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Ausgabe:

1968

Spalte:

577-579

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

McKane, William

Titel/Untertitel:

Prophets and wise men 1968

Rezensent:

Schunck, Klaus-Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 8

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lens sicher datierbarer Quellen, in die dunklen 2V2 Jahrhunderte
hineinzuleuchten. Schritt für Schritt zurückzugehen und Zeugen
für die Vorstufen der Apokalyptik in der eschatologischen
Literatur aufzuspüren. Des Näheren stellt sich ihm die Frage nach
der Herkunft der „Asidäcr", die er als die Vorläufer der Essener
und Qumranleute ansieht und unter denen er den Verfasser des
Daniel suchen möchte, dies letzte in Wiederaufnahme einer schon
von Georg Bchrmann vertretenen These. (Dem gebürtigen Hamburger
sei es verziehen, daß er das Andenken des ehem. Hamburger
Seniors pflegt.) Dazu geht PI. nach einer geschichtlichen
Einleitung und nach einer Vergegenwärtigung der theologischen
Fragen des Danielbuches an die Analyse von Jes. 24-27, Sach.
9-14 und Joel und versucht aufzuzeigen, wie sich in einer theo-
kratischen Umwelt, die über die im Tempclkult gewonnene Stabilität
nicht hinaus will, das Erbe prophetischer Eschatologie
erhält und in verschiedenen Kreisen mehr und mehr durchsetzt,
bis sie in den Gruppen der Asidäer in einen deutlichen, wenn
auch verschiedenartigen Gegensatz zu der priesterlichen Hierarchie
treten. Natürlich hängt nicht weniges in dieser Darstellung
an der Richtigkeit der (notwendigerweise auch von P. versuchten
) chronologischen Ansätze; und wenn etwa Otzen mit seiner
Ansetzung des Deuterosacharja in der Zeit Josias recht hätte,
fiele entweder schon ein wesentliches Glied aus der Beweiskette
heraus, oder diese müßte, um im Bild zu bleiben, umgeschmiedet
Werden. So bleiben gewiß Unsicherheiten; aber diese heben die
Bedeutung des Versuchs nicht auf, etwas von den geistigen Bewegungen
dieser dunklen Periode zu erfassen.

Auf zwei Punkte soll dabei noch hingewiesen werden. P. sucht
den Ansatzpunkt der eschatologisch-apokalyptischen Bewegung
bei den Deuteronomisten (S. 134). Wo sind diese zu suchen?
Wenn meine Vermutung richtig ist, dafj die Redaktoren des vorliegenden
deutoronomistischen Geschichtswerks wesentlich Erben
des Nabitums sind, ergäbe sich die Frage, wo diese Traditionen
Weitergepflcgt worden sind. Waren es nebiistische Kreise, die im
Gegensatz zur Priesterhicrarchie die eschatologischen Hoffnun-
9en pflegten und mehr und mehr ausbauten? Gewiß sind diese
Kreise uns schwer fafjbar; aber wo sollten wir sonst die Ergänzer
und Überarbeiter der Prophetenschriften suchen?

Wichtiger noch erscheint mir der andere Hinweis des Verfassers
, dafj schon verhältnismäßig früh Strömungen in der jüdischen
Gemeinde anzunehmen sind, die die Bezeichnung „Israel"
für sich in Anspruch nehmen und sie damit anderen absprechen.
Auch das Judentum ist also einer solchen AufFolitterung nicht
entgangen; stellen nun die Pharisäer „Israel" dar, die „Auferstehung
, Engel und Geist" lehren, oder die Sadduzäer, die alles
!eugnen (um einmal Acta 23,8 zu Wort kommen zu lassen)? Sind
es die Frommen von Damaskus und Qumran? Soll man in Sichern
oder in Jerusalem anbeten? Welche dieser verschiedenen Strömungen
ist „Israel"? Es ist rein historisch zu begreifen, dafj es
auch eine neue Gruppe geben kann, die auch an die Worte der
Propheten anknüpft, aber eben deshalb sich von den Strömungen
trennt, die das Gesetz in den Mittelpunkt stellen. Wo das
-Israel rechter Art" ist, ist die Frage, die bis heute zwischen Synagoge
und Kirche verhandelt wird: Nur die Synagoge? Nur die
Kirche? Oder beide?

Greifswald Alfred J e p s e n

"cKane, William: Prophets and Wise Men. London: SCM
Press (19651. 136 S. 8" = Studies in Biblical Theology, 44.
13 s. 6 d.

In der durch zahlreiche bedeutsame Arbeiten auch im deutschen
Sprachraum bestens bekannten Reihe „Studies in Biblical
Theology" legt William McKane als Heft 44 eine Studie über
das Verhältnis von Propheten und ,Weiscn' in Israel vor. Genauer
geht es dabei um eine Herausarbeitung der Spannung, ja
Unvereinbarkeit von prophetischer Botschaft und staatsmänni-
scher Weisheit. Dementsprechend ist das Buch in zwei große Ab-
6chnitte eingeteilt; Part Ii „Old Wisdom and the Case of Ahi-
Uiophel" (S. 13-62) und Part II: „The Prophetic Use of the Voca-
bulary of Wisdom" (S. 65-130).

Diese beiden Überschriften lassen indes nur unvollständig
erkennen, was in den jeweiligen Teilen zur Behandlung gelangt
. So geht es dem Verf. im ersten Teil seiner Arbeit um
nichts weniger als eine allgemeine Einführung in die Welt der
n,9JrJ. als Grundlage für das rechte Verständnis der im zweiten
Teil dann erörterten Auseinandersetzung zwischen Propheten
und .Weisen'. Dabei werden nach einer kurzen Einleitung sowohl
das Verhältnis zwischen .Weisheit' und Regierungs- bzw.
Verwaltungskunst (S. 15-22) als auch die Verbindung zwischen
staatsmännischer Befähigung und Schreibkunst (S. 23-47) untersucht
. Besondere Aufmerksamkeit findet in diesem Zusammenhang
der schon oft behandelte Begriff des "igb • nach den Feststellungen
des Verf. bezeichnet das Wort im AT einerseits einfach
den geübten Schreiber doch dient es andererseits auch als
Amtsbezeichnung bzw. Titel für höchste Beamte, etwa dem alten
angloamerikanischen „Secretary of State" vergleichbar. Die Frage,
in welchem Verhältnis dieses Amt zu dem des Mazkir oder dem
des '°saer 'äl häbbäjit stand, läfjt McKane offen; sein Interesse
liegt vielmehr im Gegenüber zu G. v. Rad bei der Frage, ob
und wie weit bei den soperim, die auf jeden Fall zu den
hukamim zu zählen sind (vgl. S. 40 ff.), die Gottesfurcht ein effektiver
Teil ihrer Weisheit war. Das veranlaßt den Verf. zu einer
ausführlichen Diskussion der älteren Weisheit Israels, speziell
der Josephsgeschichte und der Rebekkaerzählungen (S. 48-54),
mit dem Ergebnis, daß diese nicht zur älteren Weisheit zu zählen
seien; die ältere Weisheit ist vielmehr „a diseiplined empin-
cism", allein mit Regierungs- und Verwaltungsproblemen befaßt
und wohl ausschließlich von hohen Beamten aufgezeichnet. Kennt
diese somit weder eine religiöse noch eine ethische Verhaftung,
so bedeutet das andererseits freilich keineswegs, daß ihre Vertreter
dem Glauben und der Moral ablehnend oder indifferent
gegenübergestanden hätten; wohl aber waren sie davon überzeugt
, daß die Welt, in der sie zu wirken und ihre Entscheidungen
zu treffen hatten, nicht zugänglich war „to the assumptions
of religious belief or to a black and white ethical terminology"
(S. 47).

Diese, bereits aus der ältesten Weisheitsliteratur abgeleitete
Erkenntnis belegt McKane schließlich in überzeugender Weise
an Hand der Ahithophel-Episode in 2. Sam 16,23 (S. 55-62).
Über die Feststellung G. v. Rads hinaus, daß hier der Anerkennung
fordernde, autoritative Charakter des .Rates' (™5J ) Ahitho-
phels diesen dem bindenden Wort Gottes eng annähert1, wird
hier ganz deutlich, daߙf2und "'fl zwei getrennte, von Grund
auf verschiedene Bereiche meinen; wie das Wort Gottes nur auf
einen Prophetenspruch oder ein priesterliches Orakel bezogen
werden kann, so ist der ,Rat' Ahithophcls allein auf die menschlich
-politische Ebene zu beschränken (vgl. 2. Sam 16,23 b). Eben
darin liegt nun aber bereits begründet, warum sich die prophetische
Kritik immer wieder gegen die Vorrangstellung, ja Allcin-
gültigkeit der 'esah in allen wesentlichen Lebensfragen des Volkes
wendet, ja wenden muß.

Eine genauere Ausführung dieser Auseinandersetzung ist
dementsprechend - wieder über die Überschrift hinausgehend -
Inhalt des zweiten Teils der Studie. In den dazugehörigen Kap.
V: „The Attack on Old Wisdom" (S. 65-78), Kap. VI: „Wisdom
and Power belong to Yahweh alone" (S. 79-85), Kap. VII: „The
Prophetic Reinterpretation of the Vocabulary of Wisdom" (S. 86
bis 93), Kap. VIII: „Wisdom as esoteric knowledge" (S. 94-101)
und Kap. IX: „Jeremiah and pre-exilic legal piety" (S. 102-112)
geht es wesentlich darum, an Hand von Exegesen der einschlägigen
Texte, vor allem bei Jesaja und Jeremia, darzulegen, warum
und wie weit die Propheten immer wieder gegen die Grundlagen
der weisheitlichrstaatsmännischen Überlieferung polemisieren
. Natürlich ließen sich hier verschiedentlich zu Einzelheiten
Fragen anmelden bzw. die Akzente anders setzen. So sei nur
darauf hingewiesen, daß die Exegese von Jes 29,14-16 nicht die
Verbindung von v. 14 mit v. 13 berücksichtigt; bei Jes 19,1-3.
11-13 sollte man doch einen Hinweis auf die nichtjesajanische
Herkunft erwarten, und Jer 49,20 dürfte - anders als Jer 49,7 -
kaum von Jeremia herrühren2.

') Vgl. G. v. Rad, Die ältere Weisheit Israels, KuD 2, 1956, S. 64.
2) Vgl. u. a. W. Rudolph, Jeremia, HAT 12, 2. Aufl. 1958, S. 268 f.