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Ausgabe:

1968

Spalte:

715-716

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Neill, Stephen

Titel/Untertitel:

The church and Christian union 1968

Rezensent:

Althausen, Johannes

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herbeizuführen; daher haben manche um die Einheit der Kirche
besorgten Katholiken, wie V. Grumel bereits 1933, mit Recht empfunden
, dafj die Zurechnung des Konzils von Vienne (1311), das
man wegen der Frage der Tempiarier einberief, sowie des Kal-
zedonischen Konzils (451) zu den ökumenischen Konzilien für die
Orthodoxen anstößig sein könnte. Dazu bemerkt nun freilich Peri,
daß es für die römische Kirche tatsächlich zwei Typen von allgemeinen
Konzilien gibt (nach dem alten und dem neueren Öku-
menizitätsbegriff), die man nie ganz aneinander angleichen kann.

Rom Valdo V i n a y

Neill, Stephen: The Church and Christian Union. The Bampton
Lectures for 1964. London - New York - Toronto: Oxford Uni-
versity Press 1968. IX, 423 S. 8°. Lw. 63 s.

Das Verständnis von der Aufgabe der Ökumenischen Bewegung
hat in den letzten Jahren tiefgreifende Wandlungen erfahren. Seit
der Konferenz von Kirche und Gesellschaft in Genf 1966 sind
die Fragen nach dem gemeinsamen gesellschaftlichen Auftrag der
Kirchen in den Vordergrund gerückt. So könnte man fragen, ob
ein Buch über „Christian Union" nicht bereits überholt ist. In
mancher Hinsicht mag das auch zutreffen, zumal die Bampton
Lectures, die dem Buch zugrunde liegen, bereits 1964 gehalten
wurden und ihre Veröffentlichung ungewöhnlich lange auf sich
warten ließ. Und doch ist vieles in diesem Buch von außerordentlicher
Aktualität. Fragen, die jetzt auf der Vollversammlung des
ökumenischen Rates der Kirchen in Uppsala in den Sektionen I
und II verhandelt wurden, sind darin bereits angeschnitten und
wichtige Ansätze zu ihrer Lösung gegeben.

Der Verfasser des Buches, Bischof Neill, ist eine in der ökumenischen
Bewegung wohlbekannte Gestalt, vor allem durch
seinen tätigen Anteil beim Zustandekommen der Kirchen von
Südindien und durch seine Mitarbeit an der „Geschichte der
Ökumenischen Bewegung". Auch das vorliegende Buch spiegelt
die Erfahrung des Autors in ökumenischen Fragen wider. Er
gewinnt von daher eine nüchterne Sicht aller Schwierigkeiten,
die mit dem Streben nach Einheit verbunden sind, und weiß doch
zugleich um die Dringlichkeit der Sache.

Die Vorlesungen knüpfen an die Bampton Lectures an, die
Professor Arthur Cayley Headlem 1920 über das Thema: "The
Doctrine of the Church and Reunion" hielt. Für Headlam war die
Wiedervereinigung der Kirchen eine verhältnismäßig einfache und
klare Sache. Die Ereignisse seither haben gezeigt, daß die Schwierigkeiten
dabei weit größer sind und nicht einfach durch ein
klares Abwägen der Lehren der verschiedenen Kirchen zu beheben
sind. So arbeitet Neill seine Position im Gegensatz zu der
Headlams heraus. Das Ziel seines Buches ist es, aufzuweisen, daß
die Einheit der Christenheit nur zu erreichen ist, wenn die Frage
nach der Kirche ganz neu durchdacht wird.

Dieser Gedanke wird nun in den acht Vorlesungen nach verschiedenen
Richtungen hin ausgeführt. Nachdem im ersten Kapitel
die „Wiederentdeckung der Kirche", wie sie in den letzten Jahrzehnten
in allen Konfessionen stattgefunden hat, abgewandelt worden
ist, bildet das zweite Kapitel unter der Überschrift: "The
Missionary Dimension" eines der Kernstücke des Buches. Danach
war es ein Fehler der Vergangenheit, daß die Kirche fast immer
als etwas Statisches angesehen wurde. Es gilt, neu zu sehen,
daß Kirche dynamisch verstanden werden muß, d. h., daß ihr
ganzes Wesen von ihrer Sendung her zu bestimmen ist. Die Frage
heißt heute nicht mehr: Was ist die Kirche? sondern: Wofür ist
die Kirche da? Und mit Bezug auf einen Ausspruch von William
Temple wird gesagt: "... that the Church is the only society in
the world which exists for the sake of those who are not members
of it. To put the matter in more theological language: The Church
is that body of men through which it is the will of God that the
Gospel of everlasting salvation through Christ should be pro-
claimed to all men everywhere, to the ends of the earth and to
the end of time" (S. 76).

An den Sakramenten und an dem „Royal Priesthood" wird in
den Vorlesungen V und VI gezeigt, wie es sich auswirken kann,
wenn die Kirche diese ihre Bestimmung ernst nimmt. Dabei geht
es um die Frage: Wie können diese Dinge, die in so vielen Fällen
zur Spaltung der Christenheit führten, zu einem Mittel werden,
die verlorene Einheit zurückzugewinnen? Die Antwort wird immer
in ähnlicher Weise gegeben: Nur so, daß sie als „Werkzeuge der

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Sendung" erkannt werden und daß keine Kirche sie als sicheren
Besitz zur eigenen Erbauung ängstlich festhält. Darum ist es
auch nötig, die Lehre vom Heiligen Geist als dem eigentlich
bewegenden Prinzip in der Kirche neu zu entdecken (Vorlesung
VII).

Ein zweiter Schwerpunkt des Buches liegt in der letzten
Vorlesung. Mit der Überschrift: „All in each Place" wird ein
Stück der Einheitsformel von Neu-Delhi aufgenommen und von
daher nach der Möglichkeit von Kirchenunionen und nach anderen
Möglichkeiten der Darstellung von Einheit gefragt. Die Schwierigkeiten
, die sich einer Union entgegenstellen, werden dargelegt.
Der Verfasser führt aber weiter, indem er meint, daß wir seit
Neu-Delhi in eine neue Phase eingetreten sind, in der nicht mehr
die direkten Bemühungen um Unionen das Entscheidende sind,
sondern die Zusammenarbeit der verschiedenen Kirchen auf allen
Gebieten, das gemeinsame Suchen nach neuen Wegen und vor
allem das Ernstnehmen des Sendungsauf träges. "More significant
than anything that has yet happened is the willingness in all
the Churches to believe that God has new things to say to this
generation, and the willingness to listen to whatever it may be
that he has to say" (S. 400).

Eine organisatorische Möglichkeit, solche Zusammenarbeit Gestalt
werden zu lassen, ist für den Verfasser die „conciliar Organisation
", wie sie etwa in den Nationalen Christenräten und den
großen Regionalkonferenzen seit einigen Jahren überall beginnt.
Im Anschluß an Henry P. van Düsen bezeichnet er diese Möglichkeit
„not merely as the characteristic instrument for the action
of the Church in the twentieth Century, but also as the path along
which a genuine Christian unity can come into being" (S. 373).
Besondere Überlegung widmet er in diesem Zusammenhang auch
dem Ökumenischen Rat der Kirchen und der Rolle, die ihm auf
dem Weg zur Einheit zukommt: „If, from now tili the end of
the twentieth Century, the World Council were to make itself
the servant of the Churches for Strategie thinking and planning
for the evangelization of the world, it would be returning to
its own place of origin in the Christian missionary movement;
it would be doing something that cannot possibly be done by
anyone eise; it would have established itself at the very heart
of the Christian world; it would be able to give an unhesitating
answer to the question as to the reason for its own existence"
(S. 382).

Mit diesen Überlegungen sind Anstöße gegeben, die heute in
der ökumenischen Diskussion weitergeführt werden. Nicht jeder
wird den Anschauungen Neills ohne weiteres zustimmen können.
Aber der Nachdruck, mit dem hier eine Überprüfimg der traditionellen
Ekklesiologie gefordert wird, ist auf jeden Fall ernst
zu nehmen.

Die Form der Vorlesung, die auch in der schriftlichen Fixierung
deutlich spürbar bleibt, macht den Reiz, aber auch den Nachteil
dieses Buches aus. Sie bestimmt die lebendige Art der Darstellung
, gibt dem Ganzen eine gewisse Spannung und ein manchmal
fast atemberaubendes Tempo, mit dem man durch alle Zeiten
und alle Konfessionen geführt wird. Zugleich aber werden viele
Probleme nur angerissen. Zur gründlicheren Behandlung vieler
Fragen, die man dringend wünschte, bleibt keine Zeit. Für den,
der in der ökumenischen Fragestellung zu Hause ist, ist das
Buch als Gesamtschau unter dem besonderen Blickwinkel des
Verfassers hilfreich. Für den, der eine Einführung in dieses
Gebiet sucht, geben die reichen Literaturangaben Möglichkeiten,
einzelne Probleme weiter zu verfolgen.

Berlin Johannes A 1 t h a u s e n

Heinz-Mohr, Gerd, u. Hans-Eckehard Bahr: Brüder der
Welt. Orden und Kommunitäten unserer Zeit. Mit 96 Aufnahmen
von T. Schneiders. Hamburg: Furche-Verlag; Freiburg/Br.:
Herder; Zürich: Zwingli Verlag [1965]. 75S., 96Taf. 8°. Lw.
DM 28,-.

Erneut wird mit diesem Band der Blick auf „ein ökumenisches
Phänomen ersten Ranges" gelenkt, auf die im römisch-katholischen
und im evangelischen Bereich entstandenen Orden und
Kommunitäten neuen Typs, die „zwar ein gemeinschaftlich geregeltes
geistliches Leben unter bestimmten feierlich geleisteten
Verpflichtungen" bejahen, ihre besondere Aufgabe aber „in der
.simple presence au monde', dem schlichten Zusammenleben mal

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9