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Ausgabe:

1968

Spalte:

467-468

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Podipara, Placid Joseph

Titel/Untertitel:

Die Thomas-Christen 1968

Rezensent:

Gensichen, Hans-Werner

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Seite 1

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völlig auf den „Organismusgedanken" (S. 159 ff.) zurückgeführt
werden kann. Von daher wäre die vom Verfasser postulierte Spannung
zwischen dem „Ordo-Prinzip" und dem „Organismus-Prinzip"
- als dem Schlüssel zum Verständnis der gegenwärtigen Entwicklungen
- noch einmal zu überprüfen.

Von der Aufgabe, einen „genetischen Kommentar" zur Liturgiekonstitution
zu schreiben, ist die theologische Wissenschaft durch
den Verfasser nicht entbunden worden. Alle Einwände können
jedoch die Dankbarkeit für dieses wohlabgewogene, gut informierte
Werk nicht beeinträchtigen, für das wohl immer noch das
eingangs zitierte Urteil von J. Kramp gilt: Keiner, der die liturgische
Bewegung wirklich kennenlernen will, wird an dieser Arbeit
vorübergehen können. Mit Spannung darf man dem Erscheinen
des angekündigten 2. Bandes entgegensehen.

Sagard auf Rügen Karl-Heinrich B i e r i t z

Kurze ja, Adalbert: Die Etappen in der Entwicklung des Stundengebetes
in der Trierer Kirche (TThZ 77, 1968, S. 104-119).

Langgärtner, Georg: Die Liturgie der Kirche als wirksames
Bild ihrer Struktur (ThGl 58, 1968, S. 96-109).

MISSIONSWISSENSCHAFT UND ÖKUMENE

Podipara, P. Placid J„ CMI: Die Thomas-Christen. Übers, v.
C. Patock. Würzburg: Augustinus-Verlag 1966. 201 S., 4 Taf. 8°
= Das östliche Christentum, hrsg. v. H. M. Biedermann, N. F.
18. Kart. DM 45,90.

Der Titel dieser aus dem Englischen übersetzten Abhandlung
eines südindischen katholischen Ordensgeistlichen kann insofern
irreführen, als nicht über die Gesamtheit der auf die frühchristliche
Mission in Südindien zurückgehenden Christen gehandelt
wird, sondern, jedenfalls seit der Mitte des 16. Jahrhunderts, nur
über die mit Rom unierte Gruppe. Das den nichtkatholischen
Thomas-Christen gewidmete Schlu5kapitel bietet nur die aller-
nötigste Information und wird der Bedeutung dieser Kirchen kaum
gerecht. Für eine objektive Darstellung, die alle Gruppen umfaßt,
ist man also nach wie vor auf die Arbeiten von L. W. Brown (The
Indian Christians of St. Thomas, Cambridge 1956) und B. Spuler
(Die Morgenländischen Kirchen, Leiden-Köln 1964) angewiesen.
Im Rahmen ihrer thematischen Begrenzung liefert die Arbeit gleichwohl
einen Beitrag zur Konfessionskunde, der durchaus eigenen
Wert hat, da der Verfasser nicht nur über gründliche Kenntnis der
Quellen und der Literatur verfügt (einschließlich solcher, die nur
auf Syrisch oder Malayalam vorliegen), sondern auch auf sympathische
Weise in seinem Gegenstand persönlich engagiert ist.

Die knappe Darstellung der Frühgeschichte folgt im wesentlichen
der in Indien bis heute vorherrschenden Tradition einer
Missionierung durch den Apostel Thomas einschließlich der üblichen
schwierigen Harmonisierung der Malabar- und Coromandel-
Überlieferungen. Kritische Akzente fehlen zwar nicht; aber die
entscheidende Diskrepanz zwischen der nordindischen und südindischen
Tradition kommt nicht in Sicht, und die darauf aufbauende
, ganz neue Aspekte eröffnende Arbeit von A. Dihle (Neues
zur Thomas-Tradition, in: JAC 6, 1963, S. 54-70) konnte vom Verfasser
offenbar nicht mehr benutzt werden. Die traditionskritischen
Argumente des orthodox-syrischen Historiographien T. K. Joseph
sind dem Verfasser zwar nicht unbekannt, werden aber, wie es in
der einschlägigen Literatur leider auch sonst durchweg üblich ist,
nicht ernsthaft geprüft.

Das Hauptgewicht des ersten Teiles der Arbeit liegt auf der
Darstellung der Verbindung der Thomas-Christen mit der Kirche
von Seleukeia-Ktesiphon. Der Verfasser ist um den Nachweis bemüht
, daß die Seleukiancr „an den römischen Primat glaubten"
und daß diese Überzeugung von ihnen auch den Thomas-Christen
vermittelt wurde, da diese in ihrer Hierarchie und teilweise auch
in der Liturgie spätestens seit dem 13. Jahrhundert bis Ende des
16. Jahrhunderts von Seleukeia abhängig waren. Wie immer die
Dinge für Seleukeia liegen mögen - daß der römische Primat für
die Thomas-Christen von irgend erkennbarer Bedeutung gewesen
sei, dürfte sich schwerlich belegen lassen, und die recht gewundene
Argumentation des Verfassers (S. 95 ff.) kann nicht vom Gegenteil
überzeugen. Dabei ist ihm ohne weiteres zuzugestehen, daß man

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die Thomas-Christen in dieser Periode wahrscheinlich auch nicht
schlechthin als Nestorianer ansehen darf, trotz nestorianischer
Züge in ihrer Lehre und Liturgie. Sehr treffend arbeitet der Verfasser
den besonderen sozialen Status und den spezifischen Charakter
ihres Ritus und ihrer kirchlichen Ordnung heraus, wobei ihm
seine persönliche Verbundenheit mit dieser Tradition offensichtlich
zustatten kommt.

Die zweite Hälfte der Abhandlung, die der Sonderentwicklung
der unierten Gruppe seit der portugiesischen Eroberung
gewidmet ist, bringt wenig Neues. Bemerkenswert ist, wie deutlich
sich der Verfasser von den portugiesischen Versuchen distanziert
, den ostsyrischen Ritus durch den lateinischen und die Jurisdiktion
von Seleukeia durch die römische zu ersetzen, was ihn
freilich nicht hindert, das Gewicht des Abfalls eines erheblichen
Teils der Thomas-Christen seit dem Schwur am Coonan-Kreuz
(1653) möglichst gering anzusetzen. Die „Meinung einiger Nicht-
katholiken, der Eid sei gegen die katholische Kirche und gegen
den Papst gerichtet gewesen", ist doch wohl nicht gänzlich „ohne
Bedeutung" (S. 129 Anm. 23)! Die ausführliche Darstellung der
verwickelten Geschichte in den folgenden Jahrhunderten, bis hin
zur Wiederherstellung einer eigenen syro-malabarischen Hierarchie
im Jahre 1923, braucht hier nicht mehr nachgezeichnet zu werden.
Ein erbauliches Stück Kirchengeschichte ist dies wahrlich nicht,
und es berührt sympathisch, daß der Verfasser mit seiner Kritik
an den oftmals höchst ungeschickten Latinisierungsmaßnahmcn
nicht zurückhält. Daß er dem Wirken der anglikanischen Mission
unter den jakobitischen Syrern im 19. Jahrhundert wenig Verständnis
entgegenbringt, ist nicht verwunderlich. Immerhin könnte der
Bericht von den vierzig jakobitischen Priestern, die angeblich mittels
Geldprämien von den Missionaren zur Heirat „gedrängt" wurden
(S. 181), eine differenziertere Darstellung vertragen (vgl. dazu
Brown, p. 133).

Dankenswert sind die beiden Register und die Kartenskizze.
Leider fehlt eine Bibliographie. Die beigegebenen Bilder sollten
ausführlicher erklärt sein. Bei der Aufzählung der verschiedenen
Gruppen der Thomas-Christen am Schluß, die auch jüngste Abspaltungen
berücksichtigt, vermißt man wenigstens annähernde
Angaben über die Stärkeverhältnisse. - Dem evangelischen Leser
mag eine wehmütige Nachbetrachtung gestattet sein: Wann endlich
wird man derartig kenntnisreiche kirchenhistorische Arbeiten
auch aus den protestantischen Kirchen Indiens zu Gesicht bekommen
?

Heidelberg Hans-Werner Gensichen

Holze, Henry: Kirche und Mission bei Ludwig Adolf Petri. Ein

Beitrag zum Missionsgespräch des 19. Jahrhunderts. Göttingen:

Vandenhoeck & Ruprecht (1966). 232 S. gr. 8° = Studien z.

Kirchengeschichte Niedersachsens, in Verb. m. R. Drögereit u.

E. Klügel hrsg. v. H.-W. Krumwiede, 17. Kart. DM 24,-.
Seit fünfzehn Jahren und länger sind die Bemühungen um die
Integration von Kirche und Mission in Deutschland in vollem
Gange. Erst jetzt erscheinen die ersten Monographien über die
gleiche Problematik im 19. Jahrhundert, ein sehr interessantes
Kapitel der Missionsgeschichte. Hoffentlich ist auch bald mit der
zusammenfassenden Studie des dänischen Missionstheologen
Aagaard zu rechnen. Das vorliegende Buch von Holze setzt an einer
entscheidenden Stelle in der Geschichte der Missionen des 19. Jahrhunderts
ein. Die 1841 veröffentlichte Schrift Petris „Die Mission
und die Kirche" und das sich daran anschließende Gespräch haben
viel für das Selbstverständnis der Missionsgesellschaftcn bedeutet.

Nach einem einleitenden Kapitel, das die Lage der Missionen
um 1835, besonders natürlich in Hannover, darzustellen bemüht
ist, folgt in Kapitel zwei ein biographischer Überblick. Dann werden
die Voraussetzungen untersucht, die zu Petris Schrift geführt
haben, wobei sich der Verfasser auf die Darstellung der Anfänge
in der Norddeutschen und der Leipziger (damals Dresdener) Mission
beschränkt. Petris Äußerungen, Stimmen und Gegenstimmen
werden in Kapitel vier bis sechs bis um das Jahr 1850 verfolgt
und sorgfältig analysiert. Das Entstehen der Hermannsburger Mission
mußte neue Probleme aufwerfen. Dem geht Holze in Kapitel
sieben nach. Mit einer kritischen Würdigung, die auch die Bedeutsamkeit
der Petrischen Gedanken unterstreicht, schließt die
Arbeit. Ihr liegt eine Göttinger Dissertation des hannoverschen
Theologen zugrunde.

Theologische Literaturzeitung 93. Jahrgang 1968 Nr. 6