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Ausgabe:

1968

Spalte:

597-600

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

O'Meara, Thomas F.

Titel/Untertitel:

Mary in protestant and catholic theology 1968

Rezensent:

Beintker, Horst

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 8

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Die neue Religionspolitik der spanischen Könige, die damit
einsetzt und das 16. Jahrhundert beherrscht, ist untrennbar mit
der Entwicklung des modernen Staates in Spanien verbunden.
Das Verhältnis zur Kirche wurde entscheidend von dem Standpunkt
des Staatsinteresses bestimmt, auch wenn die Herrscher
von tiefster Frömmigkeit waren. Philipp II. hat sich nie zu einem
Werkzeug der Gegenreformation machen lassen, wie sie in Rom
verstanden wurde, aber die gegen reformatorischen Bestrebungen
stimmten häufig auch mit den Zielen der spanischen Politik überein
. Sie konnten aber auch stark divergieren, wie Philipp II. sich
dem päpstlichen Drängen jahrelang widersetzte, sich durch die
Unterstützung der Thronansprüche der Maria Stuart zum Vollstrecker
der katholischen Restauration in England zu machen,
sondern die Königin Elisabeth aus zwingenden politischen Gründen
schützte und damit, wie man nicht ohne Grund gesagt hat,
den Protestantismus in England rettete. Man versteht erst die
Tragik Philipps II., daß er der Staatsräson immer wieder mehr
Zugeständnisse machen mußte, als es mit seiner religiösen Gesinnung
vereinbar schien. Die königliche Autorität wahrte er in
seinem Lande unbedingt und selbst schroff gegenüber der Kirche,
die im spanischen Kolonialreich in eine besonders enge Abhängigkeit
vom Staate geriet, so daß man hier von einem tatsächlichen
Staatskirchentum sprechen kann. Es trifft also keineswegs
zu, daß es zwischen Staat und Kirche im Spanien des 16. Jahrhunderts
nur zu „Reibungspunkten" kam, „die aus dem Festhalten
an verschiedenen kirchen-politischen Leitbildern erwachsen
mußten" (S. 124), und am Schluß seiner Arbeit muß der Vf. auch
zugestehen, daß „das absolutistische Ordnungsprinzip des modernen
souveränen Staates der Renaissance" in Spanien während des
16. Jahrhunderts „eindeutig zur Geltung" kam. Seine Anfangsthese
, daß die Entstehung des modernen spanischen Staates nicht
„kurzerhand aus dem europäischen Phänomen des Aufkommens
der neuzeitlichen Nationalstaaten" erklärt werden kann (S. 22),
sondern daß der spanische Staat im Dienst „des mittelalterlichen
katholischen Universalismus" verblieb, verbaut ihm die geschichtliche
Sicht des Spaniens des 16. Jahrhunderts, obgleich er gerade
dies von denen behauptet, die eine gegenteilige Meinung vertreten
, und überzeugt ist, „eindeutig" durch seine Abhandlung solche
Meinung als „einseitig und darum irrig" erwiesen zu haben.

Die Darlegungen im 2. Teil über die rechtliche Gestaltung des
Verhältnisses zwischen Kirche und Staat leiden darunter, daß der
Vf. es unterläßt, eine genaue Vorstellung von der Struktur der
Kirche des 16. Jahrhunderts zu geben, die geistliche Heilsanstalt
und weltliche Herrschaftsinstitution zugleich war. Als Grundherr
Uber viele Städte und Ortschaften übte die spanische Kirclie
staatlichc Hoheitsrechte aus, insbesondere die Gerichtsbarkeit und
die Erhebung von Abgaben. Erst wenn man das Mit- und Durcheinander
geistlicher und weltlicher Funktionen der Kirche sich
klar macht, versteht man, worauf die gesetzlichen Anordnungen
1 B. über Immunitäten sich konkret beziehen. So erfüllt doch die
vorliegende Arbeit wenig die Erwartungen, die sich auf die Behandlung
eines so bedeutsamen Themas richten.

Gemünd/Eifel Richard Konetzke

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

° ' M e a r a , Thomas A., O. P.: Mary in Protestant and Catholic
Theology. New York: Sheed and Ward [1966]. VII, 376S. 8°.
Lw. § 7.50.

Der junge Dominikanerpatcr des Aquinas Institute of Iowa,
Mitherausgeber einer katholischen Tillich-Auswahl, legt Studien
über Marientheologie und -Verehrung vor. Sein Vorhaben, über
»Maria in protestantischer und katholischer Theologie" zu unterteilten
, will einer ökumenischen Leserschaft dienen. Diesbezüglich
erörtert er in der Einleitung Möglichkeiten und Methoden ökumenischen
Dialogs. Mit seiner Arbeit möchte er die Positionen klären,
nicht zur Verewigung der Trennung zwischen der katholischen und
der evangelischen Christenheit, sondern mit dem Ziel einer Annäherung
(6) und mit der Hoffnung auf Einigung (12). Freilich:
-Der Katholik kann nicht Protestant werden" (11), denn einer
Bereinigung des Protestantismus mit Rom stünden weitverbreitete
Protestantische Vorurteile entgegen, wofür die Rolle der Maria in

der katholischen Frömmigkeit - ihr bei den Protestanten verzerrtes
Bild - ein Beispiel sein könne (6). Jedoch erhofft sich
O'Meara von seiner Klärung, daß Maria „wieder die Mutter aller
Christen wird" (344). Es scheint, daß er dafür in „Protestant
Trends" - wie er das VII. Kap. „Rückkehr zu Maria: Protestantische
Entwicklungsrichtungen" kennzeichnet - einigen Grund hat.
Doch sehen wir zunächst seine Darstellung der „Theologie von
Maria" etwas näher an.

O'Meara bringt den Stoff in sieben Kapiteln unter, in denen
zumeist rein darstellend evangelische und katholische Stimmen
angeführt werden. Kapitel, die nur die katholische Lehre, und
Kapitel, die nur die evangelische Auffassung behandeln, erhalten
jeweils auch interpretierende Kommentare der anderen Konfession
. Aber auch die Thcmenabfolge verbindet mancherlei, obwohl
der Wechsel des Standortes von den verschiedenen Positionen her,
die gezeichnet werden mußten, unvermeidlich ist. Die Themen:
I. Die Theologie von Maria: Ein Brennpunkt im Ökumenismus
(15-39); II. Marientheologie im römischen Katholizismus (41 bis
107); III. Ein Wechsel des Standpunktes: Luther und Calvin
(109-145); IV. Protestantische und katholische Exegese: Maria
in der Schrift (147-201); V. Zeitgenössische protestantische Theologen
(203 - 257); VI. Die Entwicklung des Dogmas (259-299);
VII. (siehe oben) (301-339); Schluß: Perspektiven für die Zukunft
(341-353); Bibliographie (355-370) und Index (371-376) zu
Namen und Sachen sind beigegeben.

Diese Themenabfolge läßt ein Vorwalten des Gegenwarts-
intcresses für Maria und Mariologie erkennen. Der ökumenische
Dialog möchte sich an der schwierigsten Stelle entwickeln. Zwar
sehe es so aus, als ob heute Maria, nicht Christus, das Zeichen
sei, „dem widersprochen wird", wie Simeon einst sagte (17), aber
nach dem letzten Mariendogma seien die Christen „viel enger
beisammen, als sie es 1950 waren", die letzten Päpste hätten
„paradoxerweise von Maria als einer Kraft für die christliche
Einigkeit gesprochen", und evangelische Theologen träten „mehr
und mehr für eine ernsthafte protestantische Beschäftigung mit
der Mutter Christi ein" (343 f).

Die Reihenfolge der Themen von Kap. II bis VII legte einen
historisch orientierten Aufbau nahe, doch stehen älteste und
jüngste Quellen unmittelbar nebeneinander, nur Luther und Calvin
ragen wie ein erratischer Block, die ganze Mariologie störend
, empor. Methodisch ist deshalb zu dem Buch zu fragen, ob
die Gliederung gut gewählt war. Das ständige Wechseln von katholischer
und protestantischer Position bedingt Wiederholungen
, die auf die Dauer ermüden. Es ist verständlich, daß O'Meara
das Buch nicht in zwei Teile zerfallen läßt, weil er nicht eine
Darstellung der Mariologie von den Anfängen bis zum letzten
Dogma der mit Luther beginnenden evangelischen Theologie
und ihrer exegetischen Konsequenz in der Marienfrage gegenüberstellen
wollte. Sein Anliegen ist es, den Protestantismus anzuspornen
(to stimulate), seine eigene positive Mariologie zu
entwickeln (to develop) (350). Aber die gefundene Lösung dieser
selbstgestellten Aufgabe befriedigt nicht. Der Leser sieht sich
doch gezwungen, die Zweiteilung in Zusammenordnung der protestantischen
und der katholischen Stimmen nachträglich vorzunehmen
.

Was ergibt sich für die protestantische Seite, die O'Meara immer
voranstellt? Luther, der Urheber dogmatischer Engführung,
dessen „Theologie seine Exegese fragwürdig gemacht hat und
die Jungfrau Mutter aus beiden verschwinden" ließ (123), dient
mit einem Zitat als Kronzeuge für das „Theotokos" der römischen
Lehre (43); und K. Barth, der hartnäckigste Kritiker marianischer
Theologie, sekundiert ebenso wie P. Tillich in ausgewählten
Zitaten dem katholischen Anliegen. Man muß wieder
fragen, ob diese Methode der Interpretation der Sache wirklich
dienlich ist. Tillich z. B., auf den Vf. viel Interesse richtet, und
auch Bultmann erbringen für Maria eigentlich nichts. Soll nebenbei
eine Phänomologie des Protestantismus gegeben werden?
Soll die theologische Problematik, die bei der Mariologie mit
vielen zentraleren Themen zu Wort kommt, allgemeiner berücksichtigt
werden? Doch dann sind die vorgeführten Luther, Calvin
, Barth, E. Brunncr, Tillich, Bultmann und bei den Exegeten
noch Conzelmann viel zu wenige Zeugen und noch nicht einmal