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Ausgabe:

1968

Spalte:

579-580

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Wahl, Otto

Titel/Untertitel:

Die Prophetenzitate der Sacra Parallela in ihrem Verhältnis zur Septuaginta-Textüberlieferung 1968

Rezensent:

Bertram, Georg

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Alles in allem bemüht sich der Verf. aber auch in diesem
zweiten Teil um eine grundliche Durchdringung des Stoffes, wobei
er sich stets auch mit der deutschsprachigen und skandinavischen
Literatur gut vertraut erweist.

Die in jeder Hinsicht empfehlenswerte Arbeit beschließen ein
Verfasser-Index und ein ausführliches Stellenregister.

Ein Versehen sei angemerkt: S. 25 Anm. 1 und S. 131 ist Anton
Deimel (statt Deimal) zu lesen.

Greifswald Klaus-Dietrich S c h u n c k

NEUES TESTAMENT

Wahl, Otto: Die Prophetenzitate der Sacra Parallela in ihrem
Verhältnis zur Septuaginta-Textüberlieferung. Ed. I: Einleitung
1. Teil: Die Sacra Parallela und ihre Textüberlieferung. 2. Teil:
Das Textmaterial zu den Prophetenzitaten. Bd. II: 3. Teil: Zusammenstellung
und Auswertung der Vatianten. München:
Kösel-Verlag (1965). XI, IX, 1162 S . gr. 8° = Studien zum Alten
und Neuen Testament, hrsg. v. V. Hamp, J. Schmid u. P. Neuenzeit
, XIII. Kart. DM 120,-.

Die vorliegende Arbeit ist aus der Schule von Johannes Ziegler
hervorgegangen, dem wir Herausgabe und Bearbeitung der
Prophetenbände der Göttinger Septuaginta verdanken. Der Verf.
des neuen umfassenden Werkes hat das bisher fast unbeachtete
Material der Prophetenzitate der Sacra Parallela (SP), jenes berühmten
, dem Johannes Damascenus zugeschriebenen Flori-
legiums, textkritisch aufbereitet, übersichtlich geordnet dargeboten
und der LXX-Forschung in endgültiger Form zur Verfügung
gestellt. Florilegien (Anthologien) sind Sammlungen von Zitaten,
von Belegstellen für Lehre und Leben, wie sie der profanen Welt
seit etwa dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert bekannt waren
und in der christlichen Überlieferung als Testimonien, loci
communes, Sentenzen, dicta probantia aus dem A und NT und aus
den Kirchenvätern bzw. Kirchenschriftstellern zur Bestätigung der
Kirchenlehre dienten und eine weite Verbreitung fanden. Das
große Sammelwerk der SP hat wenigstens für die östliche Kirche
abschließende Bedeutung. Es ist weder dem Umfang noch der Gestaltung
nach in seiner ursprünglichen Form erhalten, hat vielmehr
in zahlreichen Abschriften, Bearbeitungen, Kürzungen, Umstellungen
und Zusammenfassungen eine vielschichtige, tiefgreifende
Wandlung erfahren, die nicht leicht zu durchschauen ist.
Es gelingt dem Verf., über den bisherigen Stand der Forschung
hinaus die offenen Fragen zu klären und ein deutliches Bild von
der Geschichte der SP zu entwerfen, ohne dabei die umstrittene
Verfasserfrage zu entscheiden, da das für die gestellte Aufgabe,
die Prophetenzitate der SP als Zeugen des LXX-Textes zu untersuchen
, ohne Bedeutung wäre.

Die SP bestanden unsprünglich aus drei Büchern, 1. Belegen
zur Theologie, 2. zur Anthropologie, die zusammen die Bezeichnung
„Hiera" trugen, und 3. Belegstellen für Tugenden und Laster
in parallelen Kapiteln, daher der Name des Ganzen: „Hiera
(bzw. Sacra) Parallela". Über die Abhängigkeit von älteren ähnlichen
Sammlungen besteht keine Einigkeit. Vorworte und Übersichtstafeln
gehen dem Texte voraus. Die ersten beiden Bücher
sind alphabetisch, das 3. ist sachlich geordnet. In den einzelnen
Kapiteln sind die Zitate i. a. in der üblichen Reihenfolge der Bücher
im griechischen AT aneinandergereiht. Es folgen die Kirchenschriftsteller
ebenfalls in bestimmter Reihenfolge. Die Zahl
der Zitate (von 1 bis mehr als 100 je Kapitel) und ihre Länge ist
sehr verschieden. Neben Versreihen aus dem A und NT stehen
halbe und viertel Verse und oft seitenlange belege aus den Kirchenschriftstellern
. Die erhaltenen Rezensionen beziehen sich teils
auf ein bestimmtes Buch der SP, teils nehmen sie ihre Zitate aus
allen drei Büchern. Infolge der mannigfaltigen Kürzungen bieten
die verschiedenen Textzeugen z. T. unterschiedliches Material.
An Prophetenzitaten sind i. g. 1531 Verse oder Versteile erhalten.
Dafür sind fast 10 000 Belegstellen nachgewiesen. Die Verteilung
auf die einzelnen Propheten ist in Tabellen dargestellt. Js ist mit
Abstand am häufigsten zitiert: 557 Zitate sind 36,38% der Ge-

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samtzahl. Das gebotene Material ließe auch leicht die Zahlen
für die einzelnen Teile des Js-Buches feststellen und würde das
Schwergewicht der zitierten Verse in Js 1-12 und bei Dtjs und
Tritojs finden. Auf der gegebenen Grundlage könnten auch fröm-
migkeits- und theologiegeschichtliche Fragen behandelt werden,
was allerdings jenseits der beabsichtigten und notwendigen Begrenzung
der Arbeit stünde.

Denn die im Rahmen des Themas geleistete Arbeit der umfassenden
sorgfältigen und dabei kritischen. Unbrauchbares aussondernden
Durchsicht der zur Verfügung stehenden Handschriften
(und Drucke) will unmittelbar der Textkritik und Textgeschichte
der LXX dienen. So folgt auf die problemgeschichtliche
und technisch-programmatische Einleitung und Einführung die
Aufreihung der Zitate von Hos bis Dan (mit Sus und Bei) in den
ersten beiden Teilen des Werkes. Die Darbietung der Zitate mit
ihren Textzeugen in genauer Abgrenzung des je im einzelnen
zitierten Stückes samt Varianten (wobei die Göttinger LXX als
Norm gebraucht wird) hat insofern selbständige Bedeutung, als
damit für diese Textteile der SP die textkritischen Voraussetzungen
für eine wissenschaftliche Ausgabe des Werkes anstelle von
Migne PG 95.96 erarbeitet sind. Der dritte Teil bietet sämtliche
Varianten unter systematischen Gesichtspunkten, und zwar enthält
ein 1. Kap. die Varianten, die mit anderen LXX-Zeugen übereinstimmen
, ein 2. Kap. die Sonderlesarten der SP-Zitate. Die
orthographischen und grammatischen Varianten und einige Nebenfragen
werden im 3. und 4. Kap. gründlich behandelt, aber dann
als unwichtig und unergiebig beiseite geschoben. Die formalen
Gesichtspunkte, unter denen die Varianten im 1. und 2. Kap. zusammengestellt
werden, lassen Hinzufügungen, Auslassungen,
Umstellungen, Wortlautänderungen, je mit einigen Untergruppen
leicht überschauen. Jeder Variante folgt die Angabe der Textzeugen
der SP und daneben der LXX, besonders der Hauptgruppen
L, C und O. Im 5. Kap. wird das Material in übersichtlichen
Tabellen zusammengestellt. So wird außer der Verteilung
der belegten Verse und der Belegstellen auf die einzelnen atlichen
Bücher auch der Anteil der einzelnen Textzeugen der SP an dem
Material der Belegstellen veranschaulicht, dazu noch die Zahl
der Variantenbelegstellen in den 25 Textzeugen der SP, die zusammen
die stattliche Zahl von 24252 ergeben, von denen etwa
20 % nur orthographische oder grammatische Varianten sind
(die Hälfte von diesen wiederum betreffen nur den Vokalwechsel).
Von den eigentlichen Varianten stimmen etwa 45 % mit den LXX-
Textzeugen überein; der Rest von etwa 55 % = 2890 Varianten
sind Sonderlesarten. Auch deren Verteilung auf die SP-Zeugen
wird tabellarisch dargestellt. In einer besonderen Tabelle wird
die überragende Bedeutung der LXX-Gruppe L gegenüber C und
O und den Einzelzeugen für den SP-Text der Prophetenzitate
hervorgehoben, wobei der Anteil der SP-Zeugen allerdings stark
differiert. Um das einsichtig zu machen, steht hier neben der Tabelle
eine graphische Darstellung. Es folgt der Nachweis der mit
den übrigen LXX-Textgruppen, und zwar mit Majuskeln, Minuskeln
, Kirchenschriftstellern und alten Übersetzungen übereinstimmenden
Varianten. Sie alle können selbständige Bedeutung
für die Textherstellung beanspruchen. So läßt sich das Gesamtergebnis
der Untersuchung eindeutig formulieren: „Der Text
der in den Sacra Parallela enthaltenen Prophetenzitate
ist als überwiegend der lukiani-
schen Rezension zugehörig zu bezeichnen."

Mit diesem Satz schließt der Verf. seine Arbeit ab. Aber neben
der Eindeutigkeit des Ergebnisses darf die Vielseitigkeit seiner
Bemühungen nicht vergessen werden. Dem Verf. gebührt der
Dank der LXX-Forschung, der die entsagungsvolle Arbeit der Beschaffung
, sachgemäßen Ordnung und texlgerechten Verwertung
des umfangreichen und schwierigen Stoffes zunächst dient, darüber
hinaus aber der Dank der philologischen Wissenschaft
überhaupt, die hier rastlosen Fleiß verbunden mit Akribie, Zielsicherheit
und Selbstlosigkeit der Leistung bewundern mag, einer
Leistung, die mehr als ein Jahrtausend umfassende Probleme der
LXX-Textgeschichte in Angriff genommen und im Rahmen des
gestellten Themas gelöst hat.

Gießen Georg Bertram

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 8