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Ausgabe:

1968

Spalte:

498-501

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schmid, Hans Heinrich

Titel/Untertitel:

Wesen und Geschichte der Weisheit 1968

Rezensent:

Bertram, Georg

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Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 7

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Stelle stehen (nach 25, 13c), aber gegenüber dem MT eine andere Die Fixierung der genannten Stellen auf die Zeit vor 621 v. Chr.
Abfolge aufweisen, die schwerlich ursprünglich ist. Beide Phäno- lehnt er aus inhaltlichen Gründen ab, auch sieht er keine Ver-
mene wertet R. als den Versuch späterer Aktualisierungen. Die anlassung dafür, in dem „Feind aus dem Norden" nicht die Baby-
Reihenfolge der Orakel in der LXX spiegelt eine bestimmte lonier wiedererkennen zu sollen (S. 131 ff.). Abgesehen von die-
Mächtekonstellation der hellenistischen Welt wider, während die sen Hauptthesen enthält das Buch noch eine ganze Reihe von
Versetzung der Völkersprüchc an das Buchende im MT das Inter- Einzelbeobachtungen und -ergebnissen, die interessant und er-
esse verfolgt, Predigt und Becherperikopc in Kapitel 25 zu einer wägenswert sind, so z. B. zum Skopus von Kapitel 26 (S. 97-99).
neuen „kerygmatischen Einheit" zu verschmelzen (S. 82 ff. 85). Es Das verdient ausdrücklich erwähnt zu werden,
wird der Nachweis zu führen versucht, daß beide Vorgänge in Aber nun müssen zum Ganzen doch ein paar Fragen gestellt
das 2. Jahrhundert v. Chr. fallen, letzterer noch genauer in die werden, über die man mit dem Verfasser gern diskutieren möchte.
Zeit des Antiochus IV Epiphanes. In der Beweisführung für die Es ist zu bedauern, daß die Ausführungen zum Problem der UrVerschiebung
der Kapitel 46 bis 51 an den Schluf3 des MT spielt rolle selber so knapp gehalten sind. Wäre es nicht möglich gc-
der 14. Vers von Kapitel 25 eine Rolle, der nach R. nicht vor dem wesen, die exemplarischen Analysen am Überlieferungsblock der
2- Jahrhundert v. Chr. in den Text eingedrungen sein kann und Kapitel 1 bis 24 vorzunehmen? Warum mußte für das, was R.
auf den in 25, 3. 7. 1. 9. 11. 12 erkennbare Nachträge und Glos- vorführen wollte, gerade der Komplex der Frcmdvölkerorakel
sen bezogen werden müssen. Diese späten Zufügungen, die zudem gewählt werden? Hängt das mit der besonderen Problematik von
wie 25, 14 in der LXX fehlen, verändern behutsam die Inhalte Kapitel 25 zusammen? Ist dann aber das Analogieschlußverfahren
des 25. Kapitels zugunsten einer Aktualisierung im 2. Jahrhundert überhaupt möglich, nach welchem vorausgesetzt wird, dafj bei den
v- Chr., bei der schon Elemente der Apokalyptik nachzuweisen übrigen „Überlieferungsblöcken" die gleichen Gesetzmäfjigkeiten
sind (S. 86-89). der Konzentration wirksam gewesen sind, die wie bei den Kapi-

Als Ergebnis dieses Hauptteiles der Untersuchungen, die in tcln 25. 46-51 zur Nachzeichnung der Redaktionsgeschichte be-
Einzelheitcn noch wesentlich komplizierter sind, als sie hier nach- rechtigen? Und weiter: Könnte die Abgrenzung der Überliefe-
Sezeichnet werden konnten, hält R. folgende Punkte fest: 1. Die rungsblöcke nicht auch anders vorgenommen werden? Der VerEntdeckung
des „Übcrlicferungsblockes", der in diesem Falle schon fasser behauptet zum Schluß, daß die Endredaktion des Jeremia-
rund einhundert Jahre nach dem Auftreten Jeremias als geschlos- buches wesentlich einfacher gewesen ist, als bisher angenommen
sene Größe vorliegt und redaktionell verwendet werden kann. wurde, weil sie sich darauf beschränken konnte, die vorhandenen
2-Die Tatsache, dafj innerhalb des Überlieferungsblockes stilistisch« Überlieferungsblöcke aneinanderzureihen (S. 127). Aber ist nicht
sehr unterschiedliche Stücke schon zusammengefügt auf den Redak- vorher, ehe es überhaupt zu einem solchen Überlieferungsblock
tor gekommen sein müssen, so da5 es also nicht mehr notwendig gekommen ist, alles sehr viel komplizierter? Hat nicht die Redak-
lst stilistisch unterschiedene Texte verschiedenen Quellen zuzu- tionsgeschichte der Kapitel 25. 46-51 gerade gezeigt, wie diffizil
Weisen. 3. Die Nachzeichnung einer Redaktionsgeschichte - wenig- die Probleme in den Texten liegen bis hin zu Halb- und Drittelstens
für Kapitel 25 - über vier Jahrhunderte hinweg (S. 91-95). versen? Weitere Fragen sind die nach dem Verhältnis von Stoff-

Dicses Ergebnis ermutigt den Verfasser, weiteren Überliefe- konzentration und Redaktion zueinander oder die nach der Ver-
rungsblöcken im Jeremiabuch nachzuspüren, und er meint, solche hältnisbestimmung von gleichen Überlieferungsinhalten in ver-
noch in folgenden Kapiteln auffinden zu können: in 36-44 schiedenen Überlieferungsblöcken, wie z. B. bei Kapitel 7 und 26.
(S-95ff.); 26-35 (S. 110 ff.); 1-24 (S. 122 ff.). Kapitel 45 wird Hier gibt es Fragestellungen, auf die die von R. vorgelegte Arbeit
hinter Kapitel 24, oder noch genauer hinter Kapitel 20 eingeord- noch keine Antwort zu geben vermag. Sie kann es wahrscheinlich
nct da es aus inhaltlichen Gründen nicht hinter Kapitel 44 paßt auch deshalb nicht, weil sie sich hauptsächlich mit dem einen
(s- 102 ff., 127 ff.). Die Beschreibung dieser Überlieferungsblöckc Übcrlieferungsblock beschäftigt. Dieser Hauptteil zeitigt disku-
■st unverhältnismäßig kurz gehalten, aber der Autor meint, daß table Ergebnisse, und um seinetwillen ist die Arbeit sehr lesens-
hier die gleichen Gesetzmäßigkeiten vorherrschen wie in den aus- wert. Die Mühe um den methodisch neuen Weg ist anzuerkennen,
führlich analysierten Kapiteln 25. 46-51 (S. 94). Von diesen Vor- und es ist sehr zu begrüßen, daß unlösbar erscheinende Probleme
aussetzungen her gelangt R. zu der Annahme, daß die Urrolle wieder angegangen werden. Um aber im Sinne des Verfassers
lm jetzigen Jeremiabuch noch als in sich geschlossener „Über- Sicheres sagen zu können, müßte wohl an den übrigen Teilen des
lieferungskomplex" oder „Überlieferungsblock" vorhanden ist. Jeremiabuches eine ähnlich ausführliche Untersuchung durchgehen
allem, was man auf Grund von Kapitel 36 inhaltlich von der führt werden, wie sie R. zu den Kapiteln 25. 46-51 vorgelegt hat.
Urrolle weiß (Bußruf und Unhcilsankündigung), scheiden drei c o r r i g c n d a , s. 46. 2. Abschnitt lies Anmerkungszahl 5 statt s. S. 70.

Überlieferungsblöckc für die Suche nach der Urrolle aUS: Kapitel Anm. 67 lies Meyer statt Mayer. S. 89, 3. Zeile v. o. lies auf statt aus. S. 120,

36 bis 44 und 26 bis 35 (sie enthalten vorwiegend Erzählungen, 3- Zci,c v- »• lies dal> s,att s- 129' 2- Zcilc v- u- lics 26-35 slatt 25~36- s- 133'

bzw. in Kapitel 30 f. Heilsorakcl) und 25. 46-51 (Fremdvölker- 7 Zc,lc v' lics 6' 30 sla,t 6' 35'
sPrüche). So bleibt der Übcrlieferungsblock der Kapitel 1 bis 24

u°rig. Dieser gliedert sich in sechs Oberlieferungskomplexe (1-6; Schlnid Hans Heinrich: Wesen und Geschichte der Weisheit.

oh ' , 14_17; 18"2°; 21_24: V9L S- 125l' °tff°nbar Einc Untersuchung zur altorientalischen und israelitischen Weisse
erkennbare Konzeption einfach lose aneinandergereiht wor- heitsliteratur. Berlin: Töpelmann 1966. XIII, 250 S. gr. 8° =
cn sind, so wie das 1, 1-3 als Überschrift vorauszusetzen scheint, Bdheftc fc Zcitschrift f d alttestamentl. Wissenschaft, hrsg. v.

«na die zum Teil schon eine mehr oder weniger längere Uber- G p0j,rer ^ Lw DM 52 -

"efcrungsgcschichtc durchlaufen haben. Die Kapitel 21 bis 24 kom- ' ,' , ' ', , . _

men für die Urrolle wegen ihrer speziellen Thematik nicht in Richter, Wolf gang: Recht und Ethos Versuch einer Ortung des

Frage, zudem sprengen sie den mit dem Jahre 605 v. Chr. vor- weisheithchen Mahnspruches. München: Kosel-Verlag 1966.

Begebenen zeitlichen Rahmen. E i n Obcrlicfcrungskomplcx 217 S' 9r' 8° = Studien zum Alten u' Neuen Testament nrsg. v.

innerhalb der verbliebenen Kapitel 1 bis 20 läßt keine eigene V- HamP_ u- * Schmid unter Mitarb' v' R Neuenzcit, 15. Kart.

berliefej-ungsgcschichte erkennbar werden, wird überdies auch 38> ■
nicht wie die anderen durch eine deuteronomistisch gefärbte Prosa- Die beiden vorliegenden Arbeiten ergänzen einander, ohne daß
rede eingeleitet, verdankt somit seine Gestalt keiner deuterono- die Verfasser ihre Untersuchungen gegenseitig kannten. H. H.
mistischen Konzeption, muß also schon vorgegeben gewesen sein, Schmid unternimmt den großangelegten Versuch, ein Bild der
es sind dies die Kapitel 1 bis 6, die R. nunmehr mit der Urrolle Geschichte der Weisheit im alten Vorderen Orient zu entwerfen,
identifiziert. Nach 36, 32 muß die Urrolle an der Spitze eines Die außerbiblischen Quellen aus dem Nilland und aus dem Zwei-
Uberlieferungsblockes gesucht werden. Die in den übrigen Über- stromland, die bis ins 3. Jahrtausend zurückgehen, werden in den
heferungskomplcxen (Kapitel 7-20) enthaltenen Sprüche gehören beiden ersten Teilen im einzelnen behandelt. Im Anhang werden
dann zu den dort erwähnten späteren Zufügungen (S. 130). Zwei sie, die zum Teil schwer zugänglich sind, dem Leser im Zusam-
pi"oblemen muß sich der Verfasser noch stellen, der Schwierigkeit menhang geboten. Der dritte Teil, auf den das ganze Werk aus-
der zeitlichen Ansetzung von Kapitel 4, 5 bis 6, 30 und der un- gerichtet ist, wendet die Ergebnisse der form- und gattungsgelösten
Frage nach der Identifizierung des „Feindes aus dem geschichtlichen Untersuchungen auf die alttestamentlichcn Über-
Norden". R.s Antwort auf diese Fragen ist schnell wiedergegeben: lieferungen an.

Grcifswald Siegfried Wagner