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Ausgabe:

1968

Spalte:

651-653

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Charity, Alan C.

Titel/Untertitel:

Events and their afterlife 1968

Rezensent:

Weiß, Konrad

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 9

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stus in der Welt vollfuhrt hatte und darum an der Seite ihres Herrn
stand, ist und bleibt auch im Weltensabbat neben ihm: sie
„herrscht' mit ihm, d. h., sie offenbart nun unwidersprochen vollendet
die ß a a t X e t a' ihres Herrn (20,4-6). Das ist der Sinn
des „tausendjährigen Reiches"49.

Die Vision von der Weltvollendung verwendet das prophetische
Motiv der „neuen Schöpfung" (vgl. bes. Jes 65,17; 66,12; 43,19,
usw.), um den Sinn der Endvollendung der Gemeinde zu verdeutlichen
, ohne daß das Wie der Endvollendung mit sinnenfreudigen
irdischen Zügen ausgemalt würde. Nachdem im Gericht die
Sünde, alle Auflehnung gegen Gottes gnädigen Willen vernichtet
wurde, endet auch alles Leid und alle Not der sündigen, unter dem
Gericht stehenden Welt. Gott „macht alles neu", er „wohnt" bei den
Menschen, sie werden sein Volk sein und „trinken aus dem Brunnen
des lebendigen Wassers umsonst" (21,1-8). Genauer erhält
dieses Motiv seine Umschreibung und Verdeutlichung im Begriff
des Bundesvolkes und ewigen Lebens, wie sie in den Visionen
vom neuen Jerusalem (21,9-27) und vom wiederkehrenden Paradies
(22,1-5) ausgeführt werden.

In diesen Bildern runden sich die Visionen zu einer geschlossenen
Einheit ab. Die Offenbarung dessen, „was in Kürze geschehen
soll", liegt nun vor dem Leser bzw. Hörer: das in der
Schöpfung gesetzte Ziel einer im Dienst, Lob und Preis die ewige
Majestät Gottes verherrlichenden Menschheit wird von Gott selbst
verwirklicht. Dies ist der eigentliche Sinn der neuen Schöpfung.

IV.

Wir dürfen das Erarbeitete in einigen Sätzen skizzenhaft zusammenfassen
.

Einmal ist es klar: die Apk kennt keine „Zwischenzeit". Die
Gegenwart gehört hinein in die Endgeschichte, und die Endgeschichte
wird von Johannes als Gegenwart erlebt. Es gibt keine

49 Vgl. auch Goppelt, a. a. O. Sp. 520f.

sichtbare Trennungslinie, welche die Endgeschichte merkbar von
der Gegenwart absetzen würde. Die zur Endgeschichte gewordene
Gegenwart geht bis zur Parusie, welche die Vollendung einleitet,
doch so, da5 in der Vollendung als offene und unwidersprochene
Realität zutage tritt, was schon jetzt als eschatologische Wirklichkeit
unter der Herrschaft des Lammes verborgen besteht.

Damit hängt ein Zweites zusammen. Das sehnsüchtige Gebet des
Johannes und der Gemeinde richtet sich auf das Kommen des
Herrn, welches die Vollendung bringen wird. Weil die Gegenwart
in die unter der Herrschaft des Lammes stehende Endgeschichte
hineingenommen ist, lebt die Gemeinde mit ihrem Zeugnis vom
erhöhten Christus in der Gewißheit, daß der Tag des kommenden
Herrn anbrechen wird. Diese Gewißheit macht alle Berechnungen
apokalyptischer Art, wie sie im Judentum gangbar waren, überflüssig
. In der Apk wird nirgends eine Spur derartiger Berechnung
sichtbar, der Apokalyptiker sieht auch keine Notwendigkeit,
solche Berechnungen zurückzuweisen. Gerade deshalb gibt es auch
für ihn und für seine Gemeinden kein Problem der „Parusiever-
zögerung". Dieses Problem stellt sich erst ein, wenn sich die Gemeinde
in einer „Zwischenzeit" weiß oder etwa gar zu Berechnungen
über den Termin der Parusie bereit ist. Die Gemeinde
der Apokalypse lebt in der Gegenwart ihres Herrn. Darum gilt
für sie beides. Einmal, daß sie selig ist als die Erwählte und zum
Hochzeitsmahl des Lammes Berufene (19,9). Sie steht in ihrer
eschatologischen Gegenwart auf dem Berge Zion neben dem Lamm
und singt ihm zu Lob das „neue Lied" (14,3). Dazu kommt das
Zweite. Selig sind die Toten, die in dem Herrn gestorben sind,
„von nun an". Sie haben ihr Zeugentum vollendet, ruhen aus von
ihrer „Mühe" ( k oi o 5 ) und die „Werke" ( e p y <* ) ihres
Zeugentums „folgen ihnen" in die Ewigkeit ihres Herrn (14,13)M.
Damit ist die Gegenwart der Gemeinde nicht nur in die Endgeschichte
, sondern auch in die Vollendung aufgenommen.

50 Vgl. bes. Lohmeyer und L o h s e z. St.

BIBELWISSENSCHAFT

C h a r i t y, A. C.: Events and their Afterlife. The Dialectics of

Christian Typology in the Bible and Dante. London: Cambridge

University Press 1966. XI, 288 S. 8». Lw. 60 s.

Das Buch stellt den Versuch einer konsequent existentialistischen
Interpretation der biblischen Typologie im Alten Testament
(Part I) und im Neuen Testament (Part II) dar und versucht nachzuweisen
(Part III), daß die Divina Comedia in „Kontinuität, ja
Identität mit Gebrauch und Verständnis von Typologie in der
Bibel" stehe, daß „Wesen und Skopus biblischer Typologie hier
wiederentdeckt" worden seien, so daß nun rückwirkend die Divina
Comedia in gewisser Hinsicht zum volleren Verständnis der Dialektik
der biblischen, speziell der christlichen Typologie beizutragen
vermöge.

Zur Erfassung des Wesens biblischer Typologie geht Vf. vom
Unterschied zwischen mythischem und historischem Existenzverständnis
aus. Das erstere sieht und setzt den Menschen in eine
geschichtslose, ja geschichtsfeindliche, durch ritualistische Technik
zu sichernde Harmonie mit Natur und kosmischer Ordnung, in der
nichts Neues geschieht und der Mensch nie existentiell gefordert
ist. Für geschichtliches Denken hingegen ist alles, was geschieht,
neu, nicht ewig festliegend; es kennt daher den in voller Freiheit
„geschichtlich" handelnden Gott.

Im biblisch-typologischen Denken freilich steht diese Freiheit
und jeweilige Neuheit des göttlichen Handelns in Spannung zu
einem Wissen um das zukünftige Handeln Gottes, das der Glaube
aus dem Rückblick auf frühere Taten Gottes ableitet. Denn der
Glaube erfaßt Gott als den unwandelbar Zuverlässigen (stead-
fast). Nur im Glauben ist die Spannung zwischen Freiheit und
steadfastness des göttlichen Handelns zu fassen und zu halten.

So wird deutlich, daß typologisches Denken das dem biblischen
Glauben eigentlich angemessene ist, da er gegenwärtige Existenz
und zukünftig erwartetes (eschatologisches) Handeln Gottes wohl
ganz auf Gottes jeweils freier Verfügung beruhend, aber auch

in der geschichtlichen Erwählung und den geschichtlichen Taten
Gottes begründet und damit als steadfast versteht. Da Gottes
Handeln auch sub contrario immer von der gleichen Haltung
Gottes zeugt, ist jeder seiner Akte typisch im Sinne der entwik-
kelten Typologie.

Dies ist jedoch nur die eine Seite der Sache. Geschichtliches
Handeln Gottes realisiert sich ständig in Reziprozität mit der
menschlichen Reaktion als Gerichts- oder Heilsvollzug. Die Reaktion
ist also in die Aktion integriert und erhält damit ebenfalls
typologische Bedeutung. Des Menschen Ungehorsam oder bußfertige
Umkehr werden zu Typen, die sich in Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft entsprechen; sie erhalten zeichenhaften
Charakter.

Für Ch. ist Typologie also kritische Rede von Gottes immer
neuem und doch beständigem Handeln in Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft, dem sich der Mensch verantwortlich konfrontiert
sieht und das seine Existenz ständig neu bedingt und schafft
Er nennt sie applied typology und distanziert sich damit
von dem in der gegenwärtigen Diskussion gängigen Verständnis
von Typologie als literarischem Kunstmittel.

Speziell findet er solche Typologie im Alten Testament in der
deuteronomischen Auszugstheologie und in der prophetischen Verkündigung
, besonders der des Tages Jahwes, die er basically
typological nennt. (Die Heilsprophetie without application verfehlt
natürlich den Charakter echter Typologie). Während hier die
Zukunft kritisch auf die Gegenwart bezogen wird, stehen in der
Liturgie (im Gegensatz zum ursprünglich geschichtlos-mythischen
Charakter der Kultfeste) und im Gesetz die vergangenen Handlungen
Gottes in typologischer Relevanz zur Gegenwart.

Aber das Alte Testament endet „in dissidence", da Israel die
durch Gottes typologisches Handeln gesetzte neue Wirklichkeit
nicht voll angeeignet, im Gegenteil im großen und ganzen verworfen
hat.

Im Neuen Testament ist die eschatologische Erfüllung
des typologischen Handelns Gottes in Christus da, aber auch sie
enthält noch „promises", also die Vorschattung cschatologischef