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Ausgabe:

1968

Spalte:

509-510

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Delling, Gerhard

Titel/Untertitel:

Römer 13,1-7 innerhalb der Briefe des Neuen Testaments 1968

Rezensent:

Michel, Otto

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 7

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die vorliegende Gestalt der Passionsgeschichte in Johannes nicht Stellung nimmt. Aber damit entsteht natürlich das Problem der
recht hervortritt. staatskritischen Haltung, die vor allem mit der Exegese in
Während E. Flesseman - van Leer sich um die ausdrücklichen K. Barths Römerbriefkommentar verknüpft ist. Da5 die lutherische
Zitate in der Passionsgeschichte bemüht, zeigt E. Lohse in aus- Tradition zu anderen Positionen drängt als die der dialektischen
gewogener und klar gegliederter Weise die fundamentale Be- Theologie und daß von da aus gesehen der Tenor von Rom. 13,
deutung des Alten Testaments für die Formulierung und Aus- 1-7 aufs neue befragt werden muß, müßte ähnlich wie E. Käse-
legung der Bekenntnissätze vom Tode Jesu Christi sowohl in der mann oder anders als Käsemann gesagt werden. Ich kann mir
palästinischen als auch in der hellenistischen Gemeinde. Dahinter nicht recht vorstellen, da5 ein Pastoralkolleg der evangelischsteht
der Anspruch, dafj das ganze Alte Testament, nicht nur eine lutherischen Kirche Sachsens an diesen Konsequenzen vorbei-
Auswahl einzelner Stellen, auf das Christusgeschehen bezogen gehen kann. Oder können beide Traditionen theologiegeschichtlich
werden muß. Meines Erachtens ist wesentlicher Grund dafür der auf Paulus zurückgeführt werden?

Glaube, daß das Christusgeschehen Endgeschehen ist; deshalb ist Hier macht aber G. Delling auf eine wichtige Beobachtung aufin
ihm die Schrift erfüllt, und deshalb vollzieht es sich auch so, merksam: Das ständige Gerede von einem „eschatologischen Vor-
wie die Schrift vorherverheißen hat. behalt" hat textlich keinen Rückhalt (S. 65, Anm. 156). D i e

Der gerade auch in seinen Einseitigkeiten sehr anregende Band ethische Forderung wird durch die eschato-

sollte, wie es seiner Absicht entspricht, zur Diskussion anregen. logische Situation nicht relativiert, sondern

Diesem Anliegen möchten auch die hier vorgetragenen Bemer- eher aktiviert. Von einer eschatologischen „Belanglosig-

kungen dienen. keit" des Staates darf man nicht sprechen (S. 65). Ich nehme an,

Greifswald Traugott h o 11 z daß S. 65, Anm. 156 systematisch ausgewertet werden darf.

Zum Ganzen: Besonders erfreulich ist die Sicherheit, mit der

Delling, Gerhard: Römer 13, 1-7 innerhalb der Briefe des

der Verfasser über das rabbinische und hellenistische Material
verfügt (auch Josephus!). Daß das Christentum der damaligen

SM 5 Verlagsanstalt [1962). 75 S. 8°. ^ »n ^ nJon£n Fl'age des Judentums überhaupt nicht inter-

' ' essiert gewesen sei (so G. Delling S. 12), ist sicher eine fragliche

Diese von G. Delling vorgelegte SpezialStudie zu Rom. 13, 1-7 Formulierung (vgl. dazu Luk. 24, 21; Apg. 1, 6-7 und vor allem

hat ihre Vorgeschichte: Der Verfasser hatte das Material zur Wort- die Messiasfrage). Man wird die Kompliziertheit der urchristlichen

gruppe z&aoa für das Theol. Wort, zum Neuen Testament ge- Bewegung nicht ideologisch so vereinfachen dürfen,

sammelt und hielt es nun für geraten, dies Material in einem Tübingen Otto Michel
größeren Zusammenhang auszuwerten. Der gewissenhafte Leser

wird aber nicht nur das Material zu töcoou , sondern auch zu T .. , „. . _ „„ , . , . , _ ,

an,w„ \7 i. j "u v u i u j i i, • j Luhrmann, Dieter: Das Offenbarungsverstandms bei Paulus

anderen Wortgruppen, das gewöhnlich sehr bedeutungsvoll in den . . _ , . „ . , „ ," . ,„ „ ,,.

«„„„ , ,___... . . , , ? , , ,. und in Paulinischen Gemeinden. Neukirchen-Vluyn: Neukirche-

«nmerkungen ausgebreitet wird, ganz besonders dankbar hin- „ , . „ . , . „ „„

,,„v,_,„ , „_ ,/~ . . . . .. ner Verlag d. Erziehungsvereins 1965. 183 S. gr. 8° = Wissen-

nenmen und verwerten. Vor allem die Auseinandersetzung mit . „„ ,. 3 . .

p n,__, ... . , . , , . . , . ° schaftl. Monographien zum Alten u. Neuen Testament, hrsg. v.

Bammel zur Wortverbindung eipfivT) Hai daoaXeue in 1. Thess. „ „ , V, „ , _ „„,,,■>

5 , ,5 .„ . m,.. . . . 7(l i v i* ftj. G. Bornkamm u. G. v. Rad, 16. DM 15,80; Lw. DM 18,80.
■»« o (a. 40-41 Anm. 90) ist ein Muster gewissenhafter Arbeit. (Ich

kam hier zu ähnlichen Ergebnissen wie G. Delling, allerdings auf 1. In der gegenwärtigen, durch die Konzeption von „Offen-

einem anderen Wege: bei der Untersuchung über die formale barung als Geschichte" (W. Pannenberg) gekennzeichneten theolo-

Eigenart von zusammengestellten Begriffen bei Paulus.) gischen Neubesinnung auf die Offenbarung könnte eine exege-

Es handelt sich also bei dieser Studie keineswegs um einen tische Untersuchung einen klärenden Beitrag leisten, wenn sie sich

Diskussionsbeitrag zu einem wichtigen Problem der neutestament- zugleich auf die ja auch bei der historischen Analyse nicht zu

liehen Theologie. Der Verfasser kennt sich zwar ausgezeichnet aus umgehende theologische Problematik einließe und bei der Ex-

m der gegenwärtigen Literatur, aber er gönnt der eigentlichen egese diejenige Tiefe erstrebte, die allein den Erkenntnisvollzug

Diskussion nur den notwendigsten Raum. Wo er kritisiert, da ge- zu fördern vermag. Geht man mit dieser auch durch das 1. Kapitel

schieht es in der vorsichtigsten Form (z. B. in der Besprechung (Ausgangspunkte, S. 11-17) geweckten Erwartung (vgl. S. 11 f.)

von O. Cullmanns Artikel: Königsherrschaft Christi und Kirche im an diese Monographie heran, so ist man etwas enttäuscht, weil

Neuen Testament, 2. Aufl. 1946, S. 24 in Anm. 51). Die Arbeit von diese ersten Seiten den Eindruck eines erst nachträglich ange-

G. Delling ist so sachlich wie möglich - und das bedeutet in un- fertigten Kurzreferats von Literatur erwecken, deren Abfolge

serer gegenwärtigen Situation sehr viel. Und doch möchte ich ziemlich wahllos wirkt. Sollte Verfasser seine Leser nicht gleich

9erade G. Delling folgendes zu bedenken geben. Seine Arbeit geht zu Beginn doch etwas mehr fesseln?

mit Recht immer wieder auf die Untersuchung von E. Käsemann Verfasser will sich auf eine „exegetische Untersuchung aller
u°er Rom. 13, 1-7 in der modernen Exegese ein (Z. Th. K. 56, Stellen in den Paulusbriefen, in denen die Vokabeln dnouaMmTei.v,
1959). G.Dellings Arbeit ist stark philologisch und religionswis- änoH&\><,.c„ «pavepoüv und tpavipwiq vorkommen" beschränken
senschaftlich bestimmt. E. Käsemanns Arbeit zeigt formgeschicht- (S. 11), wodurch er zwar die fehlenden ThW-Artikel <pociepoüv,
üche und systematische Fragestellungen auf, die fruchtbar werden iiiipavC^euv, liaepdveia, putCSciv, (fumanSc, vorbereiten könnte,
s°llten. Form- und gattungsgeschichtlich sind - wenn ich einmal aber im ganzen doch zu sehr der religionsgeschichtlich orientier-
selbst auf Rom. 13, 1-7 eingehen darf - jüdisch-chokmatistische ten Wort- und Vorstellungsstatistik verhaftet bleibt, durch die
Motive verarbeitet, die als solche erkannt werden müssen. Erkennt ganze theologische Komplexe unerfaßt bleiben. Obwohl Exegese
^an dies, dann hat dies Resultat auch ganz bestimmte exegetische auch mit Übersetzung zu tun hat (vgl. S. 12, Anm. 2), wird so die
F°lgen, die für den Standpunkt G. Dellings auch bedeutsam wer- theologische Fragestellung auf die nach der Rolle von Vorstellungen
könnten. gen (vgl. z. B. S. 19, Anm. 2) reduziert, so daß die weitergehen-
Der Aufbau der Studie ist von der Fragestellung bestimmt, ob den Fragen nach der Struktur der paulinischen Theologie über-
die exkursartigen Sätze in Rom. 13, 1-7 als typisch paulinisch haupt übergangen werden können (vgl S. 16, Anm. 3). Die neu in
bezeichnet werden können oder ob sie letztlich dem paulinischen Gang gekommene systematische Diskussion über die Offenbarung
Gedankengefüge fremd sind. G. Delling vermutet - wie schon dürfte sich wegen dieser Selbstbeschränkung des Verfassers kaum
früher G. Kittel - einen engen Zusammenhang zwischen Rom. 13, dem geeigneten exegetischen Gesprächspartner gegenüber sehen.
7 und Mark. 12, 17. In beiden Fällen wird der Widerstand gegen Schon A. Oepke, ThW III 566, 12 ff., war besonnen genug, eine
d|e Staatsgewalt grundsätzlich abgelehnt. „Lehnt Jesus es ab, in rein philologische Erörterung des Komplexes abzulehnen. Da wäre
d>e Romfeindschaft des Judentums hineingezogen zu werden, so in unserer heutigen hermeneutisch differenzierteren Situation erst
z>cht Paulus daraus die Konsequenzen für die Christenheit" (S. 19). recht eine theologische Vertiefung gerade auf exegetischem Felde
Dic Paulinische Paränese in Rom. 13, 1-7 steht in ihrer Haltung angebracht gewesen. Erfüllt Verfasser wirklich die durch sein
n'cht auf sich allein, sondern stimmt mit den sonstigen Aussagen Thema nahegelegten Hoffnungen, wenn er z. B. in seinem Exkurs
der Paulusbriefe und des 1. Petrusbriefes überein (S. 19). L. Gop- über „Offenbarung und Christologie in der frühchristlichen Lite-
Pelt spricht von „der zentralen Weisung für das Verhältnis der ratur" (S. 17-20) lediglich eine „rasche Durchsicht der frühchrist-
Christenheit zum Staat", ohne daß G. Delling systematisch dazu liehen Literatur" (S. 17) zur Begründung seiner These ausführt,