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Ausgabe:

1968

Spalte:

686-687

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Rudnick, Milton L.

Titel/Untertitel:

Fundamentalism and the Missouri Synod 1968

Rezensent:

Danker, William J.

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9

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gehende Schilderung der Zeit vom 17. bis 24. Oktober 1529, während
der die Lutherischen in Göttingen ihrem Glauben einen Sieg
erkämpften, wurde zwar seit einer Darstellung von 1736 in allen
wissenschaftlichen Veröffentlichungen über die Göttinger Refor-
mationsgeschiche benutzt, ist aber im vollen Wortlaut bisher nicht
zugänglich gewesen. Eine modernisierte Veröffentlichung im Göttinger
Gemeindcblatt ist wertlos, da sie auf jegliche Erläuterung
verzichtet

Durch eine vorbildliche Edition dieser wichtigen lokalgeschicht-
Hchcn Quelle hat nun Hans V o 1 z diesen Mangel beseitigt. Durch
einen umfangreichen Anmerkungsteil, der fast so stark ist wie das
veröffentlichte Kapitel aus der Chronik, hat V. in seiner bekannten
Sorgsamkeit nicht nur jede sachliche Schwierigkeit erklärt, sondern
auch durch ausführliche Bemerkungen zu jedem der zahlreichen
genannten Namen nicht allein der Göttinger Lokalgeschichte
weiteres Material erschlossen. Es gelingt ihm dabei der Nachweis,
daß Lubecus, obwohl selbst nicht Augenzeuge der Ereignisse, seine
Quellen - wegen der Fülle an Daten, Namen und detaillierten Angaben
kommen hier wohl nur schriftliche in Frage - mit Sorgfalt
benutzt hat. Alle von ihm genannten Namen konnten bis auf zwei
Namen zu dieser Zeit in Göttingen lebend nachgewiesen werden,
womit die Zuverlässigkeit des Lubecus bewiesen ist. Ein Ortregister
und ein Personenverzeichnis, wegen der vielen Namen hier besonders
wichtig, erschließen diese Edition als wichtiges Hilfsmittel
über die Göttinger Rcformationsgcschichtsschreibung hinaus.

Berlin Hans-Ulrich Deliul

Luthe r'sWorks. Vol. 30: The Catholic Epistles, ed. by J. P e -
Hkan, and W. A. Hansen. St. Louis/Miss.: Concordia Publishing
House (1967). XI, 347 S. gr. 8° Lw. $ 6.-.
Wir haben die Ausgabe aus Anlaß eines früheren Bandes grundsätzlich
gewürdigt (ThLZ 93, 1968, Sp. 124). Zu diesem Band ist
folgendes zu bemerken. Die Einleitungen der Übersetzer zu den
einzelnen Predigten bzw. Vorlesungen Luthers über die katholischen
Briefe laufen auf gedrängte Homilicn hinaus, was der
Sinn solcher Einführungen jedoch eigentlich nicht ist. Auf S. 12
wird in solchem Rahmen die von Luther verwandte Lehrerwägung
über das Vorhandensein von Antilcgomena im Kanon zugrunde-
gclcqt, welche doch sehr problematisch ist, doch von der herausgebenden
Lutherischen Kirchc-Missourisynodc häufig verwandt
und nie abgetan worden ist. Die textkritische Arbeit an den
T uthertexten ist sorgfältig. Nicht immer wird der Weg eingehalten,
den die Weimarana beschritten hat. Nur in Einzelfällen kommt
mir das gewagt vor, so z. B. wenn statt „multorum" gesetzt wird
•nulierum" (S. 313). Die Fußnoten sind durchweg hilfreich und
gründen sich teilweise auf bemerkenswerte thcologiegeschichtlichc
Kenntnisse. Es wirft sich aber noch eine heikle Frage auf. Diese
Ausgabe bringt nur einen Teil von Luthers Werken, wenn auch
"i 55 Bänden einen stattlichen - Hat man also schon gekürzt, so
hätte man erwägen können, ob man außer dem Weglassen ganzer
Werke auch das Weglassen von Passagen innerhalb der gebrachten
Werke hätte verantworten können. Bei Predigten und exegetischen
Vorlesungen, die das Pastorale stark heraustreten lassen, wird der
heutige Leser bisweien durch das Fiebrige in Luthers Kontroversdiktion
erschreckt, und man empfindet, dafi der ausgelegte Text
Mancherlei Seitenhiebe gar nicht gerechtfertigt hat. Bei den hoch-
n°lemischcn Werken (zumal des Jahres 1520) ist das etwas andc-
r°s; wollte man hier einebnen, so würde das Werk nicht mehr es
Reibst sein. Wer solches liest, soll ja gerade in die Kontrovers-
n9c jener Zeit hineinversetzt werden. Aber bei Predicrtcn bzw.
exegetischen Vorlesungen ist das etwas anderes, insbesondere
dann, wenn der Reformator sich Abschweifungen vom Text und
Spincr Auslegung gestattet, nur um dem Gegner etwas „auszuwischen
". Nichtsdestoweniger kann man es natürlich auch vertreten,
e'ne Predigt, wenn überhaupt schon, so vollständig zu bringen.

O^erfiBdihoch b, Bail Tölz Cornelius Frhr. von H c y 1

° e k w o 1 d t , Gerd: Das Menschenbild Calvins (NZSTh 10, 1968
s- 170 189).

uchd rucker, A.-E.: Die regula atque norma in der Theo-
!03ie Luthers (NZSTh 10, 1968 S. 131-169).

Usch, Ernst Gerhard: Gelöstes Rätsel um einen Zwingli Brief
(Zwingliana 12, 1968 S. 665-667).

sindelv, Endrc: Heinrich Bullingers Berufungen im Jahre
^Wl (Zwingliana 12, 1968 S. 668-676).

KIRCH ENGESCHICHTE: NEUZEIT

R u d n i c k , Milton L.: Fundamentalism and the Missouri Synod.

A historical Study of their Interaction and mutual Influence.
St. Louis/Miss.: Concordia Publishing House [1966). XII, 152 S.
gr. 8°. Lw. $ 5.95.

Es wird vielerseits behauptet, die Missouri-Synode sei zutiefst
vom amerikanischen Fundamentalismus beeinflußt worden. Selbst
Hermann Sasse klagt in einem kürzlich erschienenen Aufsatz, dafj
Missouri-Theologen im 20. Jahrhundert (deren er vier mit Namen
nennt) den klaren Einfluß des Fundamcntalismus aufweisen.
(„Luther and the Word of God", Heino O. Kadai, ed., „Accents
in Luther's Theology". St. Louis and London: Concordia Publishing
House, 1967. S. 83).

R. hält solche Ansichten für verfehlt und bemüht sich in seiner
Studie, die als Doktorarbeit am Concordia Theological Seminary,
St. Louis, angenommen wurde, diese Meinung zu korrigieren.
Falls man seine Definition des Fundamentalismus annimmt, muß
man seine Haltung zumindest ernst nehmen. In seiner Untersuchung
gilt als „fundamentalism" eigentlich nur die spezifische
geschichtliche Bewegung, die sich im amerikanischen Protestantismus
besonders während der Zeitspanne 1909-1930 abspielte.
Eine Reihe von Flugblättern, „The Fundamentals", wurden zu
Anfang dieser Periode in Millionen von Exemplaren verbreitet,
um den hochflutenden Liberalismus einzudämmen. Verf. widmet
als erster den grundlegenden Fundamcntals ein ganzes Kapitel.
Übrigens soll das Wort „fundamcntalist" zum ersten Mal im
Jahre 1920 gebraucht worden sein (S. 25).

In seiner sachlichen und fairen Haltung gegenüber beiden Kämpfern
, den Fundamentalisten nicht weniger als den Liberalen,
leistet Verf. einen wertvollen wissenschaftlichen und ökumenischen
Beitrag. Standardstudien des Fundamcntalismus (bes.
Steward G. Cole, „The History of Fundamentalism" New York,
1931; Norman F. Furniss, „The Fundamentalist Controversy".
New Häven, 1954) werden von R. als allzu polemisch kritisiert.
Im Kontrast mit diesen Untersuchungen unterscheidet er zwischen
dem Fundamcntalismus und anderen konservativen Reaktionen,
z. B., dem „dispensationalism" der 1860er und '70er Jahre, der
dem Fundamentalismus einige seiner charakteristischen Züge verlieh
.

Zu den nichttheologischen Ursachen des Fundamcntalismus
zählt der Verf. u. a. die Säkularisierung der Gesellschaft, welche
seitens konservativer Protestanten der liberalen Theologie vor
die Tür gelegt wurde. Auch in der Nachwirkung des ersten Weltkriegs
, in dem das deutsche Volk ungerechterweise verteufelt
wurde, wird ein Beitrag zum Fundamcntalismus erblickt. Der
protestantische Liberalismus in Amerika wurde nämlich vielerseits
als gefährliche theologische Einfuhrware aus Feindesland
verabscheut.

Nach R. blieb die Missouri-Synode von diesem ganzen Streit
zwischen Fundamentalisten und Liberalen im Gründe unangefochten
. Erstens war die Synode zu jener Zeit fast ausschließlich
deutscher Abstammung und schätzte ihr kulturelles Erbe. Dadurch
blieb ihr die allgemeine Abneigung gegen Deutschland erspart.
Zweitens gab es in der ganzen Synode damals kaum einen Tropfen
theologischen Liberalismus, der in anderen Kirchcngcmcinschaftcn
die Vorbedingung zum Emporkommen des Fundamcntalismus
bildete. Dazu kam schließlich noch die damalige strenge Haltung
der Missouri-Synode gegen jeden vermeintlichen Unionismus
auch mit den Fundamentalisten. Der missourische Konservatismus
wurde nicht durch den „Fundamcntalismus", sondern durch folgende
vier Maßstäbe bestimmt: Bibel, Bekenntnisschriften, Lutherschriften
und die orthodoxen Dogmatiker des 17. Jahrhunderts.
Die maßgebende „Christliche Dogmatik" von Franz Pieper war
mit Zitaten aus Quenstedt, Gerhard und Hollaz überaus reichlich
gespickt. Unter den obengenannten vier Quellen wurde nur die
Bibel von den Fundamentalisten anerkannt. Trotz aller Sympathie
zwischen Missouriern und Fundamentalisten, die besonders durch
Walter A. Maicr, den erfolgreichen Rundfunkprediger, erregt
wurde, blieb Missouri den Fundamentalisten fern. Wenn die
Missouri-Lutheraner, genau wie die Fundamentalisten, praktisch
den Glauben an die Schrift zum Eingangstor für den Glauben
machten (Cf. Sasse, op. cit., S. 82), so dürften sie dieses in erster
Linie von der Orthodoxie des 17. Jahrhunderts gelernt haben, die