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Ausgabe:

1968

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

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Neuerscheinungen

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Beide Umstände erneuern für ihn die epikureische Forderung,
daß „die Philosophie . . . die Wunden des Herzens heilen" mufj.
Um ihr zu entsprechen, begibt er sich auf die Suche nach einem
versöhnenden Verständnis des Todes, das menschlichem Denken
»vielleicht doch nicht für immer verwehrt" bleiben kann, ja dessen
Spuren vielleicht gefunden werden können, indem nachgeforscht
wird, wie „der Tod im abendländischen Denken" erfahren und
gedeutet worden ist.

So bietet die Arbeit - die mehr sein will als „nur ein Beitrag
zur Ideengeschichte" - doch in erster Linie einen Überblick über
das, „was die großen abendländischen Philosophen über den Tod
gedacht haben", wobei zugleich erkundet wird, inwieweit „der
Tod (mit Schopenhauer) als ,der eigentliche inspirierende Genius
oder Musaget der Philosophie' bezeichnet werden kann".

Die philosophiegeschichtliche Bestandsaufnahme beginnt mit
der Frage nach den möglichen Ursprüngen der Todeserfahrung
und den Anfängen der Philosophie als des Versuches, der Skepsis
SJegenüber den überkommenen Glaubenssätzen nicht das letzte
Wort zu lassen, sondern dem zunächst von den Mythen und Religionen
befriedigten Bedürfnis nach einer Aussöhnung mit dem
Tode auf neue Weise zu entsprechen (Einleitung).

Wie im „Altertum" (I. Teil) die philosophischen Antworten auf
die Krise des mythisch-religiösen Todesverständnisses folgten (Einleitung
), so folgte nach Ansicht des Verfassers „die Renaissance"
einer Philosophie des Todes (III. Teil; Montaigne und G.Bruno)
auf die Krise der „Christlichen Antwort" (II. Teil). Der Stellenwert,
der damit der christlichen Antwort zukommt, bleibt fragwürdig.
Ihre Darstellung ist in exegetischer Hinsicht völlig unzureichend
und in kirchengeschichtlicher Hinsicht unzulänglich. Die Krise des
mittelalterlichen Denkens wird mit einer Krise der christlichen
Antwort gleichgesetzt. Augustin wird nur beiläufig erwähnt, Luther
9ar nicht; die zweifelhafte Unterscheidung von abendländischem
Denken und christlichem Glauben bestimmt die Auswahl und
Gliederung. Trotzdem wird dann wieder über „das Todesproblem
in der Philosophie der Neuzeit" (IV. Teil) und im „zeitgenössischen
Denken" (V. Teil) anhand einer gut ausgewählten Fülle von Zitaten
klar, wenn auch manchmal zu knapp Buch geführt.

Den Abschluß bildet die Darstellung von Gabriel Marcel, der
seit dem frühen Verlust seiner Mutter durch die Todeserfahrung
bestimmt ist und sich intensiv mit dem Todesproblem beschäftigte.
Am Beispiel seines Denkens zeigt Verfasser noch einmal, wie theologische
Spitzfindigkeiten in Fragen des Todes nicht mehr Wert
haben als die nichtigen Antworten der Wissenschaftler. Doch der
Umstand, daß Marcel als Konvertit in der kirchlichen Glaubenslehre
keine Antwort auf das Todesproblcm fand, könnte auch
darauf hinweisen, dafj sein Eingeständnis, er sei „nur teilweise
evangelisiert", wörtlich zu verstehen ist und nicht nur eine biographische
Notiz darstellt. Es wäre dann Ausdruck dessen, daß
»der Tod" vermutlich zu den Fragen gehört, welche einer weitergehenden
theologischen Erörterung und Entfaltung mehr denn je
bedürfen.

_ Hamburg Hans P. Schmidt

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1966, S. 265-268).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Söhngen, Gottlieb: Christi Gegenwart in Glaube und Sakrament
. München-Salzburg: Anton Pustet [1967]. 106 S. 8°. Lw.
DM 9,80.

Dieses schmale, aber inhaltsreiche Bändchen vereint zwei vor
zwei Jahrzehnten geschriebene Abhandlungen; der Vortrag über
„Christi Gegenwart in uns durch den Glauben (Eph. 3, 17)" (S. 19
bis 50) erschien zuerst in der Festschrift für Andreas Jungmann,
1950, der Aufsatz: „Tut das zu meinem Gedächtnis" über „Wesen
und Form der Eucharistiefeier als Stiftung Jesu" (S. 53-103) faßt
die seit der Abhandlung: „Das sekramentale Wesen des Meßopfers
", Essen 1946, vorgetragenen Einsichten zusammen. In einer
Einführung zeigt Heinrich Fries jedoch die bleibende Bedeutung
dieser Gedanken; Söhngen hat durch sie dem offenen ökumenischen
Gespräch den Weg bereitet und Einsichten des Zweiten
Vatikanums vorweggenommen (S. 9-15).

Im ersten Aufsatz legt Söhngen Eph. 3, 17 aus und faßt dies
Wort in folgende These zusammen: „Der Christusgeist wohnt in
unserem inneren Menschen als personhafte Denk- und Lebenskraft
durch den Christusglaubcn, der sich solcherweise in Liebe
und Erkenntnis auswirken soll zu unserer Erfüllung mit der Gottesfülle
" (S. 32).

Im zweiten Aufsatz zieht er die Verbindungslinie zwischen
Kreuzesopfer, Meßopfer und Opfermahl; einerseits sei die „memoria
passionis Christi, das Meßopfer. . . das Sakrament des Kreuzesopfers
, das heißt dessen sakramentale Darstellung (repraesentatio
sacramentalis) und sakramentale Darbietung (oblatio sacramen-
talis)" (S. 69); andererseits sichere erst die Messe als Mahl die
Opfermesse vor einem „unlauteren" Wettbewerb mit dem Kreuzesopfer
(S. 97); die „Mahlweihe oder Konsekration" sei „der Grundakt
, in welchem das Mahl hingestellt wird als sakramentales
Opfer, als das sakramentale Gedächtnis des Kreuzesopfers" (S. 95).
Zwei Thesenreihen (S. 43-47, S. 99-103) spannen in der „Anstrengung
des Begriffes" (Hegel) den Bogen zwischen der Gegenwart
Christi im Glauben und im Sakrament.

Einem reformatorischen Theologen wird dabei auffallen, daß
Söhngen die viva vox Evangelii als das gottgesetzte Bindeglied
nicht bedenkt; sowohl das „fides ex auditu" wie auch die Spendeworte
als „summa et compendium Evangelii" bleiben noch im Un-
reflektierten. Ebenso wird das Opfer Christi wie die Verkündigung
und Sakramentsspendung nicht bedacht in der Linie von Joh. 3, 16
und 2. Kor. 5, 19 ff. als Sich-Hinopfcrn Gottes des Vaters durch
den Sohn im Heiligen Geist an uns sündige Menschen. So werden
die unterschiedlichen Weisen der Christusgegenwart (Glaubensund
Gnadengegenwart, sakramentale Gegenwart, Substanzgegenwart
des Christus passus, Aktgegenwart der passio Christi) eigenartig
neutrisch beschrieben; daß der Gekreuzigte und Auferstandene
in seinem verklärten Opferleibc und seinem dahingegebc-
nen Bundesblut sich uns naht in, mit und unter den Gestalten von
Wort und Sakrament und uns im Heiligen Geist vor das Antlitz
des Vaters führt, dieser einheitliche Vorgang fächert sich gleichsam
auf in eine Fülle unterschiedlicher Weisen der Präsenz. Trotz
dieser Bedenken und Einwände wird auch der evangelische Leser
das von Söhngen so scharfsinnig und einleuchtend Ausgeführte
mit Freude und Gewinn bedenken.

Heidelberg Albrecht Peters

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 7