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Ausgabe:

1968

Spalte:

659-661

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bauer-Kayatz, Christa

Titel/Untertitel:

Studien zu Proverbien 1 - 9 1968

Rezensent:

Bertram, Georg

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659

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9

660

Exegese von 1 QH 11,3-14 folgt der Exkurs: „Der Ausdruck ,die
Heiligen' in den Qumrantexten und im sonstigen Spätjudentum".

Dem Mittelteil vorgebaut sind einige methodische Vorbemerkungen
(S. 11-15), eine Einleitung in die Hodajoth (S. 16-33), die
sowohl auf die poetische Form als auch auf das formgeschichtliche
und literarkritische Problem eingeht, sowie ein kurzes Kapitel
über das Vorkommen reiner Enderwartung (S. 34-43).

Auf den durch die Einzelexegese erschlossenen Ergebnissen
bauen die ihr folgenden Abschnitte auf, die eine systematische
Zusammenfassung des Inhalts des „eschatologisch-gegenwärtigen
Heils" versuchen (S. 113-175) und nach dem Sinn und dem Aufkommen
dieser Heilsvorstellung fragen (S. 176-188).

Wer sich kurz anhand der Kapitelüberschriften über den Inhalt
des Buches informieren möchte, dem wird der ab S. 176 häufig
verwendete Terminus „besondere Eschatologie" auffallen; er wird
erst nach eingehender Lektüre der betreffenden Kapitel verständlich
. Vielleicht hätte sich ein Terminus finden lassen, der
etwas von dem Charakter dieser „besonderen Eschatologie" erkennen
läßt, etwa „zukünftig-gegenwärtige Eschatologie"?

Da sich auch in der Verkündigung Jesu ein Miteinander von
eschatologischen Zukunfts- und Gegenwartsaussagen feststellen
läßt, geht ein Anhang (S. 189-204) abschließend hierauf ein.

Das Buch ist, sich hierin würdig an die bisher erschienenen
Bände der „Studien zur Umwelt des Neuen Testaments" anschließend
, gründlich und unter Heranziehung einer reichen Fülle von
Literatur gearbeitet; in ihrer Verwendung verrät der Verfasser
durchweg ein gutes Urteil. So ist es überzeugend, wie er sich in
dem sehr instruktiven und einprägsamen Kapitel „Das formgeschichtliche
und literarkritische Problem" (S. 21-33) mit der Gattungsanalyse
von G. Morawe (Aufbau und Abgrenzung der Loblieder
von QuTnran, 1961) auseinandersetzt

Methodisch richtig ist, daß bereits in der Einleitung und dann
immer wieder in der Exegese auf die Bedeutung der hebräischen
Tempora eingegangen wird. Denn nur bei einer genauen grammatischen
Analyse, die sich nicht auf die Verbform als solche beschränkt
, sondern auch den Kontext mit berücksichtigt, läßt sich im
Hebräischen die Zeitstuf e erkennen. Bei dieser schwierigen Aufgabe,
die zumal in der Poesie immer wieder vor Probleme stellt, ließ
sich der Verfasser von D. Michel beraten,- er benutzte nicht nur
ausgiebig dessen Buch, Tempora und Satzstellung in den Psalmen
(Bonn 1960), sondern konnte auch in Gesprächen mit ihm die
Problematik erörtern. Dies kam der Arbeit sehr zugute, und es
läßt sich sagen, dafj der Verfasser in der für sein Thema entscheidenden
Frage, ob eine Heilsaussage gegenwärtig oder zukünftig
gemeint sei, durchweg das Rechte getroffen hat.

In Einzelheiten mag die Darstellung H.-W. Kuhns nicht überall
Zustimmung finden. So erscheint mir fraglich, ob man H.-J. Kraus'
Meinung (Psalmen I, S. XXXIV), Stichen von mehr als vier Hebungen
überschritten den Rahmen des metrisch Möglichen, einfach
als unrichtig abtun kann (so S. 18, Anm. 2). Nicht überzeugt
hat mich die Beweisführung, dafj in 1 QH 11,12 - „damit du aus
dem Staub heraus die madigen Leichname zur Gemeinschaft (deiner
Wahrheit) erhebst" - von der Auferstehung die Rede sei
(so S. 80ff.). „Madiger Leichnam" ist m. E. - so auch Maier, Lohse
und Holm-Nielsen - als Niedrigkeitsprädikat des Frommen zu
verstehen. Das ganze würde ich als bildliche Redeweise auffassen.
Doch auch wo man mit dem Verfasser nicht einer Meinung sein
kann, wird man seine gut begründeten Darlegungen mit Gewinn
lesen.

Ein ausführliches Quellen- und Literaturverzeichnis sowie
mehrere Register erleichtern die Benutzung des Buches. Der Text
ist mit außergewöhnlicher Sorgfalt gesetzt und korrigiert. Störend
ist, dafj die Pseudepigraphen in der veralteten Rechtschreibung
der Übersetzung von E. Kautzsch (1900) zitiert werden.

Die Arbeit H.-W. Kuhns ist eine gründliche und gediegene
Untersuchung, die sich anregend liest und die angelegentlich
empfohlen werden kann.

Berlin Ludwig Wachtet

Kayatz, Ch.: Studien zu Proverbien 1-9. Eine form- und motivgeschichtliche
Untersuchung unter Einbeziehung ägyptischen
Vergleichsmaterials. Neukirchen-Vluyn •. Neukirchner Verlag des
Erziehungsvereins X, 147 S. 2 Taf. gr. 8° = Wissenschaftliche
Monographien zum Alten und Neuen Testament hrsg. v. G. Bornkamm
und G. v. Rad, 22. DM 18,80; Lw. DM 21,80.

Die ersten 9 Kapitel der Prov. haben ihre schon immer von der
Forschung anerkannte Eigenart. Die stärkere formale Geschlossenheit
und die thematische Bestimmtheit dieser Kapitel machen sie
geeignet zur Einleitung der Sammlungen der Einzelsprüche. Diese
Stellung wie auch der literarische Charaker dieser Abschnitte
schienen sie in eine verhältnismäßig späte, nämlich die nach-
exilische Zeit zu weisen, zumal vor allem in der Hypostasierung
der Weiheit hellenistischer Einfluß wirksam zu sein schien. Ein
Vergleich der alttestamentlichen mit der griechischen Spruchüberlieferung
(Hesiod, Demokrit) schien diese Auffassung zu bestätigen
. Gewiß wurde auch die altorientalische Weisheit aus Ägypten,
Babylonien-Assyrien, Sumer und neuerdings auch Ugarit herangezogen
und schließlich richtete die Veröffentlichung der Sprüche des
Amenemope die Blicke auf diese geistesgeschichtlichen Zusammenhänge
. Damit wurde auch die übliche zeitliche Einordnung
des 1. Teils der Prov. zweifelhaft. In der vorliegenden Arbeit ist
nun die notwendige genaue Untersuchung mit aller Umsicht und
Sorgfalt vorgenommen worden. Das Material aus der israelitischen
und der ägyptischen Überlieferung wird, soweit sich Parallelen
zu bieten scheinen, gegenübergestellt. Dafür wird dankenswerterweise
in einem Exkurs ein Überblick über das ägyptische Material
von der Zeit des Alten Reiches bis zu Amenemope im Neuen Reich
und zum Papyrus Insinger in der ptolemäischen Zeit (oder wenig
früher) geboten und namentlich nach der formalen Seite charakterisiert
. Wenn in dem späteren Papyrus Insinger gerade der
einfache Spruch vorkommt, so kann er keinesfalls als früheste
Stufe der Spruchweisheit angesehen werden. Damit entfällt dieses
vielbenutzte Argument für die zeitliche Einordnung.

Der ägyptische Einfluß auf die israelitische Geisteshaltung ist
auch nicht erst für die persische Zeit anzusetzen (Achikar), sondern
ist als ein breiter Strom des kulturellen Austausches für eine
viel frühere aus den geschichtlichen Berührungen zwischen Palästina
und Ägypten nachzuweisen und in Einzelheiten mindestens
seit der älteren Königszeit zu belegen. In einer Einleitung zur
Methode und zum Ergebnis der bisher durchgeführten Vergleiche
stellt die Verf. die verbreitete Annahme, daß die Entstehung von
größeren Einheiten auf Addition von Einzelsprüchen zurückgehe
und daß, was den Inhalt betrifft, profane Lebensweisheit allmählich
religiös umgebildet und umgedeutet worden sei, in Frage.
(Doch vgl. schon die Einführung des Gott-Vater-Bildes in Prov 3,12
und die religiöse Umbildung in den Übersetzungen von LXX bis
Luther.) In den ägyptischen Überlieferungen ist das Ziel aller
Weisheitslehren von vornherein die Verwirklichung der von Gott
gestifteten Ordnung in der Welt. Entsprechend findet auch die
israelitische Weisheit ihre Grenze in dem freien Handeln Gottes.
Sie steht aber nicht neben der Gottheit, sondern unter ihr und
wird letztlich durch die Gottesfurcht bestimmt.

Im ersten Teil ihrer Untersuchung bemüht sich die Verf. um
eine formgeschichtliche und vergleichende Analyse der ägyptischen
Weisheitsichre und der Prov. 1-9. Der Prolog der Prov. folgt
fremden Vorbildern. Im Text der Sprüche werden kasuistische
und imperativische Sätze unterschieden, die entweder allgemein
oder durch die Prädikation bestimmter Begriffe oder Menschentypen
begründet werden, sich mit Mahnungen und Warnungen
verbinden und u. U. auch andere Erweiterungen erfahren. In
Ägypten wie in Israel begegnet uns dabei eine bildhafte Topik der
Organe und Glieder des menschlichen Körpers. Die alttestament-
liche Überlieferung scheint mir hier mehr schematisch zu sein
als die ägyptische, auch wenn das Schema gelegentlich fehlerhaft
durchbrochen wird (vgl. Ps. 115,6 mit 135,17, oder den Zahlenspruch
Prov. 6,16-19, in dem Vers 19 formal falsch ergänzt wird,
während sich sonst in der Spruchüberlieferung zahlreiche verstreute
Beispiele derselben Topik finden: Ps. 34,14; Prov. 18,6;
21,13 usw., s. die Konkordanz s. v. Mund, Hals, Leib; auch ist
hier Raum für freie Weiter- und Nachdichtung). Mit Recht wird
auf die Besonderheit der Stellung des Herzens in der ägyptischen
Topik der Gliedmaßen hingewiesen. Im Zusammenhang mit der
Prädikation Prov 3,13-20 findet sich ein hymnisches Preislied auf
die Weisheit, wie es in Ägypten nur selten in bezug auf den Gott
begegnet. Die Prädikationen entfalteten sich öfter selbständig zu
reich gegliederten Einheiten abschließend mit Verheißungen für
den, der der Weisheit folgt. Die eingefügten Reflexionen betrafen
vor allem das Verhältnis von Gott und Mensch.

Wie weit aber immerhin der Parallelismus zwischen Ägypten
und Israel in dieser Überlieferung gehen mag, für die besondere