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Ausgabe:

1968

Spalte:

30

Kategorie:

Altes Testament

Titel/Untertitel:

Die Handschriftenfunde in der Wüste Juda 1968

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Verkündigung Ezechiels bereitet all denen große Schwierigkeiten
, die zwischen beiden Berufs- und Lebenswelten eine grundsätzliche
Kluft in der gesamten Denk- und Verhaltensweise
sehen. Entsprechend zeichnet auch Eichrodt das Bild des Propheten
als des durch den Eindruck seiner Berufungsvision und
•eines neuen prophetischen Auftrages in einen grundsätzlichen
Gegensatz zu der angestammten Lebenswelt des Priesters gebrachten
Mannes. Wenn sich auch im architektonischen Aufbau
seiner Gedanken, in der kasuistischen Darlegung der Fälle
(14,1 f., Kp. 18; 33 u. a.), in der verstandesmäfjigen Durchbildung
und Systematisierung des Urteils die priesterliche Schulung
des Priestersohnes ausspricht, sprengt doch der Durchbruch
der neuen Gotteswirklichkeit mit der Ankündigung der
unabwendbaren Vernichtung der ganzen bisherigen Glaubcns-
welt und des Endes aller bestehenden Bundesordnungen den
gesamten Rahmen seiner Herkunft und Erziehung. Der Prophet
, d. h. der Bote Gottes, bleibt Sieger über den Priester.
Diese Auffassung stellt Eichrodt der umgekehrten entgegen,
daß in Ezechiel der Priester den Propheten besiegt habe, so
daß er zum „Vater des Judentums" geworden sei (Wellhausen).
Aber ist der so gezeichnete Gegensatz überhaupt richtig? Wenn
immer wieder die Priester als die Vertreter der Beharrungskräfte
, als die sich letztlich dem lebendigen Zugriff Gottes
Entziehenden gezeichnet werden, kann das nur als die Nachwirkung
eines tiefgreifenden Vorurteils gewertet werden. Hier
wird ein ähnlich falscher Allgemeinschluß aus der antipriester-
Kchen Polemik bestimmter Prophetenstellen gezogen wie früher
aus der verwandten sogenannten antikultischen. Dies hätte
«ich vermeiden lassen, wenn man die „antiprephetische" immer
mit im Blick behalten hätte, bei der die kasuellen Voraussetzungen
unübersehbar sind. Man sollte also, statt in sicher geistvoller
Weise zu versuchen, den Punkt zu bestimmen, wo z. B.
In Kp. 18 das prophetische Wort über die priesterliche Grundlage
hinausführt, erkennen, in wie hohem Maße einem derartigen
kultischen Formular die Aktualität unmittelbaren par-
änetischen Zuspruches und einer echten Bußverheißung innewohnt
, mit der auch einer akuten Glaubenskrise begegnet werden
kann. Man sollte den Propheten Ezechiel als Zeugen für
den Priester ins Feld führen und den charismatischen Gegensatz
nicht in den Institutionen suchen.6

In einem gewissen Zusammenhang damit steht auch die
Charakterzeichnung des Propheten. Es ist zu begrüßen, daß in
einer nüchternen Weise von den mehrfachen Versuchen, den
Propheten als eine abnorme krankhafte Persönlichkeit zu verstehen
, entschieden abgerückt wird. Hier hat das besonders-
durch Fohrer geförderte gattungsmäßige Verständnis mancher
auf den modernen Leser befremdend wirkender Verhaltensweisen
des Propheten als auf die Verkündigung ausgerichteter
Zeichcnhandlungen befreiend gewirkt. Merkwürdigerweise wird
«n einem Punkt, bei den Berichten von Ezechiels .Stummsein"
und seiner zeitweiligen Bewegungsunfähigkeit (1,28, 3,14 f.,
12,17 f., 21,11, 24,16-27) diesen Erkenntnissen nicht Rechnung
getragen, sondern werden die betreffenden Stellen psychologisch
auf aus seiner Berufung erwachsende „seelische Erschütterungen
" zurückgeführt (S. 20*). Auch für 24,15 f., den Bericht
▼om Tode seiner Frau, ist es ja gerade charakteristisch, daß
▼on der seelischen Reaktion des Propheten auf dieses Ereignis
kein Wort gesprochen wird, sondern es vielmehr sogleich und
ausschließlich zum Anlaß einer Zeichenhandlung gewählt wird.
■0 wird man manchen psychologisierenden Ausdeutungen der
Persönlichkeit des Propheten (vgl. z. B. S. 18») mit Vorbehalt
begegnen müssen.

Während hier manche Bedenken bleiben, wird man die klaren
Ausführungen des Verfassers über die tragenden theologischen
Grundgedanken des Buches als ein gerade auch für den
Weiteren Leserkreis, an den sich die Kommentar-Reihe wendet,
wertvollen Beitrag begrüßen. Hier beweist sich erneut der Altmeister
alttestamentlicher Theologie. Der Raum verbietet, auf
die vielen weiteren Vorzüge der Einzelexegese einzugehen, die

*) Ansätze zu einem solchen neuen Urteil bei K. Koch, Festschrift von Rad,
I. S. 59.

SO

sich durch Sorgfalt in der exegetischen Einzelbeobachtung und
einen klaren Blick der wesentlichen Aussagen auszeichnet.

Die Reihe „Das Alte Testament Deutsch" liegt noch immer
nicht vollständig vor. Wenn sie einmal vollendet ist, sollte der
Herausgeber überlegen, ob nicht in mancher Hinsicht eine Modernisierung
angebracht wäre. Das gilt schon äußerlich für die
Drucktype, die für den ausländischen Leser ein Hindernis darstellt
. Es sollte unbedingt baldmöglichst Antiqua eingeführt werden
. Auch der textkritische Apparat mit seinem bloßen Verweis
auf den (weithin überholten) Apparat der BH genügt nicht.
Die Literaturhinweise entsprechen nicht den notwendigen Bedürfnissen
selbst eines breiten Leserkreises. Diese Beschränkungen
werden zwar von den Verfassern (in verschiedenem Ausmaß
) gelegentlich selbst durchbrochen, sollten aber grundsätzlich
revidiert werden. Von einem Kommentar erwartet man
vor allem sachliche Information, wogegen die Textparaphrase
stärker zurücktreten könnte.

Eochum Henning Graf Reventlow

Haag, Herbert: Die Handschriftenfunde in der Wüste Juda.

Stuttgart: Katholisches Bibelwerk [1965]. 74 S. m. 2 Ktn., 4 Taf.
8° = Stuttgarter Bibelstudien, hrsg. v. H. Haag, N. Lohfink
u. W. Presch, 6. Kart. DM 5.80.

Die kleine Arbeit erschien 1958 erstmalig und wird jetzt in
neuer Bearbeitung vorgelegt. Sie berücksichtigt alle wesentlichen
Gesichtspunkte der Qumränforschung, wie das bei dem in
diesem Gebiet wohl versierten Verfasser nicht anders zu erwarten
ist. Der Verfasser behandelt überwiegend die Handschriften
von Qumrän, will aber die Gegend von Qumrän in die Wüste
Juda einbeziehen, was geographisch zutreffend ist, und nennt
daher seine Schrift „Die Handschriftenfunde in der Wüste Juda".
Man vermißt unter diesem Titel allerdings die ebenso umfassende
Behandlung der Handschriftenfunde, die etwa Yadin in der „CaVC
of Letters" gemacht hat. So wird es wohl zweckmäßig sein, bei
der eingebürgerten Bezeichnung „Handschriftenfunde am Toten
Meer" und „Handschriftenfunde in der Wüste Juda" zu bleiben.
Unter letztere würden dann die Funde in chirbet mird, im wädi
murabba'ät und in den verschiedenen Höhlen der zum israelischen
Staatsgebiet gehörenden Wüste Juda zu rechnen sein. Zwei
kleine Hinweise seien noch gegeben: Die Lehmablagerungen
(S. 36) in den Zisternen von Qumrän sollen nach de Vanx.
L'Archeologic et les manuscrits de la Mer Morte 1961, 13 zu
kalkhaltig sein, um für plastische Formung verwendet zu werden
. Vermutlich hat die Sekte von Qumrän Tonlager im Norden
des Toten Meeres gekannt, wie sie jetzt wieder entdeckt und
verwendet worden sind. Siehe auch ThR 29, 1963, 276. Die Reste
der griechischen Zwölfprophetenrolle (S. 43 f.) sind nicht in
Qumrän, sondern in der „Cave of Horror" gefunden worden.
Siehe dazu Lifshitz, The Greek Documents from the Cave of
Horror IEJ 12, 1962, 201 ff. Zu der Beteiligung an den gemeinsamen
Mahlzeiten in Qumrän kann in Erwägung gezogen werden
, daß der Aufnahmebewerber nur an der Vorbereitung und
Zubereitung des Mahles nicht teilnehmen durfte, um die rituelle
Reinheit nicht zu gefährden. Zu S. 9 Anm. 3 kann noch auf den
Kodex Odo verwiesen werden als Beispiel einer außermasoreti-
schen Textüberlieferung. Besonders gut hat der Verfasser das
Kapitel über das Verhältnis von Qumrän und Frühjudentum gestaltet
. Erst dann erörtert er die Problematik des Verhältnisses
zwischen Qumrän und dem werdenden Christentum. So ist wieder
ein förderliches Stück guter Qumränliteratur geschaffen worden
. Dem Verfasser gebührt Dank!

Leipzig Hans Bardtke

Seebas s, Horst: Der Erzvater Israel und die Einführung der
Jahweverehrung in Kanaan. Berlin: Töpelmann 1966. IX, IIIS,
gr. 8° = Beihefte z. Zeitschrift f. d. Alttestamentliche Wissenschaft
, hrsg. v. G. Fohrer, 98. Lw. DM 30.-.

In dieser traditionskritischen Studie versucht der Verfasser,
zwei nicht unmittelbar zusammenhängende Thesen herauszuarbeiten
, einmal die von einem selbständig neben Abraham, Isaak

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 1