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Ausgabe:

1968

Spalte:

38-40

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Käsemann, Ernst

Titel/Untertitel:

Jesu letzter Wille nach Johannes 17 1968

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Sekundärquellen. Als eine Art Rechenschaftsablegung für das
Herangehen und die dabei angewandte Methode und als eine Art
Ergebnis ist dem so aufgebauten Kommentar eine längere Einleitung
(S. 1-27) vorangestellt worden.

Für das ThEv bindet sich Sch. ganz eng an den Text der Brill-
»chen Ausgabe. Jedes Lesezeichen des Manuskripts übernimmt er
z. B. und jeden Punkt der Editoren unter einem Buchstaben. Bei
der Übernahme auch der originalen Länge und Lage des Vokalstriches
(statt zu normalisieren) kommt es dadurch, daß es dem
Setzer anscheinend technisch nicht möglich war, einen über mehrere
Buchstaben durchgehenden Strich zu setzen, und er statt
eines langen mehrere kleine setzte, gelegentlich zu unsinniger
Plazierung solcher kleinen Vokalstriche. Gelegentlich fehlt ein
Trema über dem Jota, und innerhalb der Ergänzungen steht
mehrmals ein Vokalstrich ohne Vorbild in der Ausgabe. Auf S. 90
ist in der Mt/Lk-Par zu Log 36 falsch abgetrennt; lies
neTGTHATAXH. S. 94 in der Mt-Par zu Log 39b lies NNGiffpooMne
S. 110 ZA: lies qNApzYBP'ZG- Aur s- 129 ist arn Anfang von
Log 62 die zweite Klammer um einen Buchstaben zu weit nach
rechts gerutscht. S. 138 Z. 9: lies ANoyoeifi. S. 159: in Log
76 b lies cmxy 60Y«>m und Mxpc {<i}<int. S. 168 Log 86: es
fehlen in dessen erster Zeile die Punkte unter den Buchstaben
y und a. S. 170 Log 89: lies in dessen erster Zeile
MtinoTiipiOM. S. 197 Z. Ii lies vy<u . . .; und in Z. 5 hat Sch.
ohne Bemerkung eine andere Ergänzung als „Brill".

Was die breiten Darlegungen der Beziehungen des ThEv zu
den griechischen und koptischen Synoptikern und zur Textgeschichte
anbelangt, so bleibt da trotz der Richtigkeit der Grundtendenz
, trotz der mit Fleiß, Gelehrsamkeit und Sorgfalt zusammengebrachten
Fülle instruktiven Materials, trotz vieler sofort
überzeugender F.inzeleinsichten noch manches m. E. unbefriedigend
. Sch.s sozusagen .flächige" Art der Behandlung wird der
Kompliziertheit der Verhältnisse, mit denen er es zu tun hat,
nicht gerecht. Auch entzieht sich das Material nur allzuoft der
Herrschaft von Sch.s Sprache und Logik. Unscharfe Begriffe (etwa
.Beziehung" statt .Abhängigkeit") und Formulierungen (vgl.
S. 176 Z. 8-11) unterlaufen. Voraussetzungen und Folgerungen
kreuzen sich. Es fehlen oft die Akzente: in dem Gewirr von
Obereinstimmungen und Unterschieden kommt es doch jeweils
auf das Wichtige an. Das textgeschichtliche Material bleibt weithin
- wegen der Beschränkung von Sch.s Interesse auf die Frage
der Abhängigkeit des ThEv von den Synoptikern - ohne Auswertung
. Das Material enthält viel mehr Fragen, als Sch. stellt. Und
oft stellt er nicht die richtigen. Wenn das ThEv, wie Sch. mit
Recht voraussetzt und zeigt, in vielen Partien deutlich von allen
drei Synoptikern abhängt, so ist doch die wichtigste Frage die,
ob etwa Th in eben diesen Partien, und auch sonst, nicht bereits
von einer Evangelicnharmonie abhängt bzw. beeinflußt ist, eine
prage, die Sch. nur zufällig und zu spät streift (S. 187), und werden
von daher alle Übereinstimmungen mit Tatian von allergrößtem
Interesse. Andererseits muß der oft festzustellende und von
Sch. auch breit aufgezeigte enge Zusammenhang bestimmter Partien
des ThEv mit Lk sofort wenigstens die Frage nach einer möglichen
Beziehung des ThEv zum Evangelium Marcions hervorrufen
. Sch.s Erörterung der Beziehungen zwischen dem ThEv
und den koptischen Synoptikern zeigt stellenweise tatsächlich auf,
daß da eine solche Beziehung besteht. Aber die Art dieser Beziehung
bleibt, weil das Phänomen nur als Bestätigung der Abhängigkeit
von den Synoptikern überhaupt gesehen wird, unbestimmt
. Das hängt auch damit zusammen, daß Sch. im Bann die-
■Ot Blickrichtung die (manchmal ganz geringfügigen) Verbindungen
von Th zu sa überbetont und die (manchmal gravierenden
) Unterschiede vernachlässigt. Zu den gravierenden (und von
Sch. vernachlässigten) Unterschieden gehört vor allem die Verwendung
verschiedener Wörter hier und dort: vgl. z. B. Log 9
c,Te/xo; Log 14a nxpxAexe/trjcon und eepAneye/taaso:
Log 72 nu)tue/na)px ; Log 73 cymx/xe (kac); Log 76a tooy/UKDti;
Lo9 93 MXprApiTHC/6H6MM6. Der Leser hat dabei manchmal
durchaus den Eindruck, daß Sch. hier .Mücken seiht und Kamele
▼erschluckt" (vgl. etwa S. 161 f.). So kommt es zu einer Verschiebung
der Werte: Was wahrscheinlich ist, wird als absolut sicher

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hingestellt, wodurch es dann möglich wird, offensichtlich nicht
Geltendes noch als wahrscheinlich zu bezeichnen (vgl. z. B. S. 68).
Nun zeigt ja Sch. mit Recht auch Beziehungen zwischen Th und
bo und zu noch anderen koptischen Übersetzungen auf, ja auch
Beziehungen zu nur einer Handschriftengruppe oder gar einer
Einzelhandschrift. Was aber die Übereinstimmung auf der einen
Seite bei Unterschieden auf der anderen Seite und was die Übereinstimmungen
in Verschiedenem mit so viel Verschiedenem textgeschichtlich
bedeutet, wie diese Tatbestände zu interpretieren
sind, wird dem Leser nicht deutlich gemacht, wiewohl er sich
natürlich seinen eigenen Vers darauf machen kann. Die Entstehung
der koptischen Bibclübersetzung(en) ist ja auch ein Problem
für sich, ohne daß das bei Sch. in den Blick käme. Die sahi-
dische als die vermutlich älteste gilt als erst um die Mitte des
dritten Jahrhunderts entstanden.

Die Erörterungen über den gnostischen Sinn der behandelten
Logien schließlich mit ihrem reichen Material sind instruktiv und
weiterführend und gelangen nur ganz gelegentlich einmal an die
Grenze eines müßigen Spekulierens (S. 132 f.).

Im übrigen sei nur noch auf einige Einzelheiten hingewiesen!
S. 12 Z. 20: lies anstelle des zweiten „Mt" Lk. S. 53 Z. 10: lies
PS 182,7 f. (D). Z. 19 f.: die Verwendung des Fut. in einem solchen
Fall ist für das Koptische völlig normal; vgl. etwa W. Till:
Das Evangelium nach Philippos, 1963, 3. Z. 23-29: Zur Voranstellung
von N6T(nü)N6 vgl. doch erst einmal das ebenfalls vorgezogene
neTOYMAKAAM! S. 63 Z. 11: statt nzoyh- lies H20YO.
S. 72 Z. 33-36: Aus der angezogenen Wendung Tills ist unter keinen
Umständen zu schließen, daß die besagte Wortfolge des Mt
im Koptischen hätte beibehalten werden können; die Veränderung
der Wortfolge bei Mt-sa ist doch notwendig. S. 80 Z. 1
v. u. bis S. 81 Z. 2: lies „in dem anderen Ohr"; die Verbindung
von 2M nKGMAAxe rnit dem folgenden TAtncoeid) ist philologisch
abwegig. S. 82 Z. 1 v. u. bis S. 83 Z. Ii Verwechslung zwischen
Lk 8 und Lk 11. S. 100 Anm. 7: liesfjAZopATON RriMAS. 102
Z. 25: exooxe ist ebensowenig wie KNTe eine Pluralform.
S. 124 Z. 4 v. u. (ebenso S. 157 Z. 3 v. u.; S. 158 Z. 12; S. 184 Z. 9):
lies „des Vaters". S. 125 Z. 19: Th hat gar nicht „in". S. 128 Z. 4-1
v. u.: die Erwägung einer Verschrcibung von zitm in
?.iinx erscheint mir als abwegig. S. 134 Z. 10: lies KeoyA. S. 142
Z. 10: lies MXÜexooxe. S. 145 Anm. 23: nicht .stets*; vgl. doch
(84,23); 86,20; 88,22; (97,12); (99,18.20). S. 158 Z. 18: Tiogela
heißt doch „Reise". S. 161 Z. 21: lies olxoi ■ S. 162 Anm. 5: statt
„durch einen Relativsatz im Pracs. II" muß es heißen: durch
einen Umstandssatz in der Funktion eines Relativsatzes. S. 178
Anm. 5 letzte Zeile: lies dpydc. S. 179 Z. 12 f. u. Z. 5 f. v.u.: der
Artikel ist da, und die Berufung auf Till ein Irrtum. S. 180 Z. 5:
lies „das". S. 188 Z. 2-4 mit Anm. 5: 6-f-pe ist natürlich nur eine
Schreibvariante von 6T6ipe, und die Anm. 5 gegenstandslos.
S. 199/200: sa>ü)T 6BOX wird m. E. einfach überinterpretiert; es
ist wohl doch bloß eine dem -f-ZTHM parallele Wiedergabe von
TiaQaTriQrjaii;; „so daß man (sc. nach seinen Zeichen) Ausschau
halten könnte".

Berlin Hans-Martin Schenke

Käsemann, Ernst: Jesu letzter Wille nach Johannes 17.

Tübingen: Mohr 1966. 137 S. kl. 8°. Kart. DM 6.80.

Joh. 17 bietet Käsemann im ganzen nur die Ansatzstellen für
einen Versuch, das Joh.-Ev. überhaupt einzuordnen in die Geschichte
des Urchristentums. Die Blickpunkte, von denen her das
geschieht, sind angedeutet durch die Überschriften der Hauptteile
: Die Herrlichkeit Christi, Die Gemeinde unter dem Wort,
Christliche Einheit; d. h.: „Erörtert wird die johanneische Escha-
tologie unter den Aspekten der Christologie, Ekklesiologie und
Soteriologie" (13).

Jesus erscheint in einem naiven Doketismus (so sagt K. des
öfteren) als der über die Erde schreitende Gott (so sagt wiederum
K. häufig selbst1). Inkarnation und Passion markieren
lediglich den Wechsel des Raumes (oben/unten/oben), der Escha-

') Mit der „liberalen Interpretation" von F. C. Baur an (22).

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 1