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Ausgabe:

1968

Spalte:

507-509

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Zur Bedeutung des Todes Jesu 1968

Rezensent:

Holtz, Traugott

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507

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 7

508

(S. 16-31); III. Adam in Rabbinic Literature (S. 32-58); IV. Paul:
The New and the Old Creation (S. 59-74); V. Paul: The First and
the Last Adam (S. 75-112).

In den religionsgeschichtlichen Passagen bringt Verfasser weder
neues Material noch neue Aspekte zutage. Er beweist nicht nur
durch das rabbinische Kapitel, daß er bei W. D. Davies die Art
seiner Exegese gelernt hat.

In der Paulus-Exegese begründet und entfaltet der Verfasser
die These, „that Paul's Christology of the Last Adam is primarily
directed toward illuminating and assuring the Christian's hope
of eschatological humanity" (S. 59). Die „Adamic Christology" ist
funktional: „it shows what the new life is and how it is to be
attained" (S. 83). „The Adamic Christology speaks of the exalted
Lord, not the historical activity of Jesus" (S. 98 f.). Christus ist
die Realisierung des wahren Menschseins (S. 100-102), aber auch
sein Mittler (S. 102-108), so dafj wahres Menschsein gegenwärtige
Realität besitzt (S. 109-112): „Paul equates the humanity of the
exalted Christ with that of the man given the gift of eternal life"
(S. 105). Die soteriologische Kraft nimmt Christus nicht aus sich
selbst, sondern aus Gott. „The motif of Christ as agent of the new
humanity thus stems, in the final analysis, out of Paul's reflec-
tions about Christ's relationship with God" (S. 105 f.).

Verfasser deutet selbst an, daß er K. Barths Verständnis des
Adam-Christus Motives für im Kern richtig hält (S. XXII Anm. 63).
Diese These könnte Verfasser nur dann ausreichend belegen, wenn
er sich nicht nur ausführlicher mit#der Kritik E. Brandenburgers1'
auseinandersetzte, sondern sich vor allem auf die Art der Exegese
E. Jüngels einließe, die den Vorgang der gedanklichen Bewegung
von der Objektivation des religionsgeschichtlichen Materials
methodologisch unterscheidet. Erst dann könnte man diesem
Buche diejenige Souveränität zubilligen, zu der Verfasser mit seinen
Andeutungen in der Introduktion auf den Weg gewiesen ist,
wenn er sich bewußt würde, was sich ihm als Problem der
theologischen Interpretation zuschickt.

Bonn Erhardt Güttgcmanns

6 A. a. O. 267-278.

Conzelmann, Hans, Flesseman-van Leer, Ellen,
Haenchen, Ernst, Käsemann, Ernst, u. Eduard L o h s c :
Zur Bedeutung des Todes Jesu. Exegetische Beiträge. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1967]. 112 S. gr. 8° =
Schriftenreihe des Theologischen Ausschusses der Evang. Kirche
der Union, hrsg. v. F. Viering.

Der Theologische Ausschuß der EKU soll eine Handreichung
zum Verständnis des Todes Jesu für den Dienst der Verkündigung
erarbeiten. Er hat sich zunächst mit der Frage nach der Bedeutung
der Auferstehung befaßt (siehe die Schrift „Die Bedeutung
der Auferstehungsbotschaft für den Glauben an Jesus Christus",
Gütersloh 1966). Die vorliegende Schrift gibt nun die Vorträge
wieder, in denen das eigentliche Thema der Ausschußarbeit zunächst
von der neutestamentlichen Seite her behandelt wird.

Es handelt sich bei den fünf Aufsätzen also um Diskussionsbeiträge
, und von daher mag sich die scharfe Einseitigkeit einiger
von ihnen wenigstens zum Teil erklären. Am stärksten tritt das in
dem ersten Beitrag hervor, in dem E. Käsemann „Die Heilsbedeutung
des Todes Jesu nach Paulus" behandelt. Mit bestechender
Brillanz verteidigt Käsemann in ihm die radikale Geltung des
Satzes „crux sola nostra theologia" gegen seine Gefährdung durch
eine Theologie der Auferstehung oder eine solche der Hcils-
tatsachen. Gegen wen sich präzise die schneidende Beredsamkeit
wendet, ist mir freilich nicht ganz klargeworden. Doch mag das
daran liegen, daß der Außenstehende die Frontstellung im Ausschuß
, für den der Vortrag ja zunächst bestimmt war, nicht übersehen
kann. Jedenfalls ist schwer denkbar, daß Künneths Theologie
der Auferstehung, die innerhalb der wissenschaftlich-theologischen
Debatte der Gegenwart, zumal im Bereich des Neuen
Testaments, doch nur eine Randexistenz führt, und noch weniger
eine vorwissenschaftliche Gemeindetheologie" einen exegetischen
Beitrag (als solche sind die Aufsätze im Untertitel eigens gekennzeichnet
), der einen historischen Tatbestand in den Blick faßt, in
solche Einseitigkeit führen kann. Denn auch Käsemann räumt ja
durchaus ein, „Paulus habe erst von der Manifestation des Auferweckten
her das Kreuz verstehen und predigen können" (S. 30),
und sieht, daß die „sogenannten" Heilstatsachen die Predigt begründen
, „so wenig. . . man sie anders als durch die Predigt"
hat (S. 26). Der Satz crux sola nostra theologia meint doch wohl
eben das, daß das Kreuz unsere Theologie ist, nicht nur unser
Wort vom Kreuz. Einem theologischen usus von seinem abusus
her die Berechtigung zu bestreiten, ist eine bedenkliche Methode.

Aber auch abgesehen von Einseitigkeiten, die durch eine Frontstellung
bedingt zu sein scheinen, dürfte es kaum möglich sein,
der ganzen Theologie des Paulus gerecht zu werden, wenn man
zu scharf bei ihrer Erhebung zwischen übernommener vorpaulini-
scher Tradition und selbstformulierter Aussage scheidet. Abgesehen
davon, daß die Herauslösung traditioneller Stücke aus den
Briefen weitgehend hypothetisch sein muß, ist doch sicher, daß
Paulus sich mit solchen „Zitaten" sie und vor allem ihren Inhalt
zu eigen macht. Nicht erst die Auslegungen der „Traditionen",
sondern bereits diese selbst sind Bestandteile der paulinischen
Theologie, die ganz sicher weit über den Rahmen übernommener
geprägter Glaubensaussagen hinaus bestimmt ist durch den Glaubensstand
der Gemeinde vor und neben ihm. Das gegenwärtig
weitverbreitete Verfahren, die paulinische Theologie von bestimmten
Aussagen dadurch zu entlasten, daß man sie für vorpaulinische
Tradition erklärt, ist eine merkwürdige Parallele zu dem Verfahren
, das Johannes-Evangelium von bestimmten Aussagen dadurch
zu befreien, daß man sie für spätere Zusätze einer kirchlichen
Redaktion erklärt, zumal beides vornehmlich von der gleichen
Richtung vorgetragen wird.

Auch die Behandlung von „Historie und Theologie in den
synoptischen Passionsberichten" durch H. Conzelmann dürfte den
Gegenstand allzu einseitig darstellen. Mit Blick auf die Historie
herrscht fast völlige Skepsis. „Das gesicherte Kern-Faktum ist, daß
Jesus gekreuzigt wurde", woraus geschlossen werden kann, daß
er verhaftet worden ist und vor einem römischen Gericht stand.
„Alles übrige am Ablauf der Ereignisse ist strittig" (S. 37 f.). Nicht
zuletzt daraus, daß alles übrige strittig ist, folgt für Conzelmann
nun offenbar, daß es unhistorisch ist, was kaum ohne weiteres
jedem einleuchten wird. In den folgenden Beiträgen des Bandes
wird denn auch an einigen Punkten ein ganz anderes Urteil über
sehr wichtige historische Einzelfragen gefällt, wie z. B. von Haenchen
, S. 76, über Simon von Cyrene (gegen Conzelmann, S. 48 A. 24)
oder vor allem von Lohse, S. 100, über den titulus am Kreuz
(gegen Conzelmann, S. 48, und auch Haenchen, S. 76 f.). Um so
zuversichtlicher wird dafür von Conzelmann die Theologie vor
allem des Mk rekonstruiert, die für die Gestaltung der Passionstradition
verantwortlich sein soll. Die Frage, warum sich
die theologische Konzeption in gerade dieser oder jener Einzel-
gcschichtc ausspricht, wird kaum gestellt. Als theologische Absicht
des Mk bei der Darbietung der Passionsgeschichte erkennt Conzelmann
, eine christologia gloriae (und eine ihr entsprechende
Ekklcsiologic) abzuwehren („Die Passionsgeschichte ist ein Riegel
, der jede Eröffnung einer christologia gloriae versperrt", S. 43)
und Glaube und Nachfolge an das Kreuz zu binden. Sichtbarstes
Zeichen dessen seien die im Zuge der Darstellung immer wieder
begegnenden „Blockaden"; das sind Vorverweise auf das anstößige
Kreuzesgeschehen, die dem Leser stets neu den Stein des Anstoßes
in den Weg werfen. Da nach Conzelmann das (einzige)
gesicherte Kernfaktum die Kreuzigung ist, ergibt sich die Frage,
woher (historisch und theologisch) denn die Traditionen stammen,
die Mk mit solchen Blockaden verschen muß, damit sie nicht
mißverstanden werden, und warum er sie in solcher in sich mißverständlichen
Form in sein Evangelium aufnimmt. Meines Erachtens
ist die bei weitem einleuchtendste Erklärung des Tatbestandes
gerade der Vorverweise immer noch die, daß damit das
Kreuzesgeschehen von der Erfahrung der Auferstehung her bewältigt
wird.

In den folgenden Aufsätzen handelt E. Haenchen über „Historie
und Geschichte in den johanneischen Passionsberichten", E. Flesseman
-van Leer über „Die Interpretation der Passionsgeschichte vom
Alten Testament aus" und E. Lohse über „Die alttestamentlichen
Bezüge im neutestamentlichen Zeugnis vom Tode Jesu Christi".
Haenchen zeichnet eindrücklich die Interpretation der Passionstradition
durch Johannes nach, wobei freilich die Frage nach der
Historie - trotz des Titels des Beitrages - fast völlig zurücktritt
und auch die Bedeutung der vorjohanneischen Tradition etwa für