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Ausgabe:

1968

Spalte:

707-708

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Eisenhuth, Heinz Erich

Titel/Untertitel:

Der Christ in der Gemeinschaft 1968

Rezensent:

Wätzel, Paul

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Seite 1

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707

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9

708

Haskamp, Reinhold: Sozialpsychologie und Religion (FS 49,
1967 S. 140-146).

M e 1 z e r, Friso: Über die Konzentration (Wege zum Menschen 19,
1967 S. 162-172).

S c h u 11 e , Walter: Das sozialpsychiatrische Interesse am Empfangsraum
der Gesellschaft für ihre seelisch Kranken (Wege
zum Menschen 20, 1968 S. 65-75).

Schultz, Hans Jürgen [Hrsg.]: Was weiß man von der Seele.
Erforschung und Erfahrung. Stuttgart-Berlin: Kreuz-Verlag
[1967). 217 S. 8°. Kart. DM10,80.

Thi r y, A.: Freud et l'interpretation (Nouvelle Revue Theolo-
gique 98, 1966 S. 1083-1087).

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Eisenhuth, Heinz-Erich: Der Christ in der Gemeinschaft. Zu-
rüstung für den seelsorgerlichen Dienst. Berlin.- Evang. Verlagsanstalt
[1966). 260 S. 8°. Kart. DM12,80.

Der Titel des Buches verrät, daß wir es nicht mit einem Lehrbuch
oder einem Fachbuch für Spezialisten zu tun haben, so sehr
es sich mit einer ganz „speziellen" Aufgabe im Leben der Kirche
beschäftigt. Es geht um die Seelsorge. „Zurüstung für den seelsorgerlichen
Dienst" soll gegeben werden. Zunächst steht der Einzelne
im Blickpunkt. Das Ziel aber der Bemühung besteht darin,
diesen Einzelnen in die Gemeinde einzugliedern. Es wird also alle
Einengung der Seelsorge auf den Einzelnen gesprengt. Aber auch
die Gemeinde, in welcher der Einzelne durch das Evangelium sein
Leben führen darf, ist nicht von einem engen Horizonte eingeschlossen
. Wer sich durch die Seelsorge hat in die Gemeinde einfügen
lassen, entdeckt seine Aufgabe an dem Mitbruder schlechthin
, ohne dessen Glaubensstand oder Konfessionszugehörigkeit
als Schranke oder Trennungszaun hinzunehmen. Darum der Titel:
Der Christ in der Gemeinschaft.

Daß dieser Titel keine unzulässige Verallgemeinerung darstellt,
dafür sorgt der Aufbau des Buches. Drei Hauptteile gliedern das
Ganze »I. Gottes Wort im Predigtamt", »II. Gottes Wort in der
Seelsorge", „III. Konkrete Seelsorge". Eisenhuth fragt sehr genau
nach der Begründung der Seelsorge. Sie kann nur im Worte Gottes
selber gesucht werden, das hat sie mit allen Lebensäußerungen der
Kirche gemein. „Seelsorge kann und will ihrem Inhalt nach nichts
anderes geben als das Predigtamt auch" (S. 12 in „Zur Einführung
"). Dessen muß sie sich ständig bewußt bleiben, damit sie
nicht den vielen Angeboten ihrer Hilfswissenschaften (Psychologie,
Pädagogik, Soziologie, Biologie, Medizin, Kybernetik) verfällt und,
statt Hilfe und Anregung zu erfahren, sich dilettierend in „fremdes
Amt" einmischt und ihr eigenes Anliegen verrät. Darin besteht ihre
Aufgabe, „im Glauben von dem Ganzwerden des Menschen durch
Gottes Wort Zeugnis abzulegen" (S. 13) und die Kraft dieses Wortes
durch die mancherlei Weisen (und Träger) seiner Verkündigung an
Einzelnen wie an Gruppen wirken zu lassen.

Der zweite Teil, eine Phänomenologie der Seelsorge, fragt nach
der seelsorgerlichen Praxis im Neuen Testament, in der Geschichte
der Kirche, nach ihrem Wesen, ihren Trägern und den charakteristischen
Weisen ihres Vollzuges.

Der dritte und umfänglichste Teil behandelt die konkreten Aufgaben
. Er beginnt mit dem seelsorgerlichen Gespräch zu den sogenannten
Kasualien, geht auf äußere und innere Nöte ein, die
dem Glauben zu schaffen machen, und befaßt sich schließlich mit
den besonderen Aufgaben an den Jungen, den Alten und endet
mit je einem Abschnitt über die Aufgaben beim Besuch im Hause
und am Krankenbett. Jeder Abschnitt (im ersten Teil zwei, im
zweiten acht, im dritten elf, hier besonders vielfältig unterteilt)
wird mit einer kurzen (Skopos-)Zusammenfassung abgeschlossen,
der wiederum sofort die erforderlichen Anmerkungen folgen. In
diesen Anmerkungen wird eine Fülle von alter und neuer Literatur
dargeboten, die des Verfassers jahrzehntelangen Umgang mit
der Sache und seine reichen Erfahrungen spiegeln. Für die einzelnen
Bereiche finden sich umfängliche Literaturübersichten. Ein
ausführliches Sach- und ein ebenso reiches Namenregister machen
das Buch zu einem handlichen und schnell orientierenden Nachschlagewerk
.

Freilich mag manchem das Dargebotene noch nicht ausreichen.
Man kann etwa im Zusammenhang mit der Meditation einen Hinweis
auf das autogene Training vermissen, eine schärfere Unterscheidung
zwischen Meditation als Intuitionsübung etwa im Sinne
Happichs (als „Innerungs"-Vorgang im Sinne Melzers) und der
Arbeitsstufe im Prozeß der Predigtarbeit, mit der ein streng rationaler
Schritt der Rechenschaft über die Voraussetzungen und Bedingungen
gemeint ist, unter denen der exegetische Befund des
Textes von damals dem Menschen von heute verständlich gemacht
werden kann: auch eine Darstellung des Weges der Individuation
im individualpsychologischen Sinne hätte die Eigenart der durch
die Seelsorge intendierten Ganzheit noch eindrücklicher werden
lassen (Ganzheit des Selbst in der Psychologie gegenüber dem
Ganzheitsverhältnis Gott-Mensch in der Seelsorge). Mancher mag
die Akzente etwas anders setzen wollen (Ist der moderne Mensch
so modern und mündig, daß er wirklich alle Verbindung zum
Transzendenten oder gar Numinosen hinter sich hat? Genauere
Beschäftigung mit seiner emotionalen Seite, gar mit den Abseitigkeiten
seines Aberglaubens bei höchster wissenschaftlicher Rationalität
erwecken Zweifel). Dankbar wird man für die Weite des
Buches sein, das die Rede von den Randsiedlern ausmerzen möchte,
die positiven Ansprüche der heutigen Gesellschaft an den Menschen
und des Christen Aufgaben und Möglichkeiten in dieser Gesellschaft
sichtbar macht, und dies alles in einer streng christo-
logisch begründeten, aus Luthers Rechtfertigungslehre gestalteten
Anthropologie (siehe die überaus eindringlichen Darlegungen über
„das aktive Verständnis der Erlösung" S. 199ff.).

Das Dankenswerteste aber ist wohl dies, daß die Sprache dieses
Buches, seine Argumentationsweise, die Art des Angebotes von
Material und Literatur (auch über das rein wissenschaftliche
Schrifttum hinaus werden schöngeistige und biographische Werke
und Schriften in reichem Maße einbezogen) so gefaßt ist, daß
sie nicht nur den Theologen anzieht und anregt (freilich ihn auch
zur Rechenschaft fordert), sondern vor allem das verantwortungsbewußte
und mitarbeitswillige Gemeindeglied, den sogenannten
Laien, anspricht, orientiert, interessiert und ihm Hilfe anbietet.
Etwa für ein Laienseminar über Seelsorge wird dem Leiter wie den
Teilnehmern eine Fülle von Material, Einsichten und Ratschlägen
zum Durchdenken und zum Erproben geboten. Und jeder, der
mehr will, findet in den Literaturverweisen der Anmerkungen
Wege gewiesen, um je nach Notwendigkeit oder Neigung seinen
Horizont zu erweitern. Das Buch macht Freude und Mut zur Sache.

Gröben b. Ludwigsfelde Paul Watzel

Doerne, Martin: Die Finsternis vergeht. Predigten. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht [1963]. 189 S. gr. 8° Lw. DM15,80.

Wenn man diese Predigten nicht nur liest, sondern analysiert«
spürt man in der sorgsamen exegetischen Fundierung, in der klaren
theologischen Ausrichtung, wie in der stilsicheren und lebendigen
Durchgestaltung den Meister der Homiletik. Ihre „Thematisierung
und Gliederung dient, entgegen heute herrschenden Vorurteilen
, der Texttreue der Predigt. Ihre Funktion ist, das Eine
und Ganze des Textes zu fassen und vernehmlich machen zu helfen
" (S. 187), ohne darüber etwa schulmeisterlich zu werden und
das „artificium der Homiletik" in den Vordergrund zu spielen. M
dieser ganz von der Sache her bestimmten, ganz auf das Selbstzeugnis
des verkündigten Wortes gestellten Gekonntheit, Erfahrungsreife
, seelsorgerlichen Einfühlungskraft und Ausrichtung auf
den heutigen Menschen gewinnen diese Predigten über das ad hoc
hinaus, auch unbeabsichtigt, exemplarische Bedeutung.

Sie wurden als Universitätspredigten gehalten. Das bestimmt ihr
Bildungsniveau. Sie lassen die lebendige Auseinandersetzung mit
den geistigen Strömungen unserer Zeit - bis zur Namensnennung
- deutlich werden, ohne doch einem akademischen Jargon
zu verfallen. Ihre kompositorische und sprachliche Dialektik ist
überschaubar, verständlich und klar. Sie urteilen ausgehend von
der Einfachheit des Evangeliums maßvoll und weise abgewogen
und verlieren sich nicht in Über- und Dauerreflexionen, ohne etwa
dabei vorhandenen Spannungen auszuweichen. Das gibt ihnen
eine gewisse Klassizität, die der theologischen Unruhe der jungen
Generation vielleicht zu harmonisch vorkommen mag. Dahinter
steht aber das Zutrauen auf die eine unbeirrbare Wahrheit de*
Wortes Gottes, um deren alles bestimmende Mitte es dem Prediger
gehen muß, wenn er seiner Gemeinde auftragsgemäß dienen wü'-

Die überlegene Freiheit, die das kerygmatisch Wesentliche her-