Dienst der Herausarbeitung der Theologie des Hvmnus und der
Redaktion stellen. Vf. knüpft an Thesen von Eduard Schweizer an
und führt sie weiter aus. Es kann nur einioes Wichfioe hervorgehoben
werden. Er hält die im Hvmnus vorlieoende Vosmischp
Christoloqie für ein Mißverständnis de»" Paulinischen T pib-Christi-
Vorstellung, d'e orioinal Paulinisch und ekklesiologisch ist. Haunt
des Kosmos sei der Christus durch die weltweite Ausbreitung der
Gemeinde im Mission=<oesrhehen D°n Märkten gegenüber <H der
Christus nur unterwerfendes, nicht schöpferisch-konstituierendes
Haunt. nach der Meinuncr des Kommentators. Fs ist verdienstvoll,
wie Vf. immer wieder auf die exeaetische Notwendigkeit hinweist,
Hvmnus und Kommentar zu unterscheiden und die dem Hvmnus
mitcroerebenen Umakzentuierunoen theologisch vorzuziehen. Aber
Vf. wertet die Aussagen des Hvmnus so sehr ab. daß die Zitierung
des Hvmnus fas* illegitim erscheint (als cantatio benevolentiae.
S. 149) und jedenfalls kaum eine Aussage des Hymnus bestehen

bleibt. Hier zeigt sich, wie ungeklärt die Abteilung der I.eib-Christi-
Vorstellung noch immer ist. Die vorliegende Arbeit sollte nicht zuletzt
die Wiederaufnahme gerade dieses zentralen Problems provozieren
!

Wie aktuell diese Problematik ist, zeigt der dritte Teil, für den
Rez. besonders dankbar ist. Interpretation neutestamentlicher
Texte muft ja doch in das aktuelle Gegenwartsringen einmünden,
um eigentlich Theologie zu sein. Vf. diskutiert neuere Thesen kosmischer
Soteriologie und Ekklesiologie bei Wagenführer (1941).
Dilschncidcr (1953/1962) Cullmann (1957), Sirtler (Neu Delhi 1961)
und Winterhager (1962). Das Anliegen, die Christuswirklichkeit
universal zur Geltung zu bringen, beiaht er, weist aber mit Recht
den Ansatz Sittlers ab, sofern Sittler von der Schöpfung bzw. der
Inkarnation her denkt, anstatt von Kreuz und Erhöhung Christi als
der Wende und Neuschöpfung auszugehen. Nur so kann das Anliegen
der beiden Verkündigunqen im Col gültig vertreten werden;
nach ihnen besteht das Heil nicht in einer Koexistenz T.irht-Finster-
nis. sondern im Sieg des Lichtes vom Kreuze aus. Vf. bringt eine
Fülle wertvoller Gedanken und Gesichtspunkte Noch nicht überzeugend
ist seine Interpretation der kosmologischen Neuschöpfungsaussagen
in Hymnus und Colosserbrief. Sie läuft stark auf
Eliminierung hinaus. Im Blick auf die Weltherrschaft Christi wird
so die Paradoxie des eschatologischen .Schon - Noch nicht" verfehlt
. Die Konsequenz ist ernst: „Christus nimmt den Kosmos
durch seine Leute in Besitz, indem sie die Gemeinde ausbreiten"
(176). Unsere Hoffnung heiftt also: Durch unsere missionarische
Aktivität (wenn auch mit Hilfe des Geistes) „immer mehr Christen
in aller Welt" (180). Hier wirken sich die vorangegangenen exegetischen
Urteile des Vf. folgerichtig aus. und so zeigt sich einer
der Punkte, an denen das Gespräch mit diesem wichtigen Diskussionsbeitrag
aufgenommen und weitergeführt werden muft.

Leipzig Harald Hegermann

Deiss, Luden, P. C. S. Sp.: Synopse de Matthieu, Marc et Luc
avec les Paralleles de Jean. I.: Introduction, notes et vocabulaire.

IL: Texte. Bruges: Desclee de Brouwer [1964]. 192 u. 2.39 S.
4° = Connaitre la Bible.

Nachdem bisher die Synopse von Lagrange jahrzehntelang im
französischen Sprachgebiet in Gebrauch war, ist nun von der
Sammlung „Connaitre la Bible" die vorliegende herausgebracht
worden. Entsprechend dem Anliegen der Sammlung will sie die
Bibel, die lange „für Eingeweihte reserviert" gewesen sei, wie
es auf dem Schutzumschlag freimütig heiftt, dem breiten katholischen
Laienpublikum so zugänglich machen, daft jedermann sie
mit allen modernen Mitteln und doch zugleich ..im Schofte der
Gemeinschaft der Kirche" (a.a.O.) lesen kann. Dem dienen zunächst
im Teil I eine grofte Anzahl von Literaturangaben zu den synoptischen
Evangelien und zum NT überhaupt, unter denen deutsche
protestantische Titel zahlreich vertreten sind; z. B. sind genannt
Bultmann, Geschichte der synoptischen Tradition; Conzelmann,
Mitte der Zeit, mehrere Titel von Joachim Jeremias usf. Vor
allem bietet der Bd. I selbst eine ausführliche Einleitung in die
synoptischen Evangelien. Sie scheint von drei Elementen bestimmt
zu sein: Konservative Grundhaltung, weitgehende Verwertung
moderner Forschungsergebnisse, eigene Beobachtungen an den
Texten. Die konservative Haltung zeigt sich z. B. darin, daft die
altkirchlichen Verfassertraditionen unbeschadet leichter Anglei-
chung an neue Einsichten gültig sind: Die Redaktion" des ersten
Ev. ist dem Apostel Matthäus zuzuschreiben, iedoch ist unser
Ev. nicht einfach eine wörtliche Übertragung aus dem Semitischen,
da sich dies für viele „Begriffe und Wendungen" (23) nicht durchführen
läfit. vielmehr sei der griechische Matthäus une adantion
libre de l'ecrit arameen (231 mit unite substantielle zwischen
beiden Texten. Oder: Unter den nachträglichen Markus-Schlüssen
ist der längere kanonisch, was an sich nicht seine Echtheit bedeuten
müsse, jedoch wird die Frage der Echtheit als offen bezeichnet
(151f.). Die Einleitung bearbeitet zunächst die Redaktion
der drei Evangelisten nacheinander (S. 123-153): hier sind mancherlei
Beobachtungen zusammengetragen, deren Durchsicht nicht
ohne Ertrag bleiben würde, wenn auch der deutsche Benutzer
nicht ohne weiteres übersehen wird, wo D. nur weitergibt, was
in der französischen Exegese bereits vorliegt. Es schlieften sich
„Notes sur les pericopes synoptioues" an. kurze oder auch längere
Kommentare zu allen synoptischen Perikopen, z. B. iy4 Sn. zur
Versuchungsgeschichte Mt 4,1-11 parr. Insgesamt 95 S. (57-152).