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Ausgabe:

1968

Spalte:

739-743

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Braun, Herbert

Titel/Untertitel:

Qumran und das Neue Testament 1968

Rezensent:

Bertram, Georg

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 10

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Verstehenshilfen" geboten (S. 132). Begrüßenswert und reizvoll zu- verarbeitet. Es ergibt sich dabei, daß eigentlich nur Äußerlich-
gleich ist P.s Versuch, die weite Wirksamkeit des Werkes von Wil- keiten des jüdisch-rabbinischen Hintergrunds des Neuen Testa-
helm Vatke im Spiegelbild der Rezensionen zu der .Biblischen ments belegt sind und belegt werden können und dafj es so zu
Theologie' zu veranschaulichen, wie überhaupt das Bild Vatkes im einer Auseinandersetzung mit der Botschaft des Neuen Testaments
Urteil seiner Zeitgenossen erstehen zu lassen (S. 132ff). Und es ist nicht kommen kann. Dem hier anzuzeigenden Werk steht jeden-
richtig, in diesen Rahmen der überwiegend kritisch-ablehnendi-n falls, was die äußere Form, den Aufbau und die kritische Stellung-
Stellungnahmen das unbedingte Bekenntnis Wellhausens zu Vatke nähme in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung betrifft, das
zu stellen (S. 149ff): „Ich habe von keinem Menschen mehr, von Sammelwerk von Carl Clemen, Religionsgeschichtliche Erklärung
kaum Einen so viel gelernt, als von Ihrem Herrn Vater. Es sind des Neuen Testaments, mit dem Untertitel: Die Abhängigkeit des
wunderliche Waisenknaben, die statt seiner in der Theologie und ältesten Christentums von nichtjüdischen Religionen und philo-
im Alten Testament das große Wort geführt haben und führen." sophischen Systemen, das 1924 in 2. Auflage erschien (Bespre-
„Hegelianer oder nicht: das ist mir einerlei - aber Ihr seliger chung von A.v . Harnack, ThLZ 49 [1924] 555f), sehr viel näher.
Vater hatte ein bewundernswerth treues Gefühl für die Indivi- Inhaltlich ist es allerdings das Produkt einer anderen Zeit und
dualität der Sachen", führt Wellhausen in seinem Beileidsschreiben' einer nur scheinbar schlüssigen Methode religionsgeschichtlicher
an Vatkes Sohn aus (S. 152). Forschung. Das Ergebnis ist fast schon im Titel vorweggenommen.

In seinem Dritten Teil beschäftigt sich der Verfasser des vor- Aber auch hier sind Parallelen und Abhängigkeiten mehr zufällig

liegenden Buches nunmehr ausschließlich mit Wellhausen, speziell und äußerlich, so daß Harnack aaO. vor der einseitigen Betonung

mit dessen Geschichtsschreibung, um herauszubekommen, ob die des hellenistischen Einflußes warnte und auf das Spätjudentum

Wertschätzung Vatkes eo ipso die Übernahme Hegelianischer Kate- und seine mögliche Mittlerrolle hinwies.

gorien bedeutet (S. 153ff). Der Autor erhofft sich den Zugang zur Nun ist Je}, 1947 in den Funden von Qumran ganz neues Ma
Lösung dieser Frage über eine Erörterung der Wellhausen-Kritik teria] bekannt geworden. das ganz anders als das rabbinische
und schließt daran Untersuchungen zur historischen Methode Well- und das hellenistische seine zeitlich räumliche und auch sachliche
hausens. Er arbeitet heraus, wie bemerkenswert stark Wellhausen Nahe zu der neutcstamentlichen Überlieferung erkennen läßt. Der
an philosophischen Prinzipien vorbei von der literarischen Proble- Umfang der Funde, ihre augenscheinliche Bedeutung, die Über-
matik der alttestamentlichen Texte fasziniert ist. wie es ihm über raschung die solche Funde an sokher stelle hervorriefen - war ?s
der Literarkritik auf die historische Kritik ankommt und wie er denn mög]icn, daft sich im Klima Paiastinas Handschriften über
bestrebt ist, auf Grund der Quellenanalyse ein Geschichtsbild zu SQ ]ange Zejt crha!ten hatten? _ dazu die Sensation, die sich viel-
entwerfen. Wellhausen ist darin de Wette und den historisch-kri- fach mjt den ersten Deutungsversuchen verband, ließ in kultischen
Forschungen Vatkes verpflichtet, und es ist beeindruckend, z<rft ejne besondere Cmmran-Literatur in Textausgaben. Überset-
daß P. die Abweisung philosophischer Voraussetzungen für Well- zungcn und Kommentaren, in Zeitschriftenaufsätzen und Mono-
hausens .Geschichtskonstruktion' durch Wellhausen selber belegen graphien entstehen, die für den einzelnen Mitforscher nicht mehr
kann. Mit der Behandlung der historiographischen Motive Well- übcrschaubar ilt So enthält die Bibliographie zu den Handschrif-
hausens schließt der Autor sein interessantes und instruktives tm vom Toten Mcer VQn c Burchhard _ BZAW 76 fl957) (vq, Ru.
Buch ab. Er zeigt auf, wie gerade auch Einseitigkeiten und Grenzen do,f Meyer ThLZ g4 [wsg] m feereits ^ Veröffentlichungen
des großen Historikers von dessen distanzierter Haltung zu den bjs ig55/56 Daneben stehen die fortlaufenden Forschungsberichte
philosophischen Strömungen seiner Zeit im allgemeinen und zu VQr allem der ThLZ und der

der Hegeischen im besonderen verständlich werden. . _ , . . ...

Der Verfasser macht von dem Recht des Zitierens häufig und zu- }n. der ™* NF ^ (1962-1964) hat H. Braun über einen Aus-
weilen auch ausführlich Gebrauch. Über die Werke der zu unter- sdln,tt aus dem Ccsamtgebiet unter dem Titel: Qumran und das
suchenden Gestalten hinaus werden auch publizierte Briefe als Neue Testament Ein Bericht über 10 Jahre Forschung 1950-1958.
Quelle herangezogen. Was der Arbeit fehlt, ist ein SchlußkapiLel, Besprechungsaufsatze veröffentlicht, die gemäß der Ankündigung
in dem noch einmal zusammenfassend die Ergebnisse der drei am Sch,u6 nunmrfir dankenswerterweise in fast unveränderter
Teile in ihrer Bedeutung für das zu Eingang gestellte Thema er- Form selbständig als Bd. I des vorliegenden Werkes erscheinen
läutert werden. Man möchte nun doch noch einmal wissen, inwie- und durch einen U Bd er9anzt werden- Der L Band enthalt als
fern die geistes- und theologiegeschichtliche Abfolge Hegel-Vatke- Tcm1 1 des Gesamtwerkes katenenartig die Diskussion der zu ve-r-
Wcllhausen zu Recht oder zu Unrecht behauptet wird. Zum Schluß gleichenden Stellen der Qumrantexte und des Neuen Testaments,
hätte vielleicht doch noch einmal herausgestellt werden müssen. lewc,ls verbunden mit der zustimmenden oder ablehnenden, oft
wo bei Wellhausen hegelianischer Einfluß und wenn auch nur in nber auch mit einern non licJuet endenden Stellungnahme, der bei
geringem Umfange zugestanden und wo er abgelehnt werden muß a|dem Zustand der Quellen und der Schwierigkeit ihrer Deutung
Auch wenn der Autor alles Interesse daran hat. die BehauptungT,mmer w,eder zur Vorsicht und Zurückhaltung mahnt, aber auch
einer starken Abhängigkeit von Hegelianischer Philosophie zu der weiteren Arbeit die Wege aufzeigt und ebnet. Teil 2, der den
widerlegen, so ist er doch davon entfernt, jegliche Beziehung n- Bd' des Werkes fast ganz einnimmt, enthalt die Behandlung
Wellhausens zu Hegel zu bestreiten. Was den Studien gut gelingt, tln'-elner Sachkomplexe weder anhand der Literatur mit dem Für
ist die sachgemäße Auflockerung starrer Schemata, wie sie gern und Wldcr der einzelnen Thesen und der abschließenden Behandfür
systematisch-theologiegeschichtliche Darstellungen benutzt wer- ,un9 durch den Berichterstatter. Dazu kommen im Teil 3 Bespre-
den. So müssen sich - wohl nicht zu Unrecht - u. a H.-J. Kraus chun9en ™ dem Gesamtproblem Qumran und das Neue Testa-
und J. Pedersen (ZAW 49,1931.161ff) Korrekturen an ihrem Well- ment' und a1s TeiI 4 ein kurzer Schlußabschnitt, der soweit möglich
hausen-Bild gefallen lassen. Aber darin besteht ja nun auch der die Ergebnisse zusammenstellt

unschätzbare Wert und Reiz solcher Spezialuntersuchungen gerade Die Arbeit erstreckt sich auf die Veröffentlichungen bis zum

für die Theologie- und Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts. *■ Ju!i l959- Natürlich konnte nur eine Auswahl behandelt werden.

r.,___,, .. ,. . _, Es sind nach Angabc des Verfassers immerhin 156 Schriften von

Greifswald Siegfried Wagner 3

89 Autoren, die in der Bibliographie - sie wird im 2. Bd. wiederholt
und erleichtert dadurch dessen selbständige Benutzung - aufgezählt
und verarbeitet werden. Der Verfasser setzt voraus, daß

NEUES TESTAMENT die Qumrantexte aus dem 2.-1. Jh. v. Chr. stammen und daß das

gemeinsame Leben der Sekte mit dem Jahre 68 n. Chr. erloschen
ist. Diese Ansicht hat sich in der Forschung weithin durchgesetzt.

Braun, Herbert: Qumran und das Neue Testament. Tübingen: und in der ^ von 1950-1959 ist zum mindesten die Fragestel-

Mohr 1966. Bd.I: VIII. 326 S. Bd. II: X. 403 S. gr. 8°. Bd. I/H: lung fur die einzelnen Probleme der Qumranforschung heraus-

DM71, Lw. DM81,-. gearbeitet worden, wenn auch inzwischen neue Fragen aufgetaucht

Für das Neue Testament besitzen wir als Kommentarwerke in sind und weiter auftauchen werden und wenn es auch noch zu

der Art der alten Katenen die 6 Bände von Strack-Billerbeck: Korn- keinem sicheren Urteil über Neues Testament und Qumran in

mentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch (vgl. ihrem Verhältnis zueinander gekommen ist. Aber es ist gut, ein-

zuletzt ThLZ 88 [1963] 517f.). Dieses Werk hat die rabbinische mal diese Anfangsperiode der Qumranforschung rückschauend zu

Überlieferung gründlich und wohl auf lange Sicht abschließend überblicken, die einzelnen Thesen auf ihre Tragfähigkeit zu prü-