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Ausgabe:

1968

Spalte:

677-679

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Lang, Justin

Titel/Untertitel:

Die Christologie bei Heinrich von Langenstein 1968

Rezensent:

Grane, Leif

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9

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..Gedanken des Schöpfers als der Allursache" ausgehen soll (aaO; Traktat „De verbo incarnato" (in einem Textanhang ediert) beähnlich
S. 232f). Letzteres aber gar mit dem Prädikat „heilsöko- handelt. Nachdem der Verfasser damit die Christologie Langen-
nomisch" auszustatten (S. 257), ist für systematische Begrifflichkeit Steins unter Berücksichtigung der verschiedenen Typen von Schrif-
schlechthin eine Verzerrung. tcn entfaltet hat, gibt er im dritten Teil eine systematische Dar-
Auch die Probleme geistesgeschichtlicher Überlieferung sind Stellung. Das geschieht unter zwei Gesichtspunkten: „Die begriff-
etwas zu kurz gekommen. So scheint sich der Verfasser nicht die liehe Durchdringung des Christusmysteriums" (hauptsächlich die
Frage vorgelegt zu haben, ob vielleicht nicht das pseudo-dionysi- Lehrschriften) und „Die heilsgeschichtlichc Darstellung des Chri-
schc Gedankengut einem Mutationsprozeß unterworfen gewesen stusmysteriums" (Genesiskommentar und die erbaulichen Schriften),
sei, als es durch Johannes Scotus der abendländischen Trinitäts- Zuletzt stellt der Verfasser die Frage nach der „problemgeschicht-
theologic vermittelt wurde. Sollten hier vielleicht die Voraus- liehen Einordnung der Langensteinschen Christologie". Eine kurze
Setzungen geschaffen worden sein, daß pseudo-dionysische An- „Zusammenfassung" beendet das Buch.

schauungen in eine so enge Kontamination zur augustinischen Die Darstellung der Christologie im zweiten Teil scheint zü-
Trinitätstheologie eingehen konnten? St. Otto, Die Funktion des verlässig und sorgfältig zu sein. Die Methode des Verfassers mächt
Bildbegriffes in der Theologie des 12. Jh's, Münster 1963, lllff es uns allerdings schwer, die Ergebnisse geschichtlich zu bewerten,
hat diese Frage in vorbildlicher Weise aufgegriffen. Ein Vergleich weil ja die Theologie Langensteins zuerst sozusagen relationslos
der betreffenden Partien seiner Untersuchungen mit denen H.'s geschildert wird. Alles hängt darum vom dritten Teil ab. Lang
(S. 299ff) zeigt, wieviel präziser, aber auch differenzierter bei betont, daß es bei Langenstein zwei verschiedene Linien gibt:
solchem Vorgehen das Ergebnis ausfällt. eine begrifflich-spekulative und eine heilsgeschichtlichc. Die erste
Es wimmelt von Druckfehlern, die von flüchtigem Korrektur- findet man vor allem in den Sentenzenkommentaren, wo Langenden
zeugen. Sie aufzuführen, würde ermüden. Einige seien stein ganz in die Spuren der damaligen Schultheologie getreten
Jedoch genannt, weil sie den Unwillen des Rezensenten erregt ist und als ein nominalistisch gefärbter Eklektiker bezeichnet
'abeii. So: „Liber Ecclcsiasticis", „des Genadius" (S. 115); „de werden kann. Der Verfasser will aber das Eigentliche bei Langen-
sakramentis" (S. 186); „voluntas Crealoris" (S. 264); „heilsökume- stein mehr bei dem reformeifrigen Prediger finden, der die
nisch" (s. 299) statt „heilsökonomisch" (S. 257). Ärgerlich ist auch, Christologie „dynamisch-heilsgeschichtlich" versteht, indem er sie
wenn aus nicht kontrollierbaren Quellen wie der HS Staatsbiblio- mit der Trinitätslehre und mit der Schöpfungslehre verbindet.
iek München Clem. 22307 fol. 90-91"- ungenau zitiert wird Die Inkarnation ist nicht grundlegend als Erlösung verstanden;
(S. 151 ff A. 4), was zu kontrollieren mir rein zufällig durch die sondern als „das Nachaußentreten in der Zeit dessen, der seit
Lektüre von St. Otto aaO S. 45 A. 69 möglich war. Ewigkeit Logos war" (S. 308). Aus dieser „supralapsarischen" In-
Cottingen Carl Andrescn karnationslehre ergibt sich ein großes Interesse am Leben Jesu-,

was auch dem Reformprediger entspricht. Das mag alles wahr
sein, aber man vermißt in der Zusammenfassung wirkliche Prä-
a n 9 , P. Justin, OFM: Die Christologie bei Heinrich von Langen- zisierung der Eigenart des Langenstein. Diese ist hier meistens
stein. Eine dogmenhistorische Untersuchung. Freiburg-Basel- in sehr allgemeinen Formulierungen zum Ausdruck gebracht. Das
Wien: Herder 1966. XX, 390S. 8J = Freiburger theologische hängt m. E. mit einer gewissen Schwäche dieser Arbeit zusammen,
Studien, hrsg. v. J.Vincke, 85. die im 10. Kapitel: „Die problemgeschichtliche Einordnung usw."-,
In der ^Erforschung der Theologie des 14. und 15. Jahrhunderts besonders deutlich hervortritt,
ehlt noch so viel Grundsätzliches, dafj jede Monographie, die In diesem Kapitel sollte also Heinrich endlich aus der bisherigen
auch nur ein kleines Stück erhellen kann, mit Freude begrüßt Isolation gelöst werden. „Das dogmenhistorische Umfeld" (S. 329)
Verden muß. Der Verfasser dieser Studie über die Christologie sollte jetzt beachtet werden. Das Ergebnis ist aber eine En't-
ei Heinrich von Langenstein hat ziemlich enge Grenzen für seine täuschung. Zuerst gibt der Verfasser eine Übersicht über die von
emühungen gesetzt, aber innerhalb dieser hat er gute Arbeit Langenstein angeführten Autoritäten und Doktoren. Danach will
Seieistet. Sein Ziel war anfänglich die „Sichtbarmachung dessen, er das Verhältnis zu der Augustinerschule, zum Thomismus-Scotis-
was überhaupt im 14. Jahrhundert einen Vertreter der Spätscho- mus und zum Nominalismus untersuchen. Wenn er aber „das
astik an einer der jungen [d. h.: deutschen) Universitäten christo- eigentlich Augustinische" der Christologie des Langenstein in der
°9isch interessierte" (S. V). Langenstein wurde als Beispiel ge- voluntaristischen Konzeption seiner Gottesidee findet, muß erzählt
, weil er nicht nur „an der Spitze aller deutschen Spätschola- widert werden, daß das ebensogut vom Scotismus-Nomialismus
. ker" stehe, sondern auch, weil er - wegen seines Reformeifers - stammen könnte. Daß Augustin selber dabei geschichtlich bedeut-
mer jener Männer sei, die „die Epoche zwischen Scholastik und sam gewesen ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle,
eforrnation prägten" (ebd.). Obwohl Lang mit Recht betont, „daß Der Vergleich mit dem Thomismus führt zu der Feststellung, daß
eologisch bisher nur wenig über diesen bedeutenden Gelehrten Heinrich in verschiedenen Einzellchrcn Thomas folgt, obwohl die
Ausgemacht wurde" (ebd.), versucht er keine allgemeine Charak- Grundlage nicht thomistisch sei. Aber weil auch Lang meint, der
ensierung der Theologie Langensteins, was zu bedauern ist. Er Nominalismus sei die für Heinrich wichtigste Schulrichtung, ist
s^eht nicht die Christologie im Zusammenhang der theologischen es wesentlicher, was er über den Einfluß des Ockhamismus zu
esamtheit, um dadurch einen Schlüssel in die Hand zu bekom- sagen hat. Hier zeigt sich leider die Begrenzung des Verfassers,
^en, sondern hält sich von Anfang an streng an die Christologie, Seine Auffassung vom Nominalismus gründet vor allem auf der
Urn dann nachher eine theologiegeschichtliche Einreihung zu ver- älteren Literatur (z. B. Michalski). Die neuere Forschung, etwa
Stichen, indem er die Einflüsse der verschiedenen Schulen disku- seit dem zweiten Weltkrieg, kennt er offenbar nicht sehr. Es fällt
614• Diese Methode ist wohl verwendbar, insofern sie sehr gut auf, wenn in einem Buch über die Christologie bei einem ockha-
Zu zuverlässigen Resultaten führen kann. Sie ist aber weniger mistisch orientierten Theologen solche Werke wie Obermans „The
reich an Perspektiven, weil ja die Forschung im allgemeinen sich Harvest of Medieval Theology" und Iserlohs „Gnade und Eucha-
"otwendigerweise mehr für „die problemgeschichtliche Einord- ristie in der philosophischen Theologie des Wilhelm von Ockham"
nun9" des Heinrich von Langenstein als für diesen an sich inter- überhaupt nicht erwähnt sind. Und es ist doch heute nicht mehr
essiert. Dieses ist nicht als Kritik im eigentlichen Sinne gemeint, möglich, über philosophische Probleme des Ockhamismus zu
sondern nur als eine Feststellung der bewußt gewählten Grenzen sprechen, ohne die Forschungen von Philotheus Boehner zu beach-
eser Arbeit. ten. Das tut aber der Verfasser mit beklagenswerter Wirkung.
Das Buch besteht aus drei Teilen. In dem ersten gibt Lang eine Es geht einfach nicht an, die Lehre von der potentia absoluta nur
Wertvolle, kritisch abwägende Übersicht über Leben und Schriften mit Hilfe von E. Borcherts Buch über die communicatio idiomatum
angensteins. Man bekommt hier eine eindrucksvolle Schilderung zu bewerten. Lang kennt den Nominalismus nicht, und weil er;
er vielseitigen Tätigkeit Heinrichs, vor allem als Kirchenpoli- wie er selber gesteht, auch mit der Langensteinschen Theologie
lker, Mystiker und theologischer Lehrer. Der zweite Teil ist - außer den christologischen Abschnitten - nur wenig vertraut
Benannt: „Die christologischen Aussagen Langensteins in der Lehr- ist, wird sein Buch nicht eine wirkliche dogmenhistorische
^twicklung seines Gesamtwerkes" und enthält Kapitel über die Untersuchung,
eiden Sentenzenkommentare, über den Genesiskommentar und Die entscheidende Schwäche dieses Buches hängt also damit
er die Scrmonesliteratur; schließlich auch ein Kapitel, das den zusammen, daß der Verfasser im 10. Kapitel nur einige allge-