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Ausgabe:

1968

Spalte:

40-41

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

H.-G. Gaffron und H. Stegemann, Systematisches Verzeichnis der wichtigsten Fachliteratur für das Theologiestudium 1968

Rezensent:

Haufe, Günter

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tologie wind eine Protologie gegenübergestellt. Das Joli.-Ev.
kennt Jesus „nur noch in seiner Auferstehungsexistenz" (34); damit
modifiziert es Anschauungen des hellenistischen Enthusiasmus
(vgl. 1. Kor. 15; 2. Tun. 2, 18).

Die „enthusiastische Tradition" (60) zeigt sich auch in der
Gleichstellung von Mann und Frau in der Gemeinde. Die Jünger
in 20, 21 ff. (und sonst) sind „die Repräsentanten der christlichen
Gemeinde" (57), in der es wohl Ämter, aber keine Privilegien
gibt. Zur Tradition hat das Joh.-Ev. ein dialektisches Verhältnis
, ohne etwa Tradition und Geist einander entgegenzusetzen
. Die Tradition ist unentbehrlich dadurch, daß sie auf Jesus
aufmerksam macht; aber der Glaube „muß... zu Jesus selber
gelangen" (76), und das geschieht durch Jesu Wort. Im Joh.-Ev.
wird erstmals „der Geist ausschließlich an das Wort Jesu gebunden
" (84). „Die Gemeinde unter dem Worte lebt davon, dafj sie
in die Gegenwart des Schöpfers gestellt ist" (im Logos als dem
Offenbarer) „und jederzeit das Geschehen des ersten Schöpfungstages
an sich erfährt" (97; „die letzte Schöpfung führt in die
erste zurück", 93). Aber die Wiedergeborenen „repräsentieren .. .
die himmlische Welt und darum .. . nicht eine restituierte Schöpfung
" (112). - Auch im Joh.-Ev. steht das Offenbarungsgeschehen
in einer bestimmten Beziehung zur Geschichte (64-67). „Die
Welt ist der Schauplatz der göttlichen Geschichte". Allerdings
„muß man aus der Welt errettet werden". Aber; „Der iohan-
neische Dualismus ist. . . nicht metaphysisch" (113). Er „ist nichts
anderes als die Lehre von der Allmacht des Wortes" (114).

Die christliche Einheit hängt im Joh.-Ev. mit der Liebe in
einer besonderen Weise zusammen. „Liebe ist von Johannes untrennbar
an das Ereignis des Wortes gebunden" (109). Einheit
meint im Joh.-Ev. „die Solidarität des Himmlischen" (119). „Es
gibt sie immer nur als Reflex himmlischer Realität" (vgl. Vater'
Sehn; 123). „Das angenommene Wort macht himmlisch." Durch
es kommt es zur „Integration in die Einheit von Vater und Sohn"
(in gnostisierendem Selbstverständnis der Gemeinde, in naivem
Doketismus; 124). Johannes läßt die Erde „nicht wirklich Schöpfung
bleiben und auf ihre Neuschöpfung ausgerichtet sein" (auch
hier liegt nach K. unreflektierter Doketismus vor; 118). „Das
Ziel... ist die endgültige Einigung der Gemeinde im Himmel".
Das ist die „eigenartige futurische Eschatologie" des Joh.-Ev.s
(127).

Die entscheidenden Stichworte für die geschichtliche Einordnung
des Joh.-Ev.s durch K. sind bereits genannt (von gnosti-
sierenden Tendenzen ist auch sonst gelegentlich die Rode). Es
entstand nicht im Raum der uns bekannten Kirche, sondern gehört
einem Konventikel zu. Beziehungen zum Judentum, wohl
auch zu Qumrän, sind nach K. nicht zu übersehen. Zeit: Ende des
1. Jh.s; Ort: „nicht allzuweit von Palästina entfernt, vielleicht
am ehesten doch in Syrien beheimatet" (68).

Die Einleitungsfragen - von den üblichen Einleitungen in
das NT hat der Verf. freilich keine gute Meinung (10) - veranlassen
K. mithin zu einer Analyse entscheidender Aussagereihen
des Joh.-Ev.s nach ihren inneren Zusammenhängen innerhalb
des Evangeliums; dabei fragt er auch nach den Relationen zu
anderen Theologien des NTs, zu der des Paulus vor allem Unterschiede
aufzeigend, zu der des Eph. Parallelen. Das geschieht
in ausgesprochener oder unausgesprochener Auseinandersetzung
mit anderen Auffassungen, insbesondere - es handelt sich um
„Shaffer-Lectures in der Yale Divinity School" (5) - audi angelsächsischen
, und, wie zu erwarten, von einem profilierten Verständnis
der Theologie überhaupt und ihrer Aufgabe aus, nicht
ohne Freude an pointierten Formulierungen, aber vor allem theologischer
Verantwortung bewußt'2. Sie bestimmt auch die Beurteilung
der „faszinierende(n) und gefährliche(n) Theologie" des
Joh,-Ev.s (137). Daß er sie weithin nicht rezipieren kann, meint
offenbar der Satz, mit dem K. seine Hörer zu Beginn überraschte:
„Ich werde über etwas sprechen, was ich zutiefst nicht verstehe
" (9).

Wie K. selbst andeutet, ist die hier vorgelegte Auffassung der
sog. Einleitungsfragen gegenüber dem Aufsatz in ZThK 48 (1951)

2) Nur zwei Fragmente: „Es gibt ... die Gefahr . . . einer theologischen
Existenz, die den jeweiligen Einfällen ausgeliefert ist . . . Die Angst vor dem
Dogmatismus führte den Neuprotestantismus In die Willkür der Interpretation
. . ." (136).

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292-31l3 modifiziert; die neue Arbeit befaßt sich überdies speziell
mit dem Joh.-Ev. Eine Gegenprobe auf dessen Beurteilung
durch K. könnte vom Einzelnen her z. B. bei der Frage nach seinen
sachlichen Beziehungen zu Altem Testament und Judentum
einsetzen. Wir werden gerade die Spannungen ins Auge zu
fassen haben, die sich ergeben zwischen dem, was K. den naiven
Doketismus des Johannes nennt, und Aussagen, die, grob gesagt,
das Joh.-Ev. weniger vom übrigen NT abstehen lassen - auch
wenn es uns dadurch nicht leichter werden sollte, das vierte
Evangelium zu verstehen. Daß auch bei K. bestimmte Spannungen
innerhalb des Joh.-Ev.s sichtbar werden, dürften schon unsere
Zitate mehrfach zeigen.

Halle/Saale Gerhard Delling

3) Exegetische Versuche und Besinnungen I (1964), 168—187.

Gaffron, H.-G., u. Dr. H. Stegemann: Systematisches Verzeichnis
der wichtigsten Fachliteratur für das Theologiestu-
diutn. Vorausdruck für das Einzelfach Neues Testament gemäß
dem Stand im Frühjahr 1966. Bonn: Bouvier (1966).
65 S. 8°. Kart. DM 3.-.

Die fortschreitende Spezialisierung der theologischen Wissenschaft
und das damit verbundene Oberangebot an Fachliteratur
haben es mit sich gebracht, daß der Anfänger ohne Obersicht
und klare Maßstäbe für das Wesentliche in der Fülle des
Angebotenen zu ertrinken bzw. von vornherein zu resignieren
droht. In dieser Situation bedeutet die Aufstellung eines systematischen
Verzeichnisses der wichtigsten Fachliteratur für das
Theologiestudium eine gar nicht hoch genug einzuschätzende
Hilfe. Zunächst liegt ein Vorausdruck für das Einzelfach Neues
Testament vor, der dem Stand im Frühjahr 1966 entspricht.
Das von zwei Bonner Assistenten aufgestellte Verzeichnis ist
aus den Bedürfnissen der neutestamentlichen Proseminare erwachsen
und soll in erster Linie eine „Orientierungshilfe für
Theologiestudenten" sein. Man muß den beiden Verfassern
bescheinigen, daß ihre Arbeit durch geschickte Gruppierung und
Akzentuierung ein Maß von Präzision und Übersichtlichkeit gewonnen
hat, das kaum überboten werden kann. Die empfohlene
Fachliteratur wird in zwölf Gebiete aufgeteilt: Einführung in
das Studienfach und Arbeitsanleitungen, Allgemeine Nachschlagewerke
, Bibliographien, Fachzeitschriften, Textausgaben, Philologische
Hilfsmittel, Überlieferung des neutestamentlichen Textes
, Einleitungen in das Neue Testament, Kommentare, Standardmonographien
, Aufsatzsammlungen, Umwelt des Neuen
Testaments und Zeitgeschichte. Ein Autorenverzeichnis hilft
rasch alle Werke des betreffenden Verfassers aufzufinden. Von
großem Wert gerade für den Anfänger sind die den einzelnen
Werken in Gestalt von Punkten, Kreuzen und Sternen beiqege-
benen Benutzungs- und Anschaffungsempfehlungen. Mühelos
vermag er festzustellen, ob ein Werk sich besonders als einführende
Lektüre für Studienanfänger eignet oder ob eine vollständige
Lektüre bzw. eine allgemeine Kenntnis unbedingt erforderlich
ist. Ebenso ersichtlich ist, ob die Anschaffung für die
eigene Bibliothek als unerläßlich, wünschenswert oder nur bei
besonderem Interesse für das Fachgebiet empfehlenswert zu
gelten hat. Natürlich wird auch eine große Zahl von Titeln
mitgeteilt, die nicht unter diese Gruppierungen fallen. Dem
Benutzer erschließt sich so in der Tat ein wohltuend differenziertes
Bild der wichtigsten neutestamentlichen Fachliteratur,
Selbstverständlich läßt sich hier und da über die Akzentuierung
bzw. Auswahl einzelner Titel streiten. Nicht aber dies,
sondern der Dank für das hilfreiche und so vorzüglich gestartete
Unternehmen soll hier an erster Stelle stehen. Es bleibt nur
der Wunsch übrig, daß jeder Benutzer beherzigt, was die Verfasser
ausdrücklich in der Einleitung betonen: „In keiner Wciso
vermag diese Auswahl jedoch die eigene Umschau in den Beständen
der Fachbibliotheken zu ersetzen, die sich stets noch
als die fruchtbarste Art des Bekannt- und Vertrautwerdens mit
der Literatur zu erweisen pflegt."

Leipzig Günter Haufe

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 1