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Ausgabe: | 1968 |
Kategorie: | Kirchengeschichte: Neuzeit |
Titel/Untertitel: | Neuerscheinungen |
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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9
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selbst in der Zeit, als seine publizistische Tätigkeit ihrem Höhepunkt
engegenreitt, und seine „Christwerdung" für viele frühere
Betracher feststand, weist der Vf. an eindrucksvollen Beispielen
nach, wie der bejubelte Patriot noch immer am Wesen des dlrist'
liehen Glaubens rätselt und selbst nach einer kurzen Episode der
•Heimkehr* in den entscheidenden Sturmjahren mehr auf eine
künftige „große Verwandlung" hofft, als in einem ihm gegenwärtigen
spezifisch christlichen Glauben Wurzeln schlägt. Die
leiten der Beruhigung und Klärung setzen erst später - nach
1817 - ein, wobei wiederum nicht zu übersehen ist, daß die
Blickrichtung zu einem ersehnten geeinten Vaterland sich mit
christlichen Aussagen verbindet. Das „deutsche Gewissen" verknüpft
sieh mit christlichen Bekenntnissen. Eigenart und Größe
von Arndts Wirksamkeit werden damit nicht geleugnet, und man
merkt dem Vf. bis zur letzten Seite seiner Darstellung an, wie
sehr er um ein anerkennendes Verstehen seines Gegenstandes
erfolgreich bemuht ist. Wertvoll sind die dem Buch beigegebenen
Arehivalien.
Berlin Karl K u p i s c h
Schmidt, Kurt Dietrich: Gesammelte Aufsätze, hrsg. v.
M. Jacobs. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1967]. 334 S.
gr.8°. Lw. DM39.-.
Eine Auswahlausgabe der Aufsätze (und Reden) des 1964 verstorbenen
Hamburger Kirchenhistorikers Kurt Dietrich Schmidt
Wird nicht nur seine Schüler, Kollegen und Freunde erfreuen,
sondern auch für alle an kirchengeschichtlichen Fragen Interessierten
eine dankbar aufgenommene Gabe sein. Die von Schmidts
Schüler, Priv. Doz. Jacobs, besorgte und herausgegebene Sammlung
enthält kleinere Arbeiten sehr unterschiedlichen Gepräges, entsprechend
dem Anlaß ihrer ersten Anfertigung. Schmidt hat die
Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Forscherarbeit nie nur in
den Sarkophagen gelehrter Publikationsorgane niedergelegt, sondern
war der Überzeugung, dafj die Kirchengeschichte soviel wert
'st, wie sie auch für das Ohr der Gebildeten verständlich bleibt,
die nicht unmittelbar zur Zunft gehören. Diese „Popularität" in
f'er Kunst der Darstellung konnte er deshalb mühelos meistern,
^ 'eil er erst dann zur Feder griff, wenn die Problemverknotungen
sich in seinem eigenen Räsonement in klare Erkenntnis aufgelöst
hatten.
Die Aufsätze umfassen zeitlich etwa 30 Jahre. Der älteste
stammt aus dem Jahre 1929 und handelt „vom Sein und Wollen
des Christlich-sozialen Volksdienstes", dem Schmidt sich nach
der Krise der Deutschnationalen Partei zugewandt hatte. Er berührt
das politische Gebiet, und mit der Politik geriet der Gelehrte
einige Jahre später ungewollt in Konflikt, als er seine ersten
Studien über die Bekehrung und christliche Frühzeit der Germanen
veröffentlichte. Die beiden in diesem Band aufgenommenen
Arbeiten (Christus der Heiland der Germanen; Bonifatius
und die Sachsen) sind erstmalig nach dem Kriege veröffentlicht
Worden, die hier zuerst genannte lag zur Veröffentlichung schon
v°r 30 Jahren vor, wurde aber von den NS-Zensurbehörden als
-unerwünscht" verboten. Neben einigen Aufsätzen zur katholischen
Kirche (Papa Petrus ipse, Thomas von Aquin, Von der Scholastik
*ur Aufklärung) umfafjt ein größerer Teil die Reformationszeit
und mit ihr zusammenhängende Fragen. Besonders hervorgehoben
sei der s. Zt. viel beachtete Aufsatz über Ignatius von Loyola
s°wie die verschiedenen auf Luther sich beziehenden Arbeiten,
^u den aus dem Kirchenkampf sich ergebenden Fragen weisen
die beiden Arbeiten über das Widerstandsrecht in der Kirche sowie
der Aufsatz über die Struktur der Bekennenden Kirche hin. Zwei
sehr grundsätzliche Arbeiten zur Kirchcngeschichte und Kirchen-
9eschichtsschreibung, die nicht nur angehende oder bereits gewordene
Historiker sich ansehen sollten, beschließen die schöne
Sammlung, der eine Bibliographie (in Auswahl) angefügt ist.
Berlin Karl Kupiich
Buske, Thomas: Overbecks theologisierte Christlichkeit ohne
Glauben (Theologische Zeitschrift 23, 1967 S. 396-411).
'Kierkegaard :] Kierkegaard nachkonziliar. Aus den Tagebüchern
ausgewählt und übertragen von H. Roos. Einsiedeln:
Johannes-Verlag [1967]. 122 S. 8° = Kriterien, 5.
Loewenich, Walther von: Wesen des Neuprotestantismus
(Freies Christentum 20, 1968 Sp. 36-39).
Philonenko, A.: Histoire et religion chez Tolstoi (RThPh 100,
lyöS S. 65-87).
Rang, Bernhard: Die Frömmigkeit der Aufklärung (Quatem-
ber 32, 1967/68 S. 102-112).
Schoeps, Hans-Joachim: Friedrich Naumann als politischer
Erzieher (ZRGG20, 1968 S. 3-13).
S c h o 1 d e r , Klaus: Zur gegenwärtigen Situation der Erforschung
des Kirchenkampfes (Verkündigung und Forschung 13, 1968
Heftl, S. 110-133).
PH1LOSOPIHK UNI) KKLIUIUNSPHILOSOPHIK
Collins, James: The Emergence of Pbilosophy of Religion.
New Häven - London: Yale University Press 1967. XV, 517 S.
gr. 8U. Lw. 90 s.
Es ist ein vornehm ausgestattetes und sehr umfangreiches Werk,
das James Collins, Professor der Philosophie an der St. Louis
University, USA, herausgegeben und seinen Studenten, die im
Laute der Jahre bei ihm Philosophie gehört haben, gewidmet
hat. Es geht ihm um nichts Geringeres als den Nachweis, daß die
Religionsphilosophie eine philosophische Disziplin ist, und er
weicht hier von der üblichen Auffassung ab, die eine solche mit
Kant beginnen läßt. Vor der Zeit Kants fielen sowohl die Religionsphilosophie
als auch die Erkenntnistheorie mit der Metaphysik
zusammen; Collins jedoch will auf die Religionskritik
David Humes als den Beginn der Religionsphilosophie zurückgehen
: das große Buch behandelt zuerst diesen, sodann Kant
und schließlich mit Hegel. Somit ist es das Jahrhundert von 1730 bis
1830, das in den Mittelpunkt der Untersuchung gerückt wird,
dessen Repräsentanten aber sozusagen ganz und gar die drei
genannten Denker sind. Collins untersucht ihre Stellung zu der
religiösen Wirklichkeit, ihre Methodologie bei der Erforschung
der religiösen Erscheinungsformen und ihren Einfluß auf das
philosophische Denken und seine Begriffsbildung. In der Auflassung
der wichtigsten religionsphilosophischen Fragen will
Collins bei den drei Denkern eine gewisse Ähnlichkeit finden,
und er legt bei seiner Darstellung besonderes Gewicht darauf,
wie das Wesen der Religion mit Hilfe von philosophischen Methoden
und Begriffen ausgedrückt werden kann. Die Auffassung von
Gott soll in eine religiöse Theorie transformiert werden, weil
der religiöse Glaube und das religiöse Verhalten so stark in der
menschlichen Wirklichkeit verwurzelt sind, wo auch das Problem
des Bösen und die Wirklichkeit eine Rolle spielen. Von Wichtigkeit
ist auch der religiöse Glaube an einen Gott, der sich offenbart,
und das Bedürfnis nach einer religiösen Gemeinschaft. Collins
eigene Auffassung findet sich im letzten Teil des Buches und
zeigt volles Verständnis für das Metaphysische und Ethische,
berücksichtigt aber auch voll und ganz die Gedanken von Hume,
Kant und Hegel, denen er ein wirklich eingehendes Studium
gewidmet hat. Quantitativ werden sie gemäß der Proportionen
viel, mehr, am meisten behandelt, und das letzte Drittel des
Buches wird dann zur Darstellung der eigenen Gedanken des
Autors über die Religion und ihr Verhältnis zur Philosophie, zur
Gesellschaft und zur göttlichen Offenbarung benutzt. Collins tritt
für einen „realistischen Theismus" und einen offenen religiösen
Humanismus ein. Fragen wie das Verhältnis von Moral und
religiösem Ethos, Symbolen und Kult werden ebenfalls in dem
imponierenden Werk behandelt, das sowohl eine Darstellung der
Geschichte der Religionsphilosophie in ihren ersten Phasen als
auch ein selbständiger Beitrag zum religionsphilosophischen
Denken der Gegenwart in dessen Verhältnis zur Philosophie und
Kultur ist.
Vielleicht könnte man den Einwand machen, daß Hume nicht
in die Religionsphilosophie hineingehört, teils weil er nicht von
der Gültigkeit der religiösen Lebenshaltung zu sprechen,
sondern sich im großen und ganzen damit zu begnügen scheint,
die gewöhnlichen religiösen Vorstellungen zu kritisieren, und
teils weil er der Religion keinen ursprünglichen Platz im Seelenleben
zuschreibt - wie es z. B. Rudolf Otto tut, der das religiöse
Gefühl als ein psychisches Urdatum betrachtet -, sondern behauptet
, die Religion könne auf Furcht und Hoffnung als mehr pri-