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Ausgabe:

1968

Spalte:

49

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Lau, Franz

Titel/Untertitel:

Marcin Luter 1968

Rezensent:

Lerle, Ernst

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Seite 1

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49

Umstand übersehen und gerät in etwas, was man als „Perso-
nalmctaphysik" bezeichnen kann.

Im Vorwort dankt der Verfasser drei von seinen Lehrern:
den drei Erlanger Professoren Stauffer, Fror und Maurer. Für
die Durchführung dieser sehr interessanten Arbeit ist offenbar
eine Kombination von Erkenntnissen der Exegetik, Kirchengeschichte
und Praktischen Theologie sehr fruchtbar gewesen.
Der Erlanger Fakultät ist zu dieser reifen Frucht ihrer theologischen
Arbeit zu gratulieren.

tund David L ö f g r e n

la«, Franz: Marcin Luter. 104 S. Barte 1, Oskar, u. Na-
rzynski, Janusz: Marcin Luter w Polsce. S. 105-237. War-
szawa: Wydawnictwo Zwiastun 1966. 8".

Der „Sitz im Leben" dieses Buches ist durch das wachsende
Interesse der polnischen Öffentlichkeit an der Person Luthers
bestimmt. Das Luthertum in Polen sah sich vor die Aufgabe
gestellt, der Öffentlichkeit eine wissenschaftlich fundierte, aber
leicht lesbare Skizze des Werdeganges und der Theologie Luthers
vorzulegen und die Verbindungslinien zwischen der Geistesgeschichte
des eigenen Landes und der Reformation zu zeichnen.
Für den ersten Teil der Aufgabe haben die Verfasser auf eine
eigene Darstellung verzichtet und sich für die Übersetzung einer
anerkannten Monographie entschieden. Die Wahl fiel auf die
Arbeit von Franz Lau (in dieser Zeitschrift besprochen von
P. A11 h a u s, 1959, 837-839), die im ersten Teil des Buches
übersetzt wird. Dem Übersetzer ist es bei aller Genauigkeit der
Übertragung gelungen, die Ausdrucksmittet seiner eigenen
Sprache voll zur Geltung zu bringen, so daß ein leicht lesbarer
Text entstanden ist. Die Literaturangaben sind erweitert. Der
zweite Teil des Buches ist von dem Warschauer Ordinarius für
Kirchengeschichte und von seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter
verfaßt und schildert die Einflüsse der Reformation in
Polen seit dem Thesenanschlag. Sichtbar werden die tiefen Einflüsse
reformatorischen Denkens nicht nur in Bevölkerungskreisen
deutscher Herkunft, sondern auch in Kreisen des geistig
regen polnischen Adels. Eine starke Ausstrahlung Wittenbergs
wird schon in den zwanziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts
festgestellt. Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts
■war das Luthertum in Polen eine tiefgreifende geistige Strömung
. Aber auch die Gegenreformation kam schon früh zum
Zuge. Die Verfassser richten ihr besonderes Augenmerk auf
das Schrifttum, sowohl auf das theologische als auch auf die
Dichtung. Selbst bei katholischen Schriftstellern und Dichtern
brechen zuweilen Interesse und Bewunderung für Luther durch.
In einem Gedicht wird die Frage gestellt: „Warum sind wir
nicht gemeinsam mit Luther durch die Geschichte gegangen?"

Die Quellenangaben, Belege und Literaturhinweise umfassen
34 Druckseiten. Das Material ist in gleichem Umfang bisher
noch nirgends zusammengetragen worden. Besonders wertvoll
ist das Verzeichnis der polnischen Übersetzungen der verschiedenen
Werke Luthers, das 182 Nummern umfafjt. An erster Stelle
steht der Kleine Katechismus, der allein im sechzehnten Jahrhundert
fünfzehnmal in polnischer Sprache herausgegeben
wurde. Angekündigt ist eine neue polnische Übersetzung ausgewählter
Werke Luthers.

Das Buch erfüllt seine Aufgabe als Informationsquelle ganz
hervorragend. Die sachlichen Darstellungen und das reiche Belegmaterial
können dazu beitragen, da6 Verurteile abgebaut
werden, die in jahrhundertelanger Polemik genährt wurden.

Halle/Saale Ernst L e r I e

Bluhm, Heinz: Martin Luther: Creative Translator. St. Louis/
Miss.: Concordia Publishing House [1965). XV, 236 S., 2 Taf.
gr. 8°. Lw. $ 8.-.

Seit 1950 ist der 1907 in Deutschland geborene Verfasser Professor
für deutsche Sprache und Literatur an der Yale Universität
. Als „permanent Fellow of the Newberry Library in Chicago
" arbeitet er mit seltenen Handschriften und Büchern.

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Das vorliegende Buch enthält neun Studien, in drei Kapiteln
geordnet: I. The Making of a Translator (Studie 1-4); II. In-
terpreting the Translator's Task (5-6); III. Shaping the Eng-
lish Bible (7-9).

I. Die 1. Studie (Seite 1-36) untersucht, wie Luther in seinen
deutschen Schriften Bibelworte anführt, und zeigt an Beispielen
aus dem Matthäus-Evangelium (1517—1521), wie Luther
immer wieder neu übersetzt, wie er als Übersetzer sich in Bewegung
befindet. Was Bluhm bietet, ist nur eine Auswahl aus
einer großen Stoffmenge, die er mit seinen Assistenten in
einem umfassenden Verzeichnis zusammengetragen hat. - Die
2. Studie (37-48) erforscht die erste Übersetzung einer Perikope
und nimmt dazu Matth. 16,13-19. Es werden verglichen: die
Vulgata, der griechische Text des Erasmus sowie seine lateinische
Übersetzung, dazu schließlich Luthers Übersetzung von
1519. Das Ergebnis: Luther hatte diese Übersetzung von 1519
auf die Vulgata gegründet (48). - Die 3. Studie (49-77) vergleicht
das Weihnachtsevangelium in Luthers Weihnachtspostille
sowie in seinem Septembertestament Vers für Vers mit den
bereits genannten lateinischen und griechischen Vorlagen. Das
Ergebnis: die beiden Luther-Texte sind selbständige Übersetzungen
, die des Septembertestaments ist von der anderen unabhängig
(77). - Die 4. Studie (78-113) geht der Übersetzung
des 23. Psalms nach: zuerst werden die Vorläufer untersucht
(die ober- und die niederdeutschen voneinander getrennt), dann
aber Luthers sprachliches Meisterwerk selbst in seiner Herrlichkeit
Vers für Vers dargestellt.

II. Die 5. Studie (117-124) spricht von der „verantwortungsbewußten
Freiheit" bei der Übersetzung des Psalters von 1531.
Die 6. Studie (125-166) zeigt an drei Beispielen, wie Luther
vom Urtext her seine besondere Sprachgestalt fand (Allein
durch den Glauben - Wes das Herz voll ist - Gegrüfjet seist
Du, Holdselige). Während diese beiden Studien uns nur wenig
Neues bringen, erfordert jedoch das Folgende um so mehr unsere
Aufmerksamkeit.

m. Die 7. Studie (169-180) zeigt an einigen Versen des
Ephescrbriefs, wie William Tyndale (gest. 1536, englischer Lutherschüler
und Bibelübersetzer) Luthers Übersetzung genutzt
hat. Die 8. Studie (181-222) über Miles Coverdale (1488 bis
1568, in Tyndales Nachfolge) untersucht seine Übersetzung des
23. Psalms sowie des Galaterbriefs und zeigt, wie sie Luthers
Übersetzung folgt. Das Ergebnis: an 29 Stellen ist Coverdale
von Tyndale abhängig, der seinerseits Luther folgt; an 113
Stellen hängt Coverdale - unabhängig von Tyndale - von Luther
ab; an weiteren 78 Stellen ist es fraglich, ob er Luther oder
der Vulgata folgt; an 100 Stellen steht Coverdale mit Luther
gegen die Vulgata, an keiner jedoch mit der Vulgata gegen
Luther. Diese Ergebnisse beziehen sich aber nur auf den Ga-
laterbrief. Es zeichnet das ganze Werk aus, daß Bluhm höchst
verantwortlich mehrfach vor Verallgemeinerungen warnt. So
meldet er auch Ungewißheit an in der Frage, ob Coverdale und
Tyndale unmittelbar der Lutherbibel folgten oder aber der Zürcher
Bibel, die ihrerseits allerdings von Luther herkommt: Das
Neue Testament der Zürcher Bibel von 1524 bis 1529 ist eigentlich
nur ein Abdruck der Lutherbibel (222). - Die letzte Studie
zeigt an Psalm 26,8 und 45,13, wie nicht die Authorized Version
von 1611, sondern der Text des Prayer Book die Sprache der
Lutherbibel wiedergibt, obgleich auch jene nicht ohne Spuren
der Lutherbibel ist. So verstehen wir den Autor, wenn er sagt:
„I do not really see why Lutherans, much closer to Luther by
tradition and preference, should allow the Anglican communion
- unwittingly to be sure - to be in more intimate touch with
their greatest religious and literary genius" (XIV).

Die Fachforschung wird sich aufmerksam mit diesen Studien
befassen und manche Anregungen erhalten, nicht zuletzt durch
die gründliche philologische Methode der geduldigen und aufmerksamen
Versvergleichung, auch mit den englisch-sprachigen
Übersetzungen jener Zeit.

Gelslingen/Steige Frtto Melker

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 1