Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1968 |
Spalte: | 712-714 |
Kategorie: | Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik |
Autor/Hrsg.: | Berger, Rupert |
Titel/Untertitel: | Die Wendung "offerre pro" in der römischen Liturgie 1968 |
Rezensent: | Klaus, Bernhard |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
711
Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9
712
Text nur noch in seinen Anfängen zitiert und auf eine Wiedergabe
der Konsekrationsworte und -riten verzichtet - „darumb
Das solichs mit nichten dem leyen gepuert sich do mit zwbekue-
mern". Der Augsburger Nachdruck von 1484 (A) geht noch einen
beträchtlichen Schritt weiter: Hier wird bereits vom „Canon minor"
an (bis zum Unde et memores einschließlich) der lat. Text nur
noch angedeutet; der dt. Text wird dagegen (mit Ausnahme der
in N2 bereits fehlenden Partien) vollständig ausgedruckt. In den
von Adam Walasser ein Jahrhundert später veranstalteten Neuausgaben
(Wa 1572, 1573, 1575, 1578, 1583, 1598) erscheint dann
wieder der vollständige lat. und dt. Text.
R. gelingt in diesem Zusammenhang (gegen F. Falk) der eindeutige
Nachweis der Priorität von N! und N2 gegenüber A; er
kann für Nt das Erscheinungsjahr 1480 wahrscheinlich machen.
Der Verf. ist ohne Zweifel im Augsburger Raum beheimatet; das
von ihm seiner Meßerklärung zugrunde gelegte Ordinarium Mis-
sae stimmt (wie ein Vergleich mit dem Diözesanmissale von 1555
und älteren, handschriftlichen Augsburger Missalien ausweist)
mit der Augsburger Ordnung in allen wesentlichen Stücken überein
; lediglich im Kommunionkreis finden sich gewisse Differenzen
(N bietet hier u. a. das in Augsburg unbekannte Nunc dimittis
nach der Kommunion). Daß N als Paradigma-Proprium das Formular
von Mariä Heimsuchung (Titelfest des Augsburger Domes!)
wählt, daß dieses Formular bei N auch textlich der Augsburger
Überlieferung entspricht und daß N schließlich das Fest unter
Bezugnahme auf den Tag des Augsburger Diözesanpatrons St.
Ulrich datiert, macht die Augsburger Herkunft dieser Meßaus-
legung mehr als wahrscheinlich.
Ȁlteste deutsche Gesamt auslegung der Messe" nennt R. das
von ihm herausgegebene Werk deshalb, weil sich sein Verf. nicht
»auf eine Erklärung des Ordinariums und eine allgemeine Deutung
der Propriumsteile" beschränkt, sondern neben sämtlichen
Ordinariumstexten auch ein konkretes Proprium (eben das Formular
von Mariä Heimsuchung) abdruckt und erläutert. Dabei
folgt jeweils dem lat. Text die dt. Übersetzung, die oft noch eine
zusätzliche Paraphrasierung erfährt. Die ausführliche Auslegung
von Text und Ritus schließt sich an; in vielen Fällen wird auch
noch ein Laiengebet angeboten, das sich auf den betr. Vorgang
bzw. Text bezieht. Im ganzen ein sehr gründliches Vorgehen, das
durch eine unbeschreibliche Vollständigkeit (die Erklärung schreitet
buchstäblich von Wort zu Wort), aber auch durch ständige, ermüdende
Wiederholungen gekennzeichnet ist.
So originell auch der Verf. der „besten deutschen Meßauslegung
vor der Reformation" (A. Franz; S. CXXV) in der formalen Gestaltung
seines Opus verfährt, so schwach ist seine Leistung in bezug
auf die inhaltliche Bewältigung des von ihm gewählten Stoffes.
Daß er in starkem Maße von anderen Vorlagen abhängig ist, diese
Vorlagen mehr oder weniger wörtlich exzerpiert und auf eigene
Stellungnahmen weitgehend verzichtet, wird man ihm nicht zu
sehr anlasten dürfen; schlimmer ist, daß er seine Vorlagen gar
nicht mehr voll versteht und sie oft in sinnentstellender Weise
übernimmt (wie er hier mißversteht und fehlinterpretiert, ist
nun allerdings äußerst aufschlußreich für seine theologische Haltung
). Dazu kommen schwerwiegende Übersetzungsfehler und
andere handwerkliche Schwächen (kaum eine der zahlreichen
Schriftstellen wird richtig angegeben!).
Als Quellen nennt N selber die sog. „Summa Johannis" (des
Joh. Rumsik von Freiburg), die seinem einleitenden, „kanonisti-
schen" Teil zugrunde liegt; ferner die „Nachfolge Christi" (die er
wahrscheinlich nur in einem lat. Auszug benutzt) und verschiedene
bekannte Theologen, deren Sentenzen ihm durch Sekundärliteratur
vermittelt wurden. Vom Verf. nicht genannt, aber desto eifriger
benutzt wird ein Exzerpt aus dem großen Meßtraktat des Bernar-
dus de Parentinis: „Officii Misse totiusque Canonis expositio".
Auch die Benutzung deutscher Meßandachten kann R. dem Verf.
nachweisen.
Die Darstellung bei N beginnt mit ausgedehnten kirchenrechtlichen
und pastoralen Vorbemerkungen über Kirchengebäude,
Priestertum und Gottesdienst; dann folgt eine Schilderung und
Deutung der vorbereitenden Handlungen Und Gebete in der Sakristei
, der liturgischen Gewänder, der Kirche und der heiligen
Geräte; auch das Stufengebet läuft noch unter dem Begriff „berey-
tung zu dem ambt" und wird im ersten, einleitenden Teil beschrieben
. Die eigentliche Meßauslegung beginnt erst mit dem Introitus
(dem eine eigene Eröffnungsbitte - »Domine, labia mea aperies" -
vorausgeht). Nach dem bekannten augustinischen Schema (preca-
tiones - orationes - postulationes - gratiarum actio) wird die
Messe in vier Teile gegliedert: 1. vom Introitus bis zum Sanctus;
2. vom Te igitur bis zur Kanondoxologie; 3. vom Pater noster bis
zur Salutatio vor der Postcommunio; 4. von der Postcommunio
bis zum Schluß der Messe. Daß diese Einteilung die liturgische
Struktur vergewaltigt, versteht sich von selbst.
Es ist schwierig, bei dem offensichtlichen Mangel an eigener
Urteils- und Gestaltungskraft, wie er sich in der unreflektierten,
unbewältigten Übernahme fremder Gedankengänge zeigt, so etwas
wie eine „Theologie" unseres Verf. ausmachen zu wollen. Was man
ermitteln kann, sind gewisse theologische und spirituelle Tendenzen
, die sich weithin mit den Grundlinen der Theologie und Frömmigkeit
seiner Zeit decken (S. CXXV). Der Verf. bedient sich - wie
es bei den von ihm benutzten Vorlagen auch gar nicht anders sei«
kann - der hergebrachten allegorischen Methode der Meßinterpretation
. Dabei tritt - wie R. tabellarisch sehr schön verdeutlicht
- zur „rememorativen" (das Leben Christi vergegenwärtigenden
) die „anagogisch-typologische" und „tropologische" (wir würden
sagen: moralisch-existentielle) Form der Allegorese. Hier erst
gelangt die Interpretation zu ihrer eigentlichen Spitze: Das „objektive
" liturgische Geschehen wird subjektiviert und pädagogi-
siert. Das tritt an zwei Punkten besonders in Erscheinung: Da verliert
der „memoria"-Gedanke seinen objektiven liturgischen Charakter
(der ihm nach den Texten ohne weiteres zukommt) und
wird in einem individualistisch-intentionalen Sinn umgebogen:
----als offt thund es in meyner gedechtnuß; das ist: das ir mein
leyden und mein sterben betrachten seyt und in ewren h e r t -
zen tragen seyt". Da verliert weiter die Eucharistie als solche
(sowohl nach Vollzug wie nach Wirkung) ihren unmittelbaren
ckklesiologischen Bezug und wird ganz ins Pädagogische und Moralische
gewendet: der Laie ist nicht der aktive Teilnehmer, sondern
der zu belehrende und zu erbauende Zuschauer des gottesdienstlichen
Geschehens; „hinder der meß", „allein mit sich und
seinem Gott", widmet er sich seinen ichbetonten Gebeten und seiner
durch und durch subjektiven Frömmigkeit (S. CXXII).
R. fällt - in Anbetracht dieser umfassenden Subjektivierung der
Meßfrömmigkeit - über unsere Meßauslegung das (von J. Lortz
vorgeformte) Urteil: „nicht mehr voll katholisch" (S. CXXVI). Er
kann seine Kritik sogar mit einer polemischen Äußerung Luthers
(gegen Karlstadt) stützen; Luther wird in diesem Zusammenhang
noch ein höheres Maß an „Katholizität" bescheinigt als der kritisierten
Meßauslegung. Freilich wird auch deutlich, daß R. einen
inneren Zusammenhang sieht zwischen der „Theologie" unserer
Meßauslegung und gewissen Intentionen in der Gottesdiensttheologie
Luthers (S. CXXIII).
Scharf rügt R. das Vorgehen Walassers, der sich bei seinen Neuausgaben
auf formale Verbesserungen beschränkt und dem offenbar
jedes Gespür dafür abgeht, daß diese Meßauslegung denkbar
ungeeignet ist, um den reformatorischen Angriffen auf die Messe
zu begegnen.
Sagard auf Rügen Karl-Heinrich Bieriti
Berger, Rupert: Die Wendung »Offerre Pro" in der römischen
Liturgie. Münster: Aschendorff [1965). XVI, 280 S. gr. 8°
= Liturgiewissenschaftl. Quellen und Forschungen, hrsg. v-
O. Heiming, 41 = Veröffentlichungen des Abt-Herwegen Inst-
Maria Laach. Kart. DM 39,50.
Die liturgische Formel „offere pro" in der Meßliturgie bringt
nach herkömmlicher Auffassung die römisch-katholische Lehre
Menschen oder für bestimmte Anliegen dargebracht werden
könne. Die vorliegende Untersuchung des Wortsinnes und der
theologischen Deutung dieser Formel im Gesamtbereich des lititf"
gischen Materials in Geschichte und Gegenwart ist nicht, wie die
dogmatische Befrachtung der Thematik nahelegen könnte, darauf
angelegt, durch nachträgliche Rückfragen und Absicherungen eine
Bestätigung für die Richtigkeit dieser vorfindlichen Situation z°
erreichen. Verf. sucht vielmehr seinen Ausgangspunkt im Sprachgebrauch
der Bibel und analysiert diesen im vorchristlichen und
außerchristlichen Bereich, um von hier aus sprachgeschichtlic'j
und theologiegeschichtlich die Entwicklung des Begriffs „offerre
zum römischen Kultterminus kritisch zu verfolgen.