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1968

Kategorie:

Psychologie, Religionspsychologie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9

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eine Analyse der Beziehung zwischen Sünde und Tod, zwischen Goldbrunner, Josef: Sprechzimmer und Beichtstuhl. Über

Sünde und Krankheit. Dieser Charakterisierung des Negativen Religion und Psychologie. Freiburg/Br.: Herder [1965). 128 S.

folgt in gleicher Gründlichkeit und Gestaltungskraft die des Posi- kl. 8° = Herder-Bücherei, 227. DM 2,80.

tiven: des neuen Lebens im Glauben, der Erneuerung des Gewis- Vom Standpunkt katholischer Anthropologie her trägt der Vf.
sens im Glauben und ein umsichtiger Ausblick über das Schuld- ais prjester und Hochschullehrer aus seelsorgerlicher Erfahrung
Problem zwischen Vergangenheit und Zukunft. acht Themenkreise vor: Glaube und Tiefenpsychologie. Religiöses
In der Tiefenpsychologie nehmen mit natürlichem Recht den Erleben in unserer Zeit. Ober den Durchbruch zum Menschlichen
Hauptraum ein die drei Großen, Freud, Adler, Jung, während die in der Erziehung. Die Bedeutung der Tiefenpsychologie für das
Nachfolgenden umsichtig und zutreffend gefaßt werden unter das christliche Leben. Vom personalen Rufcharakter des Evangeliums.
Stichwort „Anthropologische Psychologie". Gern liest man hier Sprechzimmer und Beichtstuhl. Hilfe in krankhafter Sündenangst
gerade als Theologe den positiven Hinweis über den so oft ein- Heiligkeit und Gesundheit. In vielen Variationen und unter immer
seitig gesehenen Sigmund Freud, daß er das Wissen um Schuld neuen Gesichtspunkten werden tiefenpsychologische Erkenntnisse
und die Bereitschaft, sie sich auch zu gestehen, in Kreisen geweckt £ur eine gegenwärtige Interpretation und ein möglichst tieferes,
nat, die der Kirche und ihrer Verkündigung fernstanden. Gut zeitgemäßes Verstehen von Glaubenswahrheiten verwertet, um
charakterisiert ist bei Alfred Adler die eigentümliche Doppelheit den Menschen von heute zur Konfrontation mit dem eigentlichen
acr Erschlossenheit und Verschlossenheit zugleich: Verständnis für Anruf Gottes im Evangelium fähig zu machen. Nicht vom Grenz-
«cligion und bereitwilliges Zugeständnis, von ihr viel gelernt zu £an des pSyChisch Kranken, sondern vom Normalfall des gesunden
naben einerseits, und Mangel an metaphysischem Verständnis, Menschen her wird argumentiert, um Hilfe zur Daseinsbewälti-
tehlen jeder Zugangsmöglichkeit für die Wirklichkeit einer tran- gung im Horizont christlicher Existenz zu geben. Weil aber eben
szendenten Macht andrerseits. An Jung sieht der Autor mit Recht der Kranke ärztlicher Hilfe bedarf, ist es nötig, daß der Seel-
«»s wesentliches Verdienst zunächst die Überwindung des kausal- sorger Symptome einer möglichen seelischen Erkrankung erkennt,
Mechanischen Verständnisses der Schuld und die kritische Weiter- um ärztliche Hilfe einzuleiten. Deshalb werden u. a. Erkenntnisse
"nrung des Freudschen Libidobegriffes. Der Jung eigentümliche ^ psychologie, der Psychoanalyse und der Psychotherapie z. B.
egriff des „Selbst* in Überhöhung des „Ich" wird erfreulicher- der Richte gegenübergestellt, um die grundsätzliche Verschiedenweise
gut gewertet und ist wesenhaft verstanden. Mit Recht ge- heit beider darzustellen und dabei zugleich die krankhafte seeli-
wurdigt ist auch die Wertung des Gewissens bei Jung, ist auch sche Not von der schuldhaften seelischen Not unterscheiden zu
aer Schatten" sowie die Bedeutung von Opfer und Versöhnung lernen Dafj Verbindungen zwischen beiden Nöten möglich sind,
s charakteristisch herausgestellt. wird anerkannt. Der Ton liegt aber darauf, daß die Hilfe eine
Die teilweise recht verschiedenen Autoren der nachfolgenden verschiedene ist. „So treten psychologische Behandlung und Beicht-
Generation faßt Harsch zusammen unter dem Stichwort „Anthro- spendung klar auseinander auf zwei verschiedene Ebenen, sie
Alogische Psychotherapie". Hier wird besonders - und mit sind so verschieden wie der bequeme Sessel und das harte Knie-
echt - das Verhältnis von Schuld und Person herausgehoben, bretr (s 73) Andererseits weiß der Vf. auch die mit dem fortschrei-
«ncr die Bedeutung des Stichwortes „Existenz" in Verbindung tenden Proze§ der Säkularisierung gegebenen Relationen positiv
n>t Existenzschuld, Schuld im Mitsein mit Anderen, als Perversion darzustellen. „Tiefenpsychologie hilft dem modernen Menschen,
er Werte, im Verhältnis zum Gewissen. Nicht vergessen ist ver- scinen stand in sich zu gewinnen, damit er sich gefaßt und nicht
verf'h rWdSe Krankheit als FOrm schuldhafter Daseins- zerfließend der Außenwelt zuwendet. Aus solcher Korrespondenz
eniung. erwächst die Fähigkeit des verantwortlichen Hörens auf das Evan-
Keferat, Würdigung und Kritik stehen in harmonischem Ver- gelium" (S. 17). Demjenigen also, der belasteten Gesunden in ihren
a'tnis zueinander. Das Ganze erhält eine Steigerung an Bedeu- Existenznöten zuzuhören, mit dem Evangelium zu raten und in
"ig und Gewicht durch die „Zusammenfassung" am Schluß, die seiner person beizustehen hat, ist die tiefenpsychologische Orien-
Ur fünf Seiten umfaßt und doch nicht nur einen Ausblick auf die tierung dieses instruktiven Taschenbuches eine gehaltvolle Anre-
eitcre Entwicklung enthält, sondern - gewichtiger und wichti- gung für sein seelsorgerliches Bemühen, „damit der Mensch
« r - eine Frage an die Verantwortlichkeit beider Partner: die wieder aus seinen Tiefen leben lerne und heil werde in seiner
ctenpsychologie wird vor die Frage gestellt, ob sie noch weiter- Ganzheit" (S. 33); denn alle Seelsorge muß „dem einzelnen zur
har,~~ m dcm MaÖC' Wi° CS 9«*hieht ~ in der Immananz ver" 'Selbstfindung' helfen und dafür sorgen, daß das Selbst die
da en könne, während doch in ihrer eigenen Arbeit, gerade durch Glaubensantwort in Freiheit geben könne" (S. 50).

5 Schuldproblcm. ständig ihr Momente begegnen, die den Rah- Einige störende Druckfehler könnten zukünftig beseitigt wer-
d n der Immanenz sprengen. Der damit verbundene Hinweis auf den. g g z 13 _siegmund Freud- statt „Freund"; S. 11 Z. 20 „för-
e ehnsthehe Anthropologie gibt der Überzeugung Ausdruck, daß dernd gber (sic!) hemmend"; S. 11 Z. 21 „verabredeten" statt „verrenn
d'CSer daS vollständ'9e Menschenbild gegeben ist, wah- arbredeten"; S. 13 Z. 29 „das sich Gott ein (sie!) Gegenüber ge-
p-, 10 Tiefenpsychologie hier noch immer weithin durch Vor- schaffen hat" vemutlich „als Gegenüber"; S. 14 Z. 32 „der Psyche"
eue gehemmt ist. Für uns noch wichtiger ist, daß die evan- statt des Psyche-. s. 38 z. 4 zweimal „die intentio" statt „das"
entl vf Thcol°9ie 9efra9l wird' ob sie sich weiterhin der Aufgabe bzw ^er intentio». s. 42 z 8 wic die Kunst- statt _ wie Kunsr.

ziehen könne, die biblisch-theologische Anthropologie neu zu s 45 z g junktional- statt „fuktional"; S. 94 Z. 19 „die göttlichen

kann u d3S hcifit konkret: ob sie weiterhin »nur von Gott" reden Wirklichkeiten" statt „den göttlichen Wirklichkeiten"; S. 108 Z. 21

Zusta-° "m d'e r e- 31 C ,WirkHchkeit' den.k °_n k r,et e n ist das erste „ist" zu streichen; S. 110 Z. 19 „dieses Einschwingen"
befj.

and zu bemühen, in dem der Gott anredende Mensch sich statt diese Einschwingen"; S. 110 Z. 31 ist das „sowohl" über-

ndet.

Da tj flussig.
und 'St Cine 9ründliche und zuverlässige Leistung in klarer Man wünscht dem Buch außer einem Gespräch über seinen

WünÄ1" lesbarer Darstellung, der man gerne folgt. Manchmal spezielien Gehalt und seine besondere Thematik eine vor seiner

Posi ■ Skh di° Verwandschaft zwischen den verschiedenen Aussage liegende Diskussion zwischen katholischer und evange-

sPrün°rCn n0ch mehr heraus9cste,It- Bei c- G- Jung ist die Ur- lischer Anthropologie. Hier stehen noch Fragen des Vorverständ-

n un9nchkeit, mit der aus seiner Person „seine" Psychologie folgt, nisses an.

Univ Starkcr' als es hier die Darstellung sagt, auch seine Therapie Lü*cndorf Werner Tan.trt

ab ^rsa'cr> offener, als es hier zum Ausdruck kommt. Im Schluß-

sehnitt vermißt man die Erwähnung der Stuttgarter Gemein- -

Mon^AlZt ,Und Scclsor9er" mit ihrer intensiven Arbeit und die der Bitter, Wilhelm: Psychopathologische Massenerscheinungen als
Prob] "WC9C ZUm Menschen'"- dic 9anz der behandelten Kriegsursache (DtPfrBl 68, 1968 S. 185-191).

WmCmat'k 9cwidmct ist. Aber das sind nur Hinweise, die den Citron, Hans: Zur Psychologie des Gewissens (Wege zum
ein Buches und die Freude an ihm nicht schmälern. Es ist Menschen 19, 1967 S. 222-230).

e vorzügliche Darstellung sowohl der gegenwärtigen Situation Eickhoff, Friedrich-Wilhelm: Einige psychoanalytische Über-

s Schuldproblems wie auch der Tiefen und Höhen, die mit ihm legungen zur Bedeutung seelischer Gesundheit (Wege zum
v°rbunden sind Menschen 20, 1968 S. 75-82).

^ Gilen, Leonhard: Das Unbewußte und die Religion nach CG.

•"i-Friedridishagra Otto Haendler Jung (ThPh 42, 1967 S. 481-506).