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Ausgabe:

1968

Spalte:

668-669

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schürmann, Heinz

Titel/Untertitel:

Die geistlichen Gnadengaben in den Paulinischen Gemeinden 1968

Rezensent:

Perels, Otto

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9

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Barnabasbrief Christus wieder nur am Rande als Lehrender er-
• scheint. Die Epistula Apostolorum verweist im Abwehrkampf gegen
die Häretiker mehrfach auf den „Meister" Christus, der Antwort
auf die Fragen seiner Jünger erteilt. Aus dem apokalyptischen
Schrifttum verdient nur die Bemerkung des Hermas Beachtung,
dafj Christus dem Volk „das Gesetz gab" (sim. V6,3). Die Apologeten
reden zwar alle betont von „Lehre" usw., doch erscheint
Christus nur bei Justin sowohl als „neuer Gesetzgeber" wie als
„der Lehrer" im grofjen Widerstreit der jüdischen und heidnischen
Meinungen, der durch „seine göttliche Lehre" die volle Wahrheit
verbürgt. Als präexistenter Logos hat er schon zu den Philosophen
und Propheten der Vorzeit geredet. Bei Irenaus dominiert
die polemische Komponente. Er mufj zeigen, dafj Christus als der
„allein wahre und zuverlässige Lehrer" gerade nicht den Vorstellungen
der Gnostiker entspricht. Dabei wird das Verhältnis Gott-
Mensch grundsätzlich als das Verhältnis Lehrer-Schüler gesehen
und das Motiv der Lehre betont mit dem der Erziehung verbunden.
Clemens führt die Linie Justins weiter, greift aber gleichzeitig
den Erziehungsgedanken des Irenäus auf. Die Kirche wird zur
„Schule", in der Christus als der maßgebliche Pädagoge die ganze
Menschheit unterrichten will.

Oberblickt man das Gesamtergebnis, so ist es trotz aller aufgewandten
Akribie relativ mager. Jenseits der Evangelien spielt
die Didaskalos-Vorstellung eine betonte Rolle nur bei Justin,
Irenäus und Clemens. Auf den Leser wirkt es ermüdend, wenn
streckenweise immer wieder nur Fehlanzeigen das Ergebnis sind.
Wirklich lehrreich ist dagegen der wechselnde „Sitz im Leben":
Gemeindekatechese, Polemik, Apologetik. Bedauern kann man, dafj
N. mit seiner Untersuchung nicht schon bei der Logienquellc (Q)
einsetzt und am Ende nicht noch Tertullian berücksichtigt.

Der Begriff „Verlehrung" bleibt trotz Anführungsstriche ein unschönes
Wort. - Auf S. 109, Anm. 16 sind zwei Zeilen auf den
Kopf gestellt.

Leipzig Günter Haufe

Kehl, Nikolaus: Der Christushymnus im Kolosserbrief. Eine
motivgeschichtliche Untersuchung zu Kol. 1, 12-20. Stuttgart:
Kath. Bibelwerk 1967. 180 S. gr. 8° = Stuttgarter Biblische Monographien
, hrsg. v. J. Haspecker u. W. Pesch, 1. Kart. DM 22,-.
Die vorliegende Untersuchung, eine „Teilleistung zur Erlangung
des Doktorgrades" an der Theol. Fakultät der Universität Innsbruck
(S. 9), verfolgt das Ziel, die Struktur des umstrittenen
Hymnus in Kol. 1 zu erhellen, soviel ich sehe, mit Hilfe dreier
Arbeitshypothesen.

1. K. fragt literarkritisch nach dem „Urhymnus" (1. Kap., S. 28
bis 51). Da man von einem Hymnus nur reden kann, wenn dieser
vor Abfassung einer Schrift vorgelegen hat, strebt der Verf. stilkritisch
über die älteren Ergebnisse hinaus.1 Ausgangspunkt sind
ihm die eindeutig parallelen „Sprecheinheiten" mit annähernd
entsprechenden Silbenzahlen (S. 35). Jede Strophe hat, bei ständig
gesteigerten Silbenzahlen der Zeilen, zusammen 88 Silben (Strophe
2 zuzüglich 5 Silben der Schlufjzeile), ebenso auch das Pro-
ömium v. 12-14. In v. 15f. ist diese Struktur allerdings nur durch
Konjektur erreicht (Umstellung in der All-Formel). Doch stört das
den Verf. nicht, weil der Urhymnus in doppelter Erweiterung vorliegt
, die Urform also verlorengegangen ist. Erweiterung ist die
Zwischenstrophe v. 17f„ die für Strophe 2 das „Bezugswort" liefert
wie das Proömium für Strophe 1 („Bezugswort" meint die
Prädikation, an die der Relativanschlufj anknüpft). Zweite Erweiterung
ist v. 16b und 20c (nach E. Schweizer und H. Hegermann
).

Solange wir keine über E. Nordens Aufstellungen2 hinausführende
Aufarbeitung des jüdischen und hellenistischen Rhythmus besitzen
, sind silbenzählende Versuche m. E. nur mit äufjerstcr
Vorsicht zu gebrauchen. Das wird hier daran deutlich, dafj das
Proömium nur der Gesamtzahl der Silben, nicht aber der Struktur
der Zeilen wegen mit den Strophen vergleichbar ist. K.s Strukturanalyse
belastet der Gedanke der Erweiterungen. Ich sehe

' Über die vom Verf. bearbeitete Literatur hinaus nenne ich noch E. Bammel,
Versuch Col. 1.15-20, ZNW 52/1961, S. 88ff.; IT.-F. Weift, Untersuchungen zur
Kosmologie des hellenistischen und palästinischen Judentums. TU 97, 1966: F.d.
Lohte. Christolcgie und Ethik im Ko'osseibri-f. B7NW 30, 1S64, S. 156ff.

2 E. Norden, Agnostos Theos, 1913; 19564.

nicht, inwiefern die „erste Erweiterung" für Strophe 2 notwendig
sein kann und die ursprüngliche Zugehörigkeit des Proömiums
zum Hymnus beweisen könnte.

2. Den Hauptteil des Buches (Kap. 2-5) füllt die religionsgeschichtliche
Erörterung (Christus als Bild Gottes - Der Erstgeborene
- Der Schöpfungsmittler - Die Versöhnung des Universums).
Nicht die gnostische (E. Käsemann) oder eine jüdisch-hellenistische
(H. Hegermann) Weltschau stehe im Hintergrund der Prädikationen
und Motivgruppen des Urhymnus. Diese knüpfen
vielmehr an die biblische Weisheitsliteratur an, die „den möglichen
alten Mythus schon radikal entmythologisiert hat" (S. 64). K.
verkennt offenbar den Sinn der reliqionsgeschichtlichen Fragen
nach den Hintergründen von Kol. 1. Es handelt sich dabei doch
nicht um den Versuch, einen neuen Mythus im Kontext des Hymnus
einzubringen, sondern um die Frage, ob die hymnische Be-
arifflichkeit ihrer Zeit aktuell ist. Der Rückgriff auf die biblische
Weisheit rettet zwar den Text gegen den Vorwurf des Mythologischen
, aber doch nur unter dem Verdikt, dafj das Lied eine ausgesprochen
veraltete Terminologie vertreten habe.

3. Da die Einzelmotive im Hvmnus iedoch in einer bestimmten
ciecrenseitigen Zuordnung begegnen, mufj K. zuletzt (Kap. 6,
S 137ff.) nach dem „auslösenden Moment", dem „Katalysator"
oder .Magnet" suchen, „der die Einzelmotive so in seinem Kraftfeld
anordnet, dafj daraus ein Muster, ein 'pattern', entsteht, in
dem die Einzelmomente ihren bestimmten Platz innerhalb des
Canzen" erhalten (S. 137). Er findet dies in den hellenisch gedeuteten
stoicheia tu kosmu = den vier Weltelementen Erde,
Wasser. Feuer und Luft, die im Judentum um weitere „Geschöpfe"
wie Himmel. Sterne, Engel, Tiere usw. vermehrt worden seien.
Damit ist dann „der Beweis" erbracht, dafj der Hymnus von
Paulus stammt, der bei der Missionsarbeit an den Heiden die
Überwindung der religiös-völkischen Absonderung Israels verkündet
habe.

Aber darf man überhaupt ein Schema zum Mittelpunkt eines
Hvmnus machen, der mit keinem einzigen Wort auf dies Schema
verweist? Und wie soll man sich dns vorsHlen, dafj Paulus den
Urhymnus und die zweifache Erweiterung und den Brief geschaffen
hat. gleichzeitig aber schon im Urhvmn'is gegen die kolossische
Irrlehre zielt? Ist der Kolosserbrief sozusagen in monatelanger
Arbeit aus einem liturgischen Mittelstück entwickelt worden?
Oder zeigt sich an dieser Lösung nur dafj sehr reale theo-
loqische Arbeitshypothesen die an und für sich richtig begonnene
Analyse hemmen, indem sie die Anschaulichkeit der erschlossenen
Traditionsgeschichtc zerstören?

Corrigenda: S. 28 Z. 8 Zeilenanfang . und". - S. 41 Z. 15 „bildet".
Sicher sollte man das Adjektiv „apodiktisch" (z. B. S. 89 Anm. 18),
den Satz „ist zum Dogma geworden" (S. 39) und Bemerkungen
wie auf S. 111 Anm. 5 wider G. Bornkamm in Zukunft lieber
lassen. Sonst freut sich der eine oder andere ebenso wie der
Rezensent, dem Verf. unbekannt aeblieben zu sein, und ich
meine, in dieser Hinsicht sicher zu Recht.

Borsdorf bei Leipzig Gottfried S c h i 1 1 e

Schürmann, Heinz: Die geistlichen Gnadengaben in den
paulinischen Gemeinden. Lcinzig: St. Benno-Verlag [1965]. 78 S.
8° = Die Botschaft Gottes. Eine biblische Schriftenreihe, hrsg-
v. O. Schilling u. H. Schürmann. Tl. Neutcstamcntl. Reihe, 18.
Das schmale Büchlein bringt eine umfassende Darlegung und
kurze Erläuterung der biblischen Texte sowie eine gründliche
neutestamentlich-theologische Aufarbeitung der gesichteten Sachverhalte
. Sorgfältig werden die Texte durchgenommen: Auf sehr
alte Traditionsschichten zurückgeführte Sätze aus der Apg. (!*'
22.24.27; 13,1-3); die das Thema betreffenden Stellen der Paulus-
Briefe in der Reihenfolge 1. Thess. 5, 1. Kor. 12-14, Phil. 1, Rom. 12;
Weisungen für die nachapostolinische Zeit aus Eph. 4, Did. i*
1. Tim. 3 und 4, Tit. 1, Apg. 14,21-23; 20,17-18. 28-32, Jak. 5,14.
Hcbr. 13, 1. Petrus 5 werden in Übersetzung zitiert, in Zusammenhang
gebracht und kurz erläutert. Zu 1. Kor. 12 wird die erwägenswerte
Bemerkung gemacht, dafj Paulus die Sätze v. 28-f-29I
den vv. 4-11 stillschweigend korrigierend zur Seite stelle.

Das Kapitel „Das Phänomen" erläutert die Begriffe: Geistesgaben
(ir.veuuccTt.vicc) , Wirkkräfte (EvepYnMorra) , Dienste (6t.ooiovCoct) •
Gnadengaben (xapCcrjiaTtO . Es wird hervorgehoben, dafj Paulus
sich bewufjt nicht auf einheitliche Benennung festlegt, um die